Ein Berner forscht an der Verjüngungskur

Den Jungbrunnen gibt es leider nicht. Aber an der Stanford-Universität in Kalifornien sucht der Schweizer Altersforscher Tony Wyss-Coray trotzdem nach Mitteln, um den Alterungsprozess zu verlangsamen.

Text: Barbara Lukesch; Fotos: Boris Zharkov

Herr Wyss-Coray, wie stellen Sie sich das perfekte Alter vor?

Das Wichtigste für mich ist, dass ich im Alter noch über volle geistige Gesundheit verfüge und klar denken kann.

Haben diese Wünsche Sie dazu bewogen, Altersforscher zu werden?

Das hat sich mehr zufällig ergeben. Als Immunologe beschäftigte ich mich einige Zeit mit der Alzheimererkrankung. Das wurde mit der Zeit etwas frustrierend, weil ich nur die Gehirne bereits verstorbener Patienten untersuchen konnte, die uns diese für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt hatten.

Sie wollten sich lieber mit noch lebenden Patienten befassen?

Ja, ich wollte die Entwicklung der Krankheit am liebsten schon vor ihrem Ausbruch studieren. Die einzige Möglichkeit dafür war, das Blut dieser Menschen mit jenem gesunder Kontrollpersonen zu vergleichen – ausgehend von der Hypothese, dass wir im Blut molekulare Spuren der Krankheit entdecken würden.

«Das Blut eines 60-Jährigen unterscheidet sich stark vom Blut eines 90-Jährigen. »
Tony Wyss-Coray

Wir stellten dann tatsächlich fest, dass das Blut von Alzheimerpatienten Unterschiede zum Blut von Gesunden aufweist. Und – ganz wichtig – dass die grössten Unterschiede mit dem Alter korrelieren: Das Blut eines 60-Jährigen unterscheidet sich erheblich vom Blut eines 90-Jährigen. Das Alter spielt bei der Entwicklung von Alzheimer also eine entscheidende Rolle. Nach dieser Erkenntnis stand ich mitten in der Altersforschung. Die Altersforschung existiert erst seit rund 30 Jahren, und die Uneinigkeit unter den Experten scheint gross zu sein.

Worüber ist man sich denn einig?

(lacht) … Hinsichtlich all der Veränderungen, Einschränkungen und Verluste, die das Alter mit sich bringt. Die lassen sich beschreiben, regelrecht messen. Uneinig ist man sich bezüglich der Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten. Da sind wir erst auf der Stufe von Hypothesen, es fehlt noch an handfesten Beweisen.

Welches sind gemäss Ihrer Einschätzung die Ursachen für die Alterung des menschlichen Organismus?

Das weiss man noch nicht. Aber das finde ich gar nicht so schlimm, denn man kann trotzdem den Alterungspro-zess verlangsamen. Auf vergleichbare Art gehen wir ja auch bei Krankheiten wie Arthritis, Diabetes oder Krebs vor.

Sie forschen mehrheitlich mit Mäusen. In einem der erfolgversprechendsten Experimente wurden die Stammzellen in den Muskeln alter Mäuse durch Blutspenden junger Mäuse wieder aktiver. Was heisst das konkret?

Die behandelten alten Mäuse wurden stärker. Mit dem Alter geraten die Muskeln – das ist bei Mäusen und Menschen sehr ähnlich – in eine Art Schlaf, sie lassen sich nicht mehr so gut aktivieren. Das ist beim jungen Menschen und beim jungen Tier anders: Stimuliert man deren Muskeln, bildet sich neues Muskelgewebe. Stichwort Bodybuilding. Tom Rando, der verantwortliche Forscher, konnte zeigen, dass das junge Blut Bestandteile enthält, die alte Stammzellen wieder aktivieren und damit verjüngen können.

Teilen