Mensch und Maschine vereint

Wenn Körper und Technik verschmelzen, um Menschen mit Bewegungseinschränkung den Alltag zu erleichtern, dann sind Forscher im Labor für Sensomotorische Systeme der ETH Zürich am Werk. Ihre Vision: Prothesen das Fühlen beibringen.

Text: Clau Isenring, Fotos: Filipa Peixeiro

«Exoskelette oder Prothesen, die übermenschliche Fähigkeiten verleihen, gibt es nur im Film», stellt ETH-Professor Robert Riener gleich zu Anfang klar. Der Superheld, der tagelang schwer beladen durch die Wüste stürmt, wird laut Robotikexperte Riener noch eine ganze Weile Fantasy-Stoff bleiben. Nicht zuletzt, weil nach einer halben Stunde die Batterien leer sind.

Passive Beine, aktive Arme

Beispiel Beinprothesen: Sie schwingen beim Laufen durch die Körperbewegung des Trägers einfach nur passiv mit. «Sogar die futuristischen Prothesen im Spitzensport sind nur sehr einfache und robuste Technik in Form von superleichten, elastischen Federn», betont Robert Riener. Beim Aufwärtsgehen und Treppensteigen ist das passive Prinzip aber ein Handicap, denn hier müsste das künstliche Knie Kraft erzeugen können. «Es gibt zwar bereits aktive Knieprothesen», erklärt Riener, «doch die kosten bis zu 80 000 Franken und die Technik ist noch zu wenig ausgereift.» Sie müssen noch zuverlässiger und einfacher bedienbar werden, um im Alltag Stürze und Verletzungen möglichst auszuschliessen.

«Es wird noch lange dauern, bis jemand mit einer Handprothese auf dem Klavier Bach spielt. Aber wir arbeiten daran.»
Robert Riener

Bei Armprothesen ist dagegen bereits heute wesentlich mehr Hightech im Spiel. Einerseits weil der Mensch mit Armen und Händen komplexe Bewegungen durchführt, die einen eigenen Antrieb benötigen. Andererseits aber auch weil das Risiko einer Verletzung kleiner ist. «Lässt die künstliche Hand ein Wasserglas fallen, ist das nicht so gefährlich wie ein Sturz mit einer unzuverlässigen Knieprothese», begründet Riener diesen Vorsprung. So gibt es heute bereits Armprothesen mit vielen Motoren, die Handgelenk und Finger einzeln antreiben. Über Muskelelektroden wird die Anspannung von Muskeln im Armstumpf gemessen und in Bewegung der Prothese übersetzt.

Wissen, was die Prothese tut

Befehle vom Hirn zur Prothese kommen also bereits an. Schwieriger ist die Rückmeldung von Bewegungsempfindungen von der Prothese ans Hirn. Oder anders gesagt: Wer seine Prothese nicht sieht, hat keine Ahnung, ob seine künstliche Hand gerade eine Faust macht oder offen ist. Eine Herausforderung für Riener und sein Team: «Wir experimentieren im Labor mit Prothesen und Exoskeletten, die das Signal der Bewegung auf die Haut oder sogar in den Körper hinein zurückspeisen. Bewegungen werden so spürbar.»

Künstliche Gefühle

Apropos spüren: Ein weiteres Forschungsfeld sind Hightech-Fingerprothesen, die sogar Empfindungen wie weich, rau oder fein an die Nerven weitergeben können. Dabei gilt es, elektrische Impulse von der künstlichen Fingerspitze so zu übersetzen, dass sie die Nerven richtig stimulieren, sonst wird bereits das Anzünden eines Streichholzes zur Herkulesaufgabe, weil sich die Kraft der Finger nicht mehr zuverlässig dosieren lässt. Robert Riener lässt sich davon nicht beirren: «Es wird noch lange dauern, bis jemand mit einer Handprothese auf dem Klavier Bach spielt. Aber wir arbeiten daran.»

Robert Riener

ETH-Professor und Robotikexperte

ETH-Professor Robert Riener 

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