Dossier: Covid-19

Sicher zurück an den Arbeitsplatz

Die schrittweise Aufhebung des Lockdowns führt Tausende Menschen zurück in ihre Büros, Werkstätten und Ateliers. Sicherheitsvorkehrungen gegen eine neue COVID-19-Ansteckungswelle haben dabei höchste Priorität. Ein Arbeitsmediziner erklärt, worauf dabei zu achten ist.

Text: Robi Wildi; Foto: Unsplash

Unzählige berufstätige Menschen wünschen sich nichts sehnlicher als eine Normalisierung ihres Arbeitsalltags. Produktmanager, Teamleiterinnen, Sachbearbeiter und Verkaufschefinnen: Sie alle haben allmählich genug von der Einsamkeit im Homeoffice, möchten am liebsten wieder ihre angestammten Büroplätze einnehmen, sich im Direktgespräch mit ihren Kolleginnen und Kollegen austauschen, statt virtuell via Zoom, Skype & Co. bei einer realen Sitzung am runden Tisch das Wort zu ergreifen. 

Schon bald dürfte sich dieser Wunsch vielerorts erfüllen. Der Corona-Lockdown wird schrittweise gelockert. Neben Schulen und Einkaufsläden bitten auch Unternehmen, Verbände und Organisationen nach und nach ihre Mitarbeitenden wieder an die Arbeitsplätze und Bürotische. Freude herrscht, aber keine ungetrübte. Eine tiefe Verunsicherung ist spürbar: Wie kann ich an meinen Arbeitsplatz zurückkehren, mich wieder unters Volk mischen, ohne mich dem Risiko einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu sehr auszusetzen?

Thomas Suter, Leiter Arbeitsmedizin am Institut für Arbeitsmedizin (ifa), erklärt anhand eines Leitfadens für Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmer, wie die Rückkehr an den Arbeitsplatz möglichst virenfrei gelingen kann (Stand: Mitte Mai 2020. Die Tipps können sich analog der Studienlage ändern).  

Schutz vor Ansteckung mit dem Coronavirus: Verantwortung der Arbeitgeber

An den Arbeitsplätzen sollten die Vorgaben des Bundes (BAG) weiterhin konsequent und minutiös umgesetzt werden. «Der Arbeitgeber trägt Verantwortung dafür, dass die Mitarbeitenden keinem unnötigen Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind», sagt Thomas Suter. Folgende Massnahmen seien deshalb aus seiner Sicht zwingend:

  • Vorbildfunktion wahrnehmen und die Hygieneregeln des BAG aktiv vorleben. Diese mit gut sichtbaren Aushängen den Mitarbeitenden in Erinnerung rufen.
  • Allen Mitarbeitenden die Möglichkeit bieten, die Hygieneregeln (regelmässiges Händewaschen) einhalten zu können.
  • Räumliche Infrastrukturen bereitstellen, die «Social Distancing» (zwei Meter Abstand) für alle Mitarbeitenden ermöglichen und gewährleisten.
  • Kurze Kontakte und Besprechungen mit Kunden und Mitarbeitenden müssen unter Einhaltung der Abstandsregeln möglich sein.
  • Verlagerung der Kommunikation auf elektronische Kanäle auch innerhalb der Büroräumlichkeiten durch Bereitstellung der notwendigen Infrastrukturen. Diese Art der Kommunikation auch so anordnen beziehungsweise kontrollieren.   

Corona-Eigenschutz am Arbeitsplatz: Verantwortung der Arbeitnehmenden

Neben den Arbeitgebern stehen auch die Arbeitnehmenden selbst in der Verantwortung – einerseits gegenüber sich selbst und ihren Familien, andererseits gegenüber Kolleginnen und Kollegen. «Arbeitnehmende sind verpflichtet, den Anweisungen und Schutzmassnahmen des Arbeitgebers Folge zu leisten», so Thomas Suter. Diese Eigenverantwortung beschränke sich nicht nur auf den Arbeitsort selbst. Nachfolgend die wichtigsten Punkte, um das Risiko neuer Ansteckungsketten zu verringern:

Arbeitsweg:

  • Möglichst auf öffentliche Verkehrsmittel verzichten. Stattdessen individuell anreisen, mit dem Auto, Fahrrad oder zu Fuss. Falls die Benutzung des ÖV zwingend ist, auf Fahrzeiten mit weniger Pendlerverkehr ausweichen.
  • In Absprache mit dem Arbeitgeber nach wie vor Homeoffice-Tage einbauen.
  • Im ÖV sind Schutzmasken empfohlen.

