Dossier: Unser Baby

Beckenbodentraining für den Alltag

Schwangerschaft und Geburt beanspruchen den Beckenboden stark. Einfache Übungen helfen, mehr Bewusstsein für diesen Körperbereich zu entwickeln – und Spätfolgen wie Inkontinenz zu vermeiden. Vier kurze Übungen für frischgebackene Mütter.

Text: Julie Freudiger, Foto: Unsplash

Normalerweise ist der Beckenboden ein selbstständig arbeitender Muskel, der wenig beachtet wird. Doch spätestens in der Schwangerschaft machen Frauen Bekanntschaft mit den Muskeln, Bändern und Bindegeweben, die den Bauchraum nach unten abschliessen und den Beckenorganen einen Boden geben. Denn Gebärmutter, Fruchtwasser und Kind üben zusätzlichen Druck auf den Beckenboden aus. Zudem wird er bei einer vaginalen Geburt stark gedehnt, besonders wenn Glocke oder Zange zum Einsatz kommen oder das Baby sehr gross ist.  

Schwacher Beckenboden: Nie mehr niesen oder hüpfen?

Ein gesunder und kräftiger Beckenboden hält die Bauch- und Beckenorgane an Ort und Stelle, auch bei erhöhtem Druck im Bauchraum. Ausserdem hält er mit der Schliessmuskulatur den Darm und die Blase verschlossen, entspannt wird nur bei der Entleerung. Ist der Beckenboden zu schwach oder beschädigt, kann es zu einer Senkung der Organe oder zu Inkontinenz kommen. So erleben etwa viele Mütter, dass sie nach einer Geburt beim Lachen, Niesen oder Hüpfen Urin verlieren.

Es haben zwar längst nicht alle Frauen solche Beschwerden und es gibt auch andere Gründe für Funktionsstörungen des Beckenbodens. Trotzdem ist es sinnvoll, sich vor und nach der Geburt mit dieser verborgenen Muskulatur zu beschäftigen und sie bewusst einzusetzen sowie vorbeugend zu trainieren. Denn sie hat nicht zuletzt einen wesentlichen Anteil an der Sexualität.

Beckenbodenübungen nach der Geburt

Wer nun befürchtet, dass es mit anstrengenden Übungen gleich ans Eingemachte gehe, kann beruhigt sein. Béatrice Lütolf, Physiotherapeutin und Beckenbodenspezialistin, betont: «Direkt nach der Geburt geht es erst einmal darum, diese Muskulatur wahrzunehmen.» Die Frauen sollen spüren, wie sie diese Muskeln wieder ansteuern können. Etwa indem sie versuchen, Windabgang zu verklemmen, erläutert Béatrice Lütolf.

Sobald eine Frau das Bedürfnis nach Bewegung verspürt, kann sie dosiert ihre gewohnten sportlichen Aktivitäten wieder aufnehmen. