Dossier: Ernährung

Fleischersatz: gut für die Umwelt – und die Gesundheit?

Veganes Poulet, vegane Salami, veganes Hack – Fleischersatz ist in aller Munde. Doch wie gesund sind die Produkte wirklich? Wir haben nachgefragt.

Text: Isabelle Fretz; Foto: Angele Kemp / Unsplash

Für die Produktion eines Kilos Schweizer Rindfleisch werden 12 bis 13 Kilo CO2-Äquivalente ausgestossen. Bei Linsen sind es nur 0,7, bei Äpfeln 0,5 und bei Tomaten 0,2 Kilo. Immer mehr Menschen schränken deshalb der Umwelt zuliebe ihren Fleischkonsum ein. Supermärkte haben den Trend erkannt. Sie haben in den vergangenen Jahren ihr Sortiment beispielsweise um Planted Chicken, Hackfleisch aus Erbsenprotein oder veganen Aufschnitt erweitert. Die Zielgruppe: umweltbewusste Omnivoren. Denn Fleischersatz ermöglicht es, auf einfache Art und Weise seine Gewohnheiten umzustellen. Wer Spaghetti bolognese liebt, muss dank pflanzlicher Hackfleischalternativen nicht darauf verzichten. Dasselbe gilt für die Salamipizza oder den Pouletspiess vom Grill. Wer die Produkte regelmässig kauft oder sie ausprobieren möchte, sollte jedoch auf ein paar Dinge achten.

Wie gesund ist Fleischersatz?

Die Frage lässt sich nicht einfach pauschal beantworten. «Die Qualität der Produkte ist so unterschiedlich wie das Angebot», sagt Annina Pauli, BSc BFH Ernährungsberaterin, SVDE, vom Ernährungszentrum Zürich. Ob das gekaufte Produkt gesund ist oder nicht, hängt unter anderem stark vom Verarbeitungsgrad ab. «Beim Kauf sollten Sie auf Folgendes achten: Enthält das Produkt ausreichend Protein? Basiert es also beispielsweise auf Soja oder Erbsenprotein? Wie ist es gewürzt? Enthält es Stabilisatoren? Ist es paniert oder frittiert?», so die Expertin.

Wer es genau wissen will, wirft einen Blick auf die Liste mit den Inhaltsstoffen. «Oft enthalten die Produkte verhältnismässig viel Fett, verschiedene zugesetzte Zuckerarten wie Maltodextrin und Glucose, Aromen, Farbstoffe und Verdickungsmittel.» Junge Start-ups wie das ETH-Spin-off Planted zeigen jedoch, dass Fleischersatz auch mit rein natürlichen Zutaten und ohne Zusatzstoffe oder Aromen produzierbar ist. Nikola Baumschlager von Planted erklärt, dass ihr Produkt mit nur vier natürlichen Zutaten hergestellt wird. «Unser Planted Chicken besteht aus Erbsen, Rapsöl und Wasser sowie einer gesunden Portion Vitamin B12.»

Worauf sollte man beim Kauf achten?

Für Laien ist es oft schwierig, die Inhaltsstoffe richtig einzuordnen. Grundsätzlich gilt: je weniger, desto besser. Einfach ist es auch, auf Fett-, Eiweiss- und Zuckergehalt zu achten. «Grundsätzlich sollte man sich fragen, ob das vegane Produkt mit Fleisch mithalten kann, wenn es um den Eiweissgehalt geht. Dabei gilt: 1 Gramm Eiweiss pro Kilogramm Körpergewicht täglich», so die Expertin. Auch lohnt es sich, auf der Packung den Fettgehalt genauer anzuschauen. «Dieser sollte bei einer Portionengrösse von 100 Gramm unter 10 Gramm liegen. Bei Zucker gilt: Wo immer möglich, sollte man darauf verzichten – sofern es sich denn um künstlichen Zucker handelt. Denn jedes pflanzliche Produkt basiert zu Teilen auf Kohlenhydratstrukturen, die bei den Nährwertangaben auch als Zucker ausgewiesen werden. Diese sind jedoch unbedenklich.»