Eingänge und Türgriffe:

  • Zurzeit geht man davon aus, dass das Coronavirus auf Oberflächen aus Kunststoff und Edelstahl bis drei Tage und länger überleben kann. Deshalb Türgriffe, Handläufe, Liftknöpfe, Arbeitstische und Tastaturen regelmässig desinfizieren.
  • Sofort Händewaschen, nachdem man eine solche von vielen berührte Oberfläche angefasst hat.
  • Sich so wenig wie möglich ins Gesicht fassen. Vor allem nach dem Anfassen eines Türgriffs oder Berühren anderer Oberflächen immer umgehend die Hände waschen.

Begrüssung von Kolleginnen und Kollegen:

Auf Händeschütteln und andere physische Begrüssungsrituale (Küsschen) weiterhin konsequent verzichten. Ein freundliches Lächeln und ein paar liebe Worte erfüllen den Zweck mindestens ebenso gut.

Sitzordnung in den Büros:

  • Ein Mindestabstand von zwei Metern zwischen den Mitarbeitenden muss gewährleistet
    sein.
  • Nötige «Verkehrswege» innerhalb der Gebäude und zwischen den Büros kurz und effizient halten, damit kein unnötiges Herumwandern entsteht.

Hygiene am eigenen Arbeitsplatz:

  • Regelmässiges Händewaschen und die Nutzung von Desinfektionsmittel können die Haut austrocknen. Deshalb gehört eine feuchtigkeitsspendende und rückfettende Handcreme an jeden Arbeitsplatz. Damit verhindert man zu trockene und in der Folge rissige Haut, die schnell zum «Mikrobennest» werden kann.
  • Stets in die Armbeuge husten oder niesen, da sonst Viren im ganzen Büro herumgeschleudert und verteilt werden.
  • Bevorzugt Einwegtaschentücher verwenden und diese nach dem Gebrauch in einem verschlossenen Abfallbehälter entsorgen. Danach abermals sofort die Hände waschen.

Mittagspausen:

  • Zwingend die Vorgaben des BAG in Sachen Gruppengrösse (derzeit maximal fünf Personen, zwei Meter Abstand) einhalten.

Achtung, Fehlannahme!

Viele denken bis heute, dass die Massnahmen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) gegen die Corona-Pandemie übertrieben seien. Viele sind auch überzeugt, dass sie bei einer Infektion ohnehin nicht besonders gefährdet seien. Für einen jungen, gesunden Menschen ist die Gefährdung in der Tat nicht sehr gross. Diese Haltung kann aber sehr schnell dazu verleiten, sich nicht mehr strikt an die Sicherheitsmassnahmen zu halten. «Gerade in einem Büro mit vielen jungen Leuten könnte dies sofort zu neuen Virenherden und Ansteckungsketten führen», mahnt Thomas Suter.

Darunter leiden würde die gesamte Gesellschaft, insbesondere gefährdete Personen im Alter über 65 sowie andere Risikogruppen mit Vorerkrankungen. «Jeder von uns hat Vertreter der Risikogruppe im engeren Familien- und Bekanntenkreis und sollte deshalb erst recht seinen Beitrag zu deren Schutz leisten», so der Arbeitsmediziner. Schaden würden sich junge Menschen mit einem solchen Fehlverhalten letztlich auch selbst: Sollten die COVID-19-Fallzahlen nach einer ersten Lockerung des Lockdowns wieder ansteigen, würde der Bundesrat die Daumenschrauben sofort wieder anziehen – mit dem schmerzhaften Verlust der zurückgewonnenen Freiheiten als Folge.

Teilen