Mit einem Bein mitten im Leben

Für die meisten Menschen ist es selbstverständlich, ihr Leben auf zwei Beinen zu bewältigen. Dies kann sich jedoch zum Beispiel nach einem Unfall schlagartig ändern, und die Bewältigung des Alltags muss neu erlernt werden. Sanitas Kundinnen und Kunden können den Hilfsmittel- und Prothesenfonds von PluSport unterstützen – indem sie selbst körperlich aktiv sind.

Autor: Simone Liedtke; Fotos: Sebastian Doerk

Den Drang nach einem aktiven und erfüllten Leben tragen wir alle in uns. Um Menschen mit einer körperlichen Einschränkung in ihrer Entwicklung und ihren sportlichen Ambitionen zu unterstützen, gibt es den Hilfsmittel- und Prothesenfonds von PluSport. Dieser macht es mit der Mitfinanzierung von Sportprothesen überhaupt erst möglich, Sport zu treiben. Wir haben drei Menschen nach ihrer Geschichte und danach, wie sie vom Hilfsmittel- und Prothesenfonds von PluSport profitieren, gefragt.

Christoph

Christoph ist 31 Jahre alt und ein neugieriger Mensch. Er liebt die Natur, Tiere und die Arbeit im Freien. Beruflich mochte er sich anfangs nicht so recht festlegen, die Welt bot ja unzählige Möglichkeiten. Erst lernte er Forstwart, war danach einige Zeit auf der Suche und absolvierte später eine Dachdeckerlehre, um schliesslich wieder in seinen ursprünglichen Beruf zurückzukehren. Bewegung und Sport sind ihm seit jeher ein Grundbedürfnis. Von Skifahren und Snowboarden über Kunstturnen und Leichtathletik bis hin zu Golfen, Bogenschiessen und Klettern hat er sämtliche Sportarten im Repertoire.

Am 12. Mai 2020 passierte das Undenkbare: Bei einem Unfall während seiner Arbeit als Forstwart verlor er ein Bein. Die Welt fühlte sich für Christoph plötzlich klein an und ihre Möglichkeiten begrenzt. «Um dieses Trauma verarbeiten zu können und mich wieder neu zu orientieren, machte ich eine interpersonelle Therapie», erzählt Christoph. «In der Rehaklinik in Bellikon bin ich dann darauf gekommen, den Fachmann für Bewegungs- und Gesundheitsförderung zu machen und anderen Patientinnen und Patienten in der Reha zu helfen, da ich mich gut einfühlen kann.» In der Reha habe er viel Rollstuhlsport mit anderen gemacht, Basketball und Unihockey. «Das hat mir mega Spass gemacht und viel Lebensfreude gegeben», erinnert er sich. «Je mehr Sport ich machen kann, desto besser geht es mir auch im Alltag.»

Seit er das Gelenk und die Sportprothese hat, klettert Christoph wieder, er fährt täglich mit dem Velo, geht zum Bowling und Minigolf, spielt Golf und Tischtennis, übt sich im Bogenschiessen und treibt Leichtathletik. Christoph freut sich über seine Fortschritte. «Ich möchte ein möglichst normales Leben führen, was mir meist auch gelingt.» Auch sportlich hat er grosse Pläne: «Ich möchte wieder an mein körperliches Limit gehen und Bestleistungen zeigen», meint er und denkt dabei an Olympia 2028.

Ann-Christin

Die 31-jährige Ann-Christin ist gelernte Biolaborantin. Sie liebte ihren Beruf, und sie liebte das Motorradfahren. Im Jahr 2018 verlor Ann-Christin bei einer Frontalkollision mit dem Motorrad ihr rechtes Bein. Dank der Hilfe ihres Mitfahrers blieb sie am Leben. Mit der Ausübung ihres Berufes war es allerdings vorbei, sie hätte sich zu viel bewegen müssen. Derzeit studiert Ann-Christin Medizinaltechnik, was für sie der logische nächste Schritt war: «Ich kann bei der Prothesenentwicklung an meinen eigenen Problemen arbeiten. Als Nutzerin kenne ich die Schwachstellen und Problematiken genau.»

Das Motorradfahren wollte sie jedoch nicht aufgeben. «Als Erstes habe ich in der Reha den neusten Töff für mich ausgesucht, ich wollte weitermachen wie bisher. Erst nach der Reha wurde mir bewusst, was der Unfall für meinen Alltag und den Rest meines Lebens bedeutete. Und damit ist das Trauma so richtig zum Tragen gekommen», erzählt sie. Nach der Reha machte sich eine posttraumatische Belastungsstörung bei ihr bemerkbar. Sie bekam Panikattacken beim Anblick eines Motorrads oder wenn sie dessen Motorengeräusche hörte. Dank einer Traumatherapie habe sie das Problem wieder in den Griff bekommen. Jetzt gehe es ihr gut.

Sie hat sich unterdessen dafür entschieden, nie mehr Motorrad zu fahren. Um das Gefühl der Freiheit, wie sie es vom Motorradfahren kennt, wieder zu spüren, wünscht sich Ann-Christin eine Sportprothese. «Dieses Gefühl, einfach loszurennen, die Kraft, die sich dabei entlädt, das ist, als wäre ich ein Gepard, das ist der Wahnsinn», begeistert sich Ann-Christin, die diese Freiheit und Kraft beim Sprint mit den Karbonbügeln erlebt hat. Ann-Christins Geschichte hat bereits heute ein grosses Happy End: Während der Reha hat sie ihren Verlobten kennengelernt. Mit ihm möchte sie gerne die nördliche Hemisphäre bereisen und die Nordlichter sehen.

Sophie

Sophie ist 11 Jahre alt und besucht die 5. Klasse. Auf die Frage, ob sie zu den sportlichen Mädchen in ihrer Klasse gehöre, antwortet sie schnell mit einem klaren «Ja». Wie sich herausstellt, ist Sophie eine Sportskanone. Seit sie vier Jahre alt ist, spielt sie Tennis. Sie fährt Ski, schwimmt, fährt Velo und liebt Leichtathletik. Sophie hat Freundinnen und eine enge Beziehung zu ihrer Zwillingsschwester, sie lebt ein normales, glückliches und aktives Leben.

Mit dem einzigen Unterschied, dass sie mit einer Dysmelie am rechten Bein auf die Welt gekommen ist. Das heisst, sie hat rechts keinen Unterschenkel. Das hindert sie jedoch nicht daran, das zu tun, was sie gerne möchte. Denn Sophie hat sportliche Ambitionen. Sie nimmt an Wettkämpfen teil und heimst regelmässig Standing Ovations ein, auch wenn sie beim 1000-Meter-Lauf als Letzte ins Ziel kommt. Diesen Sommer steht die Teilnahme an den deutschen Nachwuchs-Parameisterschaften auf dem Programm.

Dank der Spende von Elena Kratters Karbonfeder, mit der die Schweizer Athletin bei den Paralympics in Tokio im Weitsprung Bronze holte, hat Sophie ihre Sprungweite entscheidend verbessern können, die Leistung im 60-Meter-Sprint sogar um eine Sekunde. «Sport bedeutet mir sehr viel und ich fühle mich gut, wenn ich mich bewege», erklärt Sophie. «Rennen geht schon mit der Alltagsprothese, aber mit der Sportprothese bin ich viel schneller und es fällt mir leichter.»

Die neue Sportprothese, die von PluSport mitfinanziert wird, soll es der angehenden Athletin ermöglichen, ihr ganzes Potenzial auszuschöpfen. Unterdessen ist Sophie im Förderkader von PluSport, das einmal im Monat ein Training in der Schweiz veranstaltet. Sophie hat Zukunftspläne über den Sport hinaus: «Ich möchte eine gesunde Familie und einen guten Job.» Sie will Tierärztin werden. Wie viele Kinder es mal sein sollen, weiss sie allerdings noch nicht.

Eine Spende an PluSport hat einen langfristigen Wert

Es gibt viele solcher Geschichten, die PluSport als Dachverband für den Behindertensport mit gezieltem Einsatz von finanziellen Mitteln möglich macht. Die Spende der Sanitas Kundinnen und Kunden leistet dazu einen wichtigen Beitrag. Sie fliesst vollumfänglich in den Fonds für Prothesen und Hilfsmittel. Von da wird das Geld an Menschen verteilt, für die körperliche Bewegung nicht selbstverständlich ist.

Die Spendensumme kumulieren Nutzerinnen und Nutzer der Sanitas Funktion Active. Für zurückgelegte Schritte, einen Besuch im Fitnessstudio oder erreichte sportliche Tagesziele erhalten sie virtuelle Münzen. Diese Münzen können entweder in Form von Gutscheinen bestimmter Online-Shops oder eben einer Spende an PluSport eingelöst werden. Im letzten Jahr kamen so mit körperlicher Aktivität 16'180 Franken für den Behindertensport zusammen.

Wofür setzt sich PluSport ein?

PluSport Behindertensport Schweiz setzt sich für den Sport und die Bewegung für Menschen mit Behinderung ein und verwendet seine Mittel ausschliesslich zu diesem Zweck. Zusätzlich veranstaltet PluSport verschiedene Sportanlässe, z.B. den nationalen Behindertensporttag PluSport-Tag, Fussballturniere, Schnuppertage in modernen Sportarten wie Klettern, Karate, Kajak oder Segeln, Skitage und andere Events. Zudem fördert PluSport den Nachwuchs und sorgt mit dem Bereich Spitzensport dafür, dass ambitionierte Athletinnen und Athleten mit Swiss Paralympic an nationalen und internationalen Wettkämpfen teilnehmen können.

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