Dossier: Covid-19

Hilfe empfangen, Hilfe bieten

Er gehört wegen einer MS-Erkrankung selbst zur COVID-19-Risikogruppe. Dennoch ist der Lockdown für Philippe Blumenthal kein Grund, zu Hause Däumchen zu drehen: Er engagiert sich aktiv in einem Nachbarschaftshilfeprojekt.

Text: Robert Wildi; Fotos: Kostas Maros

Es gibt Momente im Leben, da ist die Zeit reif für etwas Neues. Für Philippe Blumenthal war der 50. Geburtstag so ein Moment. Der langjährige Webdesigner und Layouter aus Langendorf im Kanton Solothurn trug schon seit Längerem den Gedanken mit sich herum, beruflich noch einmal etwas anderes zu wagen. Also schrieb er sich mit der «5 auf dem Rücken» für eine Weiterbildung in Palliative Care ab Juli dieses Jahres ein.

Doch dann kam die Corona-Pandemie und die Vorfreude auf den neuen Lebensabschnitt wich der Ernüchterung. Denn Philippe Blumenthal leidet seit 18 Jahren an multipler Sklerose (MS) und ist auf Medikamente angewiesen, die das Immunsystem schwächen. Das macht ihn zum COVID-19-Risikopatienten. «Ich gehe bis heute möglichst selten aus dem Haus und bin froh, dass sich rasch Freunde und Bekannte für Einkäufe und andere Erledigungen angeboten haben.»

Beeindruckende Hilfsbereitschaft über alle Generationen

Tatenlos zu Hause zu sitzen kam für Blumenthal indes nicht in Frage. Als er Mitte März in der lokalen Presse von der Initiative «gärn gscheh – Solothurn hilft!» erfuhr, meldete er sich sofort bei Initiatorin Lena Lang. Die junge Frau hatte eine WhatsApp-Gruppe gegründet und suchte Freiwillige für Nachbarschaftshilfe zugunsten betagter Menschen und Risikopatienten in Solothurn und Umgebung.

 

Einkaufen zu gehen kam für «Phil», wie ihn seine Freunde nennen, wegen seiner Erkrankung nicht in Frage – aber er bot an, im Kernteam beider Organisation mitzuhelfen. «Es zeichnete sich ab, dass sich gerade ältere Hilfesuchende mit einer Kontaktnahme via WhatsApp oder Facebook schwertaten. Also schlug ich vor, die Website gaerngscheh-solothurn.ch aufzusetzen. Das kam im Team gut an.» Die Erfahrung aus seinem «alten Beruf» konnte Webdesigner Blumenthal hier voll in die Waagschale werfen.

Jeder bringt ein, was er kann

Rund 250 freiwillige Helferinnen und Helfer fanden via «gärn gscheh –Solothurn hilft!» in den zurückliegenden Wochen mit Hilfesuchenden zusammen. Philippe Blumenthal ist dabei mit Abstand der Älteste der Ehrenamtlichen der Gruppe. Er ist vom Spirit seiner jungen Mitstreiter zwischen 20 und 30 schwer beeindruckt. «Es ist schön zu sehen, wie sich junge Menschen in der Not solidarisch zeigen mit den Älteren und Schwächeren unserer Gesellschaft.»

Denn Hilfsbereitschaft kennt kein Alterslimit. «Aus einer Nachbargemeinde kontaktierte mich zu Beginn des Lockdowns ein freundlicher Herr und erwähnte, dass er ebenfalls Hilfsaktionen mitorganisiere, selbst aber nicht mehr an der Front aktiv sein könne, worauf ich ihn nach seinem Alter fragte.» Er sei 80 und leite die Administration der Freiwilligenhilfe am heimischen PC, meinte er.

Dreamteam «Phil und Gill»

Solche Geschichten und Erlebnisse sind es, die Philippe Blumenthal aus dieser intensiven Corona-Zeit mitnimmt und die er nie mehr vergessen wird, wie er sagt. Ein spezieller Dank gilt auch seiner holländischen Schäferhündin Gill. «Sie hat mich tapfer und geduldig durch die «gärn gscheh – Solothurn hilft!»-Zeit begleitet, mir die Füsse unter dem Pult gewärmt und mich mit ihrem traurigen Blick daran erinnert, dass auch laut fluchen nichts nützt, wenn auf der Website etwas nicht funktioniert», lacht Blumenthal.

Solange im Raum Solothurn Nachbarschaftshilfen gefragt seien, werde sein Team weiterarbeiten und vermitteln. «Wenn die Pandemie hoffentlich bald unter Kontrolle ist, möchte ich mit Gill wieder öfter rausgehen und unbedingt meine Kolleginnen von ‹gärn gscheh – Solothurn hilft!› bei einem Kaffee persönlich kennenlernen.» 

Teilen