Beispielhaft geht auch hier Planted voran: Den Produkten wird kein künstlicher Zucker zugefügt und der Pouletersatz weist 24,2 Gramm Eiweiss pro 100 Gramm auf – das ist sogar mehr als bei herkömmlichem Poulet.

«Veganuary» – einen Monat lang vegan leben

Entstanden ist die Bewegung 2014 in Grossbritannien. 2021 hat «Veganuary» weltweit knapp 600’000 Menschen dazu motiviert, im Januar eine rein pflanzliche Ernährung auszuprobieren. Die Umstellung gelingt am einfachsten mit Produkten, die tierische Lebensmittel ersetzen – beispielsweise von Planted, V-Love, Beyond Meat oder The Green Mountain. «Wir wollen den Wandel zu weniger Fleisch so einfach wie möglich gestalten», sagt Nikola Baumschlager von Planted. Dabei gehe es nicht darum, dass alle Menschen komplett auf tierische Produkte verzichten, sondern um die Reduktion des Konsums und die Sensibilisierung dafür, was die Herstellung von Fleisch- und Milchprodukten für die Umwelt bedeutet. Baumschlager, die sich wissenschaftlich mit dem Thema Fleischersatz auseinandergesetzt hat, erklärt: «Jeder Einzelne von uns kann im Kleinen etwas fürs Klima tun. Die Ernährung ist ein kleiner Schritt mit grosser Wirkung.» Für Menschen, die schlicht nicht auf Fleisch verzichten wollen, hat sie einfach umsetzbare Tipps und Ideen:

  • Fleischersatz nutzen, damit man seine Lieblingsgerichte ohne Einschränkungen kochen kann
  • Week-Day Vegetarian: unter der Woche vegetarisch oder vegan leben
  • Mahlzeiten zu Hause hauptsächlich vegan gestalten, auswärts kann man sich mit Fleisch- und Milchprodukten «belohnen»
  • Das fleischhaltige Frühstück durch eine vegane Alternative ersetzen (z.B. Scrambled Tofu oder Haferbrei mit Milchalternative)
Mehr über den Veganuary erfahren

Welche Vor- und Nachteile hat Fleischersatz?

Auch hier kommt es stark aufs ausgewählte Produkt und dessen Zusammensetzung an. Je höher der Verarbeitungsgrad, desto weniger gesund ist das Produkt. Ihren Klientinnen und Klienten empfiehlt die Ernährungsberaterin deshalb, auf möglichst natürliche Produkte zurückzugreifen. «Tofu, Tempeh und Seitan sind unproblematisch.» Genauso wie Fleischersatzprodukte, die aus rein natürlichen Zutaten bestehen.

Klare Vorteile sieht Annina Pauli beim Thema Umwelt. «Auch wenn der teils hohe Fettgehalt aus ernährungsphysiologischer Sicht nicht zu empfehlen ist, sind Produkte, die Kokosöl oder Palmöl enthalten, zumindest für die Umwelt dennoch besser als Fleisch.» Ausserdem beinhalten Fleischersatzprodukte kein Cholesterin, dafür Ballaststoffe, die sich positiv auf die Verdauung auswirken. «Dadurch halten diese länger satt, regulieren den Blutzuckerspiegel, senken den Cholesterinspiegel und helfen bei Verstopfung.»

Sind die Produkte für Allergiker geeignet?

«Für Allergiker ist der Blick auf die Zutatenliste besonders wichtig», so die Ernährungsberaterin. Und sie geht noch einen Schritt weiter: Personen, die auf mehrere Lebensmittel allergisch sind, beispielsweise auf Soja und Nüsse, rät sie von einer veganen Ernährungsweise ab. 

Zur Person

Annina Pauli ist ausgebildete Ernährungsberaterin BSc und arbeitet im Ernährungszentrum Zürich. Neben der Kinder- und Familienernährung zählen die vegetarische sowie die vegane Ernährung zu ihren Fachgebieten.

Teilen