Ein anziehbarer Muskel

Hoffnung für gehbehinderte Menschen: Im Labor für Sensomotorische Systeme der ETH Zürich haben Forscher eine Hightech-Hose entwickelt, mit der gelähmte Menschen wieder gehen können.

Text: Clau Isenring

Lorenz Schwärzler, 51, verletzte bei einem Unfall das Rückenmark im Halswirbelbereich schwer. Seither ist er inkomplett gelähmt und konnte lange nur noch unter starken Schmerzen gehen. Ein an der ETH Zürich entwickeltes Exoskelett gibt ihm nun ein Stück Lebensqualität zurück: Dank dem MyoSuit kann er seine Beine wieder schmerzlos bewegen. Während Prothesen fehlende Gliedmassen ersetzen und verloren gegangene Körperfunktionen wieder bis zu einem gewissen Grad ermöglichen, unterstützen Exoskelette eine Restfunktion. «Der MyoSuit ist ein Soft-Exoskelett, also eine Art in die Kleidung integrierter künstlicher Muskel», erzählt Professor Robert Riener, der das Labor für Sensomotorische Systeme an der ETH Zürich leitet. Dieses textile Exoskelett kann Menschen mit Lähmungen und verschiedenen Muskelerkrankungen helfen, wieder selbstständig zu gehen. Auch älteren Menschen mit geschwächter Muskulatur bringt es neue Bewegungsfreiheit.

Eine Hose voller Technik

Bereits Ende 2019 soll «der Muskel zum Anziehen» in verschiedenen Grössen vom ETH-Spin-off MyoSwiss kommerziell erhältlich sein. «Der Preis der Hose ist noch nicht definiert, aber es ist bereits klar, dass sie nicht allzu teuer werden wird», versichert Riener.

«Der Preis der Hose ist noch nicht definiert, aber es ist bereits klar, dass sie nicht allzu teuer werden wird.»
Professor Robert Riener

Aussehen wird sie wie eine Mischung aus Cargohose mit seitlich aufgesetzten Taschen und Gurtzeug zum Klettern. Ihr Innenleben besteht aus feinen Seilzügen, empfindlichen Sensoren und viel Computertechnologie. Energieversorgung und Geräuschemission sind Herausforderungen – vor allem aber muss das Hightech-Gerät sofort verstehen, was ihr Träger will. Möchte er von einem Stuhl aufstehen oder sich setzen, eine Treppe hochsteigen oder stehen bleiben? Trotz eingebauter Hightech ist die Hose weich und bequem zu tragen, denn fixe Strukturen hat es nur im Kniebereich.

«Wir testen unser textiles Exoskelett aktuell in verschiedenen Kliniken.»
Professor Robert Riener

Kraft aus Elektromotoren

Der «Pilot» steuert seine Hose über Bedienknöpfe. Über Sensoren erkennt sie, ob man sitzt oder steht, und unterstützt dann die entsprechende Bewegung wie «aufstehen» oder «losgehen». Je nach Position der Beine geben die eingebauten Elektromotoren Kraft dazu, um die geforderte Bewegung zu erleichtern. «Wir testen unser textiles Exoskelett aktuell in verschiedenen Kliniken», erzählt Riener. Anfänglich wird die Hightech-Hose als Therapiegerät eingesetzt, in einem zweiten Schritt soll sie gehbehinderten Personen auch im Alltag bei körperlichen Aktivitäten wie Aufstehen, Stehen, Gehen und Treppensteigen unterstützen.

Professor Robert Riener

Leiter des Labors für Sensomotorische Systeme an der ETH Zürich

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