Trainieren nach Zyklus: Geht das?

Wie können Frauen ihren Zyklus am besten fürs Training nutzen? Welche Ernährung ist in welcher Zyklusphase am besten? Dr. med. Nora Wieloch, Leiterin der Sektion Frau und Sport am Universitären Zentrum für Prävention und Sportmedizin, Universitätsklinik Balgrist, im Interview über das optimale Training anhand des weiblichen Zyklus.

Text: Katharina Rilling; Foto: iStock

Der Zyklus spielt eine wichtige Rolle im Befinden der Frau. Macht es Sinn, das Training an ihm auszurichten?

Ja, Frauen können anhand ihres Zyklus trainieren und dadurch vor allem ihr Wohlbefinden während der verschiedenen Phasen steigern. Es gibt wissenschaftliche Hinweise darauf, dass Frau sich den schwankenden Hormonspiegel auch zunutze machen kann, um die sportliche Leistung zu verbessern. Wunder darf man sicherlich keine erwarten: In der Leistungsfähigkeit geht es eher um das Tüpfelchen auf dem I. Will man sich sportlich verbessern, sollte man zuerst alle anderen bekannten Faktoren optimieren. Übrigens: Wenn Frauen hormonelle Verhütungsmittel wie die Pille verwenden, macht das Training nach Zyklus keinen Sinn, da der Hormonspiegel dann recht stabil bleibt.

Welchen Einfluss können Hormone auf das Sportprogramm haben?

Im weiblichen Zyklus spielen vor allem Östrogen und Progesteron eine wichtige Rolle. Diese Hormone werden in den Eierstöcken produziert. Verkürzt kann man sagen, dass der Östrogenspiegel in der ersten Zyklushälfte erhöht ist. Das Hormon baut Muskelmasse eher auf und begünstigt die Speicherung von Fett im Muskel. Es fördert die Verfügbarkeit freier Fettsäuren bei sportlicher Aktivität. Östrogen hilft beim Knochenaufbau und wirkt Knochenabbau entgegen. Es hält zudem Bänder und Sehnen geschmeidig. Progesteron dominiert in der zweiten Zyklushälfte und sorgt dafür, dass die Körpertemperatur etwas ansteigt. Es begünstigt den Eiweiss-, vielleicht sogar den Muskelabbau. Allerdings reicht bisher die Studienqualität noch nicht aus, um allgemeingültige Fakten zum Sportprogramm anhand des Menstruationszyklus abgeben zu können. Interessierte Frauen können sich an bestehenden Empfehlungen für den Leistungssport orientieren, wie sie etwa Swiss Olympic abgibt.

Werden wir konkret: Wie sollte Frau während ihrer Periode trainieren?

Das ist individuell. Wichtig ist es, die verschiedenen Zyklusphasen zu kennen. Der erste Zyklustag beginnt mit der Menstruation (Phase 1). Viele Frauen fühlen sich gerade zu Beginn unkonzentriert, unwohl und schwer. Bei einigen steigt aber auch die Lust an der Bewegung wieder, sobald die Menstruation eingesetzt hat.

Hilft Sport gegen Menstruationsbeschwerden?

Es gibt Hinweise darauf, dass regelmässiges Training, etwa dreimal pro Woche während 45 bis 60 Minuten, Menstruationsschmerzen lindern kann.

Sollten Frauen während der Menstruation wegen des Blutverlustes mehr eisenhaltige Nahrung zu sich nehmen?

Ja. Der Bedarf an Eisen ist nun höher, daher sollten eisenhaltige Nahrungsmittel verzehrt werden. Am besten nehmen Frauen das Eisen vor dem Training zu sich, da die Aufnahmefähigkeit gleich nach der sportlichen Anstrengung geringer ist. Eisenwerte sollte man regelmässig von der Ärztin oder dem Arzt kontrollieren lassen. Und: Es ist wichtig auf einen ausgeglichenen Flüssigkeitshaushalt zu achten.

Die Menstruation ist vorbei. Was nun?

Die nun folgende Zeit bis zum Eisprung nennt man Follikelphase (Phase 2). Den meisten Frauen geht es jetzt sehr gut, Energielevel und Konzentration steigen weiter an. Es gibt Hinweise in der Fachliteratur, dass Krafttraining auf Grund des hohen Östrogenspiegels jetzt effizienter sein kann. Tendenziell werden in dieser Phase etwas höhere Trainingsbelastungen verkraftet. Vorsicht aber bei einer zu starken Erhöhung der Belastung. Aufwärm- und Abkühlphasen sowie angemessene Erholungsphasen sind genauso wichtig wie das Training selbst. Bei manchen Frauen nimmt der Appetit ab und es kann zu einem Energiedefizit kommen. Die Nahrungsaufnahme muss deshalb dem Sportpensum angepasst werden, damit die Energiebilanz ausgeglichen ist und kein Energiedefizit auftritt.

Phase 3 heisst Lutealphase. Welches Training empfiehlt sich jetzt, ehe es wieder auf die Periode zugeht?

Nach dem Eisprung – der Ovulation - kommt die Lutealphase, auch Gelbkörperphase genannt. Das ist die Konsolidierungsphase, in der man Erreichtes am besten festigt. Körpertemperatur, Ruheherzfrequenz und Atemfrequenz steigen an. Hitze wird vom Körper jetzt nicht mehr ganz so gut vertragen. Deshalb ist vor allem bei längeren Ausdauereinheiten ausreichende Abkühlung sehr wichtig. Aufgrund des steigenden Progesteronspiegels werden Muskeln etwas schneller abgebaut, die Leistung kann leicht sinken. Daher sollte jetzt etwas mehr Eiweiss auf dem Speiseplan stehen, da das Hormon Progesteron Protein schneller abbaut. Durch die absinkenden Hormonwerte gegen Ende der Lutealphase kommt es nicht selten zu Stimmungsschwankungen und Schwankungen des Energielevels.

Die letzte Phase des Zyklus, die prämenstruelle Phase, ist bei vielen Frauen wegen Beschwerden aufgrund des prämenstruellen Syndroms (PMS) verhasst. Wie lässt sich dem entgegenwirken?

Durch viel Schlaf. Die Lust am Training und die Energie können in der prämenstruellen Phase abnehmen. Wer sich jetzt unter Druck setzt, wird die PMS-Symptome möglicherweise verschlimmern. Der Fokus sollte in dieser Phase klar auf Erholung liegen. Ganz sollte man aber nicht auf Sport verzichten: Wer an PMS leidet, kann von leichtem Training wie Yoga profitieren. Gut zu wissen: Sport hat eine entzündungshemmende Wirkung und setzt Endorphine frei – und kann sogar die Stimmung heben. 

Kurz vor dem ersten Tag der Periode plagt viele der Heisshunger. Wie behält man seine Ernährung im Griff?

Um den Blutzuckerspiegel stabil zu halten, und somit Heisshungerattacken entgegenzuwirken, sind gesunde Nahrungsmittel, die lange sättigend wirken, sinnvoll. Vollkornprodukte, Avocado oder Hühnchen zum Beispiel. Auch Lebensmittel mit reichlich Antioxidantien wie Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte sowie entzündungshemmende wie Lachs und Walnüsse können gegen PMS-Symptome helfen. Dunkle Schokolade, natürlich in Massen genossen, enthält viele gesunde Polyphenole und hat durch den hohen Stearinsäuregehalt eine positive Wirkung auf den Fettstoffwechsel. Wer unter Schlafproblemen leidet, kann es abends mit melatoninreicher Milch versuchen. Weitere schlaffördernde Lebensmittel sind zum Beispiel Sauerkirschen oder tryptophanreiche Esswaren wie Eier, Fisch, Kürbiskerne oder Erdnüsse.

Trainieren nach dem weiblichen Zyklus: Ihr wichtigster Tipp?

In der Sportmedizin plädieren wir immer für individualisierte Trainingspläne. Jede Frau nimmt den Zyklus anders wahr. Ganz wichtig ist daher, dass jede lernt, auf ihren Körper zu hören. Am besten dokumentiert man, wann man sich abgeschlagen oder motiviert, gereizt oder freudig, hungrig oder appetitlos fühlt. Hierfür gibt es zum Beispiel viele geeignete Apps. Aus diesen Daten lässt sich dann viel über den individuellen Zyklus ableiten. Ganz wichtig ist, dass man bei starken Menstruationsbeschwerden auf seinen Körper Rücksicht nimmt und sich selber nicht unter Druck setzt. Hier sind aber weitere Studien notwendig, um verbindliche Empfehlungen abgeben zu können. Eine regelmässige Menstruation gibt verlässlich Auskunft darüber, dass es dem Körper grundsätzlich gut geht. Die Zyklusphasen gilt es also am besten zu akzeptieren und vielleicht allenfalls sogar zu nutzen, aufgrund der eigenen Erfahrungen. Wenn die Periode öfter mal ausfällt, sollte man das hingegen abklären lassen.

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