Dossier: Gewohnheiten ändern

Ohne Ziel bringen Gadget nichts

Apps, Uhren und Fitnesstracker – heute geht scheinbar nichts mehr ohne digitale Unterstützung. Eine echte Motivationsspritze oder nur nettes Accessoire? Motivationsexpertin Romana Feldmann klärt auf.

Frau Feldmann, sind Pulsmesser, GPS-Uhren und Activity-Tracker gute Motivationshilfen zum Sport treiben?

Am wichtigsten ist es, dass man sich überlegt, weshalb man überhaupt Sport treibt. Will man soziale Kontakte pflegen, geht es um Erholung und Entspannung, steht die Gesundheit im Zentrum? Oder ist das Ziel eine Leistungsverbesserung durch geplante, variierende Trainingseinheiten? Es gibt verschiedenste Gründe, weshalb Menschen sich bewegen und Sport treiben. Je nachdem, welches Ziel man verfolgt, können unterschiedliche technische Gadgets hilfreich sein. Klar ist: Ohne Ziel bringt auch das schickste Gadget nichts.  

Stellen Sie mit dem Aufkommen von Pulsmessern, GPS-Uhren und Activity-Trackern eine grundsätzliche Veränderung im Bewegungs- und Sportverhalten fest? 

Die Digitalisierung entspricht dem heutigen Zeitgeist – und sie ist damit natürlich auch im Sport und in der Freizeit sichtbar. Mir ist aber keine Studie bekannt, die einen Zusammenhang zwischen den technischen Gadgets und dem Sportverhalten belegt.
Ich denke, es ist eher die heutige Leistungsgesellschaft als die Technologisierung, die Auswirkungen auf den Sport hat: Es gehört einfach dazu, dass man im Beruf und auch in der Freizeit Leistung bringt.

«Mir ist keine Studie bekannt, die einen Zusammenhang zwischen den technischen Gadgets und dem Sportverhalten belegt.»
Romana Feldmann

Kann man sagen, welche Personengruppen eher auf technische Gadgets ansprechen?  

Einem Mannschaftssportler bringt die technische Unterstützung wohl eher weniger, einem Ausdauersportler kann sie dagegen sehr viel helfen. Meine persönlichen Beobachtungen zeigen: Gadgets nutzen vor allem Menschen, die sich bereits auf hohem und sehr hohem Niveau bewegen.

Kann die technische Unterstützung bei «bewegungsfaulen» Menschen eine nachhaltige Veränderung des Bewegungsverhaltens bewirken?  

Die Technik wird niemals den inneren Schweinehund besiegen – das müssen wir selber tun. Gerade Geräte wie Activity Tracker sind im Moment aber gross im Trend und können einen Ansporn für eine Verhaltensänderung geben. Für jemanden, der sich vorher kaum bewegt hat, wird ein Gadget allerdings kaum ausreichen, um einen nachhaltige Verhaltensänderung zu bewirken. Man sagt, dass das veränderte Verhalten – zum Beispiel das regelmässige Sporttreiben – drei Monate aufrechterhalten werden muss, damit es nachhaltig bleibt. Ein Gadget kann ein guter Ansporn sein, aber es ist keine Garantie, dass man sich wirklich langfristig mehr bewegt.

«‹Reale› Kontakte sind nach wie vor wirksamer als die Unterstützung durch eine digitale Community.»
Romana Feldmann

Was kann Leute denn zu mehr Bewegung motivieren?

Entscheidend sind vor allem realistische Ziele und Zwischenziele. Auch ein gewisser sozialer Druck durch Freunde und Kollegen – die Community – kann helfen, dass man seine Bewegungsvorsätze einhält. «Reale» Kontakte sind nach wie vor wirksamer als die Unterstützung durch eine digitale Community. Denn wenn man ein Resultat nicht auf einer Online-Plattform postet, wird das kaum jemanden gross kümmern. Wenn man sich dagegen mit jemandem zum Laufen verabredet hat, und dann nicht erscheint, hat das grössere Konsequenzen.   

Welches sind für Sie die Hauptvorteile von technischen Gadgets?

Positiv ist sicherlich, dass man alles ganz gezielt dokumentieren und die Qualität des Trainings steigern und ausreizen kann. Gerade im Spitzensport ist ein effizientes Training ohne diese Technologie nicht mehr denkbar.  

Sehen Sie auch negative Aspekte?

Dass alles bis ins kleinste Detail messbar ist, kann problematisch werden, wenn sich jemand zu fest auf die Daten versteift und permanent das Gefühl hat, sie oder er müsste sich oder die anderen noch übertreffen. Hier muss man aufpassen, dass man nicht in ein Übertraining kommt, sondern ein gesundes Verhältnis zur Leistung behält. Insbesondere perfektionistisch veranlagte Menschen können dazu tendieren, sich körperlich zu sehr zu verausgaben und sich auch psychisch zu viel Druck aufzusetzen. In extremen Fällen kann dies auch in eine Sportsucht münden: Nebst körperlichen und psychischen Symptomen besteht dann die Gefahr von sozialer Isolation, weil der Sport und die Leistung plötzlich über allem stehen und das Umfeld vernachlässigt wird.  

Soll man bewusst auch mal wieder ohne Gadget Sport treiben?

Es gibt sicher viele Freizeitsportler, die zwar mit einer GPS-Uhr unterwegs sind, aber während dem Training selbst nicht ein einziges Mal darauf schauen. Sie dokumentieren einfach nach dem Training die erreichte Leistung. Wer aber sehr fixiert ist auf seine Leistungen und Zeiten und während dem Sport permanent Daten abliest, profitiert sicher davon, wenn er zur Abwechslung auch einmal ohne Messung unterwegs ist. In dieser «Datenpause» hat man wieder mal Zeit, sich ganz bewusst auf seinen Körper und auf die einzelnen Bewegungen zu konzentrieren. Man nimmt die Umgebung wahr und spürt, ob die Aktivität auch Spass macht. Die Aufmerksamkeit liegt also im «Hier und Jetzt» und auf der Tätigkeit selbst statt nur auf dem Ergebnis.

Romana Feldmann

Fachpsychologin für Sportpsychologie FSP

romanafeldmann.ch

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