Dossier: Digitales Leben

Influencer – die Vorbilder von nebenan

Ein neues Phänomen hat die Schweiz erreicht: die Influencer. Was ist das Geheimnis ihres Erfolges? Auf Spurensuche bei zwei der einflussreichsten Fitness-Influencer der Schweiz.

Text: Barbara Lukesch

Influencer gab’s ja auch früher schon. Damals nannte man sie allerdings Trendsetter, Meinungsmacher, Vorbilder oder Idole. Zum Beispiel Jack Günthard, der erste «Fitness-Guru» der Schweiz: In den Siebzigerjahren animierte der Zürcher Kunstturn-Olympiasieger und spätere Nationaltrainer seine Landsleute sowohl am Radio wie auch am Fernsehen («Fit mit Jack») zu regelmässiger Leibesertüchtigung. Die heutigen Influencer sind meist junge Menschen, die sich zunächst weder durch Prominenz noch durch besondere Qualifikationen auszeichnen. Sie entfalten ihre Wirkung vor allem innerhalb Social Media.

Likes und Herzchen

Die 24-jährige Anja Zeidler, eine gelernte Coiffeuse aus Luzern, gilt als erfolgreichste Fitness-Celebrity der Schweiz. Bei ihr begann alles ganz harmlos: Vor rund fünf Jahren eröffnete sie ein Instagram-Profil, postete Selfies, Ferien- und Sportfotos. Dann ging sie nach Los Angeles und verfiel auf die Idee, zum internationalen Fitness-Model zu werden. «Was folgte», sagt sie, «war krass: Anabolika-Sucht, Brustvergrösserung, Brustverkleinerung, tägliches Training, extrem kontrollierte Ernährung.» Die Zahl ihrer Follower sei zwar explodiert, aber sie habe ihren Kompass verloren und sich an absurden Schönheitsidealen orientiert.

«Heute gehören auch Lifestyle, mentale und körperliche Gesundheit, Moderation und Unterhaltung zu meinen Themen.»
Anja Zeidler

Inzwischen ist sie in der Schweiz zurück, clean und befreit von allen Implantaten. Sie hat sich in Kursen zur Ernährungsberaterin und zum Personal Coach weitergebildet: «Heute gehören auch Lifestyle, mentale und körperliche Gesundheit, Moderation und Unterhaltung zu meinen Themen.» Heute folgen ihr auf Instagram rund 340'000 Follower, mehrheitlich junge Frauen.

Der 31-jährige Marco Laterza erzielt in Spitzenzeiten gar eine Reichweite von einer Million Follower. Der ehemalige Banker, ein durchtrainiertes Kraftpaket, wurde auf einer öffentlichen Toilette entdeckt. Ein Unbekannter fragte ihn, ob er, mit seiner Figur, sich nicht vorstellen könne, auf dem Cover des weltgrössten Bodybuilding-Magazins «Muscle & Fitness» zu posieren. Diese Chance liess sich der Schweizer mit italienischen Wurzeln nicht entgehen: So sahen ihn im Juni 2014 sieben Millionen Leute: «Ein Glücksfall!», grinst er. «Mehr Werbung geht nicht.»

« «Ein Glücksfall! Mehr Werbung geht nicht.»
Marco Laterza

Marco Laterza liefert seiner Gefolgschaft mindestens einmal pro Woche auf seinem Youtube-Kanal ein aktuelles Motivationsvideo, auf dem er sie zu gut dosiertem Krafttraining, gepaart mit ausgewogener Ernährung, anhält. Darüber hinaus postet er auf Instagram täglich Botschaften, in denen er auf die Bedeutung von Leidenschaft, Hartnäckigkeit und Selbstmanagement hinweist.   

Karriere im Netz

Philippe Wampfler, Experte für Social Media, definiert Influencer als «Personen, die dank zahlreicher Beziehungen sehr viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen und sich damit ein grosses soziales Kapital aufgebaut haben». Der Gradmesser ihres Erfolgs sei die Anzahl ihrer Follower, wobei Wampfler betont, dass diese Zahlen «mit Vorsicht zu geniessen» seien: «Es gibt erwiesenermassen einen beachtlichen Anteil an Fake-Followern.»

Influencer, so Wampfler, pflegten ihre Aktivitäten auf Social Media mit der Absicht, Geld zu verdienen und sich eine Karriere aufzubauen. Denn inzwischen haben Unternehmen und Agenturen entdeckt, dass Influencer bei Ihren Followern eine enorme Wirkung erzielen können. Und dafür bezahlen sie gutes Geld. Kein Wunder, ist Influencer  inzwischen zum Traumjob für viele Junge geworden.

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