Dossier: Ernährung

Ist Vitamin D ein Alleskönner?

Vitamin D ist wichtig für starke Knochen und Muskeln. Doch besonders im Winter leiden viele Menschen an einem Mangel, da das Vitamin durch Sonnenlicht in der Haut produziert wird. Die Ärztin Heike Bischoff-Ferrari erklärt, wie wir zu mehr Vitamin-D kommen und wie viel zu viel ist.

Wie produziert der Körper Vitamin D?

Vitamin D wird über die Sonnenexposition in der Haut produziert. Eine Faustregel besagt, dass täglich 20 Minuten volle Sonnenexposition von Unterarmen und Gesicht für eine junge, erwachsene Person eine ausreichende, körpereigene Versorgung sicherstellt. Allerdings gilt dies nur für die Monate Mai bis Oktober. In den Wintermonaten und im Frühjahr reicht die Sonnenintensität für eine ausreichende hauteigene Vitamin-D-Produktion nicht aus. Wer sich im Sommer und Herbst viel draussen bewegt, tut also aktiv etwas gegen Vitamin-D-Mangel. Tatsache ist aber, dass rund 50 Prozent aller Menschen vor allem in der Winterzeit zu wenig Vitamin D haben. Im Sommer sind noch rund 40 Prozent betroffen.

Kann man Vitamin D auch übers Essen aufnehmen?

Ja, theoretisch lässt sich Vitamin D auch über die Ernährung zuführen. Doch für eine ausreichende Versorgung eignet sich hauptsächlich fettiger Fisch wie beispielsweise geräucherte Lachs – und sie müssten täglich 200 Gramm davon essen! Alternativ bräuchte es 20 Eier am Tag um auf 600 bis 800 IE Vitamin D zu kommen – eine Diät, die wir nicht empfehlen können.

Weshalb ist Vitamin D für ältere Menschen und Kinder besonders wichtig?

Gealterte Haut produziert bis zu viermal langsamer respektive weniger Vitamin D. Von Vitamin-D-Mangel besonders betroffen sind deshalb Senioren. Das gilt sogar für ältere Menschen in mediterranen Ländern, denn wegen der heissen Temperaturen bleiben sie oft den ganzen Tag im Haus und bekommen so zu wenig Sonnenlicht.

Da Sonnenschutzmittel die Vitamin-D-Produktion vermindern, haben auch Kinder, die konsequent mit Sonnenschutzmitteln und entsprechender Bekleidung vor der Sonne geschützt werden, häufiger Vitamin-D-Mangel. Deshalb wurde in den neuen Vitamin-D-Richtlinien des BAG die Empfehlung zur Vitamin-D-Aufnahme von 200 IE auf 600 IE erhöht. Vitamin-D-Supplemente sind eine wichtige Möglichkeit, um sicher einem Vitamin-D-Mangel vorzubeugen, insbesondere weil die ungeschützte oder übermässige Sonnenexposition aus Sicht der Hautkrebsprävention problematisch ist.

Hilft auch ein Solariumbesuch gegen Vitamin-D-Mangel?

Wir empfehlen einen Solariumbesuch als Vitamin-D-Tankstelle nicht, weil in Solarien in der Regel eine Mischung aus UVB-Strahlung (macht Vitamin D) und UVA-Strahlung (macht kein Vitamin D und ist nur schädlich) angeboten wird. Dazu kommt, dass Solarien ebenso wie die Sonne mit Risiken der Hautalterung und Hauttumoren behaftet sind.

Wie wird Vitamin D dosiert?

In den USA, in grossen Teilen Europas und in der Schweiz (BAG, Bundesamt für Gesundheit) wurden die Richtlinien zur Vitamin-D-Zufuhr in den letzten vier Jahren überarbeitet. Folgende Zufuhrempfehlungen gelten neu:

  • Säuglinge im ersten Lebensjahr: 400 Einheiten/Tag
  • Von 2 – 59 Jahren: 600 Einheiten/Tag
  • Ab 60 Jahren: 800 Einheiten/Tag

Kann zu viel Vitamin D auch schädlich sein?

Ja durchaus, doch dafür müsste man mehr als das 10-fache der empfohlenen Menge zuführen. Die heutigen Empfehlungen von 600-800 IE/Tag haben damit einen grossen Sicherheitsspielraum und stellen dennoch sicher, dass über 97 Prozent der Bevölkerung keinen Mangel hat. Der Sicherheitsspielraum spiegelt sich auch in unserer Physiologie wieder: Wenn eine junge Frau/Mann während zehn Minuten im Badekleid (ohne Sonnenschutz) an der prallen Sonne liegt, produziert deren Haut 10000 bis 14000 Einheiten Vitamin D.

Kann der Körper Vitamin D speichern?

Ja, allerdings nur für drei bis sechs Wochen, was der Halbwertszeit von Vitamin D entspricht. Das heisst, auch wenn Sie einmal einen Tag oder auch eine Woche nicht genug Sonnenlicht bekommen, brauchen Sie sich noch keine Sorgen zu machen. Dieses Manko lässt sich wieder aufholen. Andererseits heisst das aber auch, dass der üblicherweise höchste Vitamin-D-Spiegel vom September (nach den Sommermonaten) jeweils im November bereits deutlich abfällt, wenn man nichts zuführt. Ein schöner Sommer rettet also nicht über den Winter hinweg – und das betrifft die ganze Bevölkerung, ob jung oder alt.

Muss ein Vitamin-D-Supplement vom Arzt verschrieben werden?

Nicht unbedingt – man kann Vitamin D rezeptfrei in der Apotheke kaufen. Allerdings empfehlen wir ein Gespräch mit Ihrem Hausarzt, weil der Hausarzt Risiken und Folgen des Vitamin-D-Mangels abklären und bei Verdacht auf einen schweren Mangel eine Blutspiegelmessung durchführen kann. In den neuen Vitamin-D-Empfehlungen wird eine Blutspiegelmessung nur bei Verdacht auf einen schweren Vitamin-D-Mangel empfohlen.

Faktoren, die auf einen Vitamin-D-Mangel hinweisen

Von Vitamin-D-Mangel betroffen sind eher Personen, die:

  • nicht oder wenig an der frischen Luft aktiv sind
  • die konsequent Sonnenschutzmittel auftragen
  • einen mediterranen oder dunkleren Hautton haben (die Pigmentierung wirkt wie ein Sonnenschutz)   
  • übergewichtig sind
  • über 60 Jahre alt sind
  • entzündliche Darmerkrankungen haben/hatten
  • eine Osteoporose haben oder einen Knochenbruch nach einem minimalen Trauma / Sturz erlitten haben
  • Anti-Epileptika einnehmen (hemmen den Vitamin-D-Stoffwechsel in der Leber

Jeder dieser Faktoren ist mit einem erhöhten Risiko für einen Vitamin-D-Mangel verbunden.

Prof. Dr. med. Heike Bischoff-Ferrari, hat den Lehrstuhl Geriatrie und Altersforschung der Universität Zürich inne, ist Klinikdirektorin der Klinik für Geriatrie, Universitätsspital Zürich, Leiterin Zentrum Alter und Mobilität, Universitätsspital Zürich und Stadtspital Waid sowie Koordinatorin und Studienleiterin DO-HEALTH

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