Wo die Liebe hinfällt …

Bereits mit eineinhalb Jahren stand Dominique Gisin erstmals auf den Ski und merkte schnell: Das ist Liebe auf den ersten Blick. Trotz unzähliger Knieverletzungen, Operationen und Rehas kämpfte sich die Engelbergerin immer wieder zurück an die Weltspitze. Ein Erfahrungsbericht.

Text: Dominique Gisin; Foto: Dominique Gisin/zvg

Seit meinem Rücktritt vom aktiven Skirennsport im Frühling 2015 durfte ich viel erzählen: über meinen Weg an die Weltspitze, über Olympische Spiele, aber vor allem immer wieder über meine Knie, die neun Operationen, die Rehas und wie ich es wieder zurück an die Weltspitze geschafft habe. Das Wichtigste dazu vorweg: Ich habe mich ins Skifahren verliebt, lange bevor mir bewusst wurde, wie gefährlich die Sportart ist.

Bereits mit eineinhalb Jahren stand ich erstmals auf Ski. Es war Liebe auf den ersten Blick. Und diese Liebe ist bis heute ungebrochen. Es gibt nichts, was mich so glücklich macht wie das weisse Glitzern unter meinen Füssen. Viel mehr gibt es zu meiner Motivation, nach jedem Rückschlag wieder aufzustehen, kaum zu sagen.

Meine erste Verletzung erlitt ich bereits mit 14 Jahren. Kreuzbandriss – der Klassiker! Die Standard-Reha verlief problemlos und zurück im Schnee fühlte ich mich, als wäre ich nie weg gewesen. Nach den ersten Stangentrainings tauchten jedoch Probleme auf. Starke Schmerzen, ein nicht diagnostizierter Kniescheibenermüdungsbruch und die darauffolgenden Fehlbehandlungen führten zu vier weiteren Operationen und meiner schwersten Knieverletzung überhaupt. Von Standard war in der Reha nun nichts mehr übrig. Meine schwere Verletzung war so komplex, dass sie das Interesse von Dr. Bernhard Segesser weckte, einer Koryphäe in der Knieorthopädie. Er, sein Nachfolger Lukas Weisskopf und ihr ganzes Team unterstützten mich von diesem Moment an mit voller Kraft. Für mich war das ein grosser Glücksfall. 

In der Klinik herrschte mehr Trainings- als Spitalstimmung und ich fühlte mich in allen Belangen optimal beraten und betreut. Der Wiederaufbau nach der Operation wurde gleich gewichtet wie die Qualität der Operation selbst. Meine Physiotherapeut:innen waren jeweils bei den Operationen mit dabei, was extrem wertvoll war. Denn sie arbeiteten danach täglich mit mir und wussten ganz genau, was in meinen Knien neu oder anders war. Meine Reha gestaltete sich oft wie ein Trainingslager. Jeden Tag um 8 Uhr startete ich mit den verschiedensten Übungen und verliess die Physiotherapie oft erst nach 17 Uhr. Zwischen 2000 und 2004 gehörte ich praktisch zum Inventar.

Wertvoll war aber auch mein persönliches Umfeld. Ich übernachtete in dieser Zeit (und auch bei späteren Rehas) oft in der Nähe meiner Grosseltern. Nie haben sie meinen Weg infrage gestellt, nie versucht, mir etwas anderes ans Herz zu legen. Immer waren sie unterstützend mit von der Partie, sei es mit Kaffee und Kuchen nach einem harten Tag oder mit dem Velo auf dem Weg zur nächsten Reha-Session. Aussergewöhnlich für Grosseltern, wenn ich jetzt so daran zurückdenke.

Dieser speziellen Betreuung verdanke ich, dass ich heute – sieben Jahre nach meinem Rücktritt – schmerzfrei jede Sportart ausüben kann, meinen Traum bis zum Olympiagold leben durfte und so viele Emotionen und Erlebnisse für immer im Herzen trage. Natürlich gab es aber auch harte Momente: Bei jeder Verletzung machte ich mir gleich Gedanken über meinen Rücktritt. Die Frage, ob es auf diesem Weg für mich weitergehen soll, stellte ich mir jedes Mal. Ich bin überzeugt, dass gerade diese ehrliche Auseinandersetzung mit meiner Situation und meinen Möglichkeiten mich geprägt, vielleicht sogar gestärkt hat. Die Operationen waren von meinen Ärzten top ausgeführt und für mich immer ein notwendiges Übel – ich habe mich vorrangig auf die Fortschritte von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag nach den Eingriffen konzentriert. Dabei waren auch kleine Etappenziele immer eine wertvolle Stütze.

Wenn ich auf meine Verletzungen zurückschaue, bin ich überzeugt, dass zwei Dinge essenziell für meine Genesung waren: eine gute Arztwahl und damit eine optimale Operations- und Reha-Qualität sowie die harte Arbeit, die ich in ebendiese gesteckt habe. Physioübungen und weitere Nachbehandlungen müssen konsequent und regelmässig ausgeführt werden, damit optimale Voraussetzungen für die Heilung gegeben sind. Meine Leidenschaft für den Skisport hat mir sicherlich geholfen, täglich alles für meine Rückkehr auf die Pisten zu geben. Auch die kleinen Erfolge auf dem Weg dahin waren wichtig, um den Antrieb für den mühsamen und langwierigen Wiederaufbau aufrechtzuerhalten. 

Der Skisport ist schnell und dynamisch und seine Energie entlädt sich leider allzu oft in schweren Verletzungen. Prävention ist deshalb wichtig. Dabei denke ich an einen schrittweisen Aufbau, sei dies nun als Hobbyathlet:in oder auch im Spitzensport. Als Allererstes die schwarze Piste runterzubrettern ist sicherlich nicht die beste Wahl. Aber auch geübte Skifahrer:innen können sich Verletzungen zuziehen. Wenn man sich in gute Hände begibt und die Reha seriös und konsequent verfolgt, ist jedoch auch nach Verletzungen noch ganz vieles möglich. 

Mein Weg war sicherlich nicht immer der einfachste, doch ich bin ihn mit voller Überzeugung gegangen. Ich liebe den Skisport von ganzem Herzen und werde ihn hoffentlich noch ganz viele Jahre geniessen dürfen. 

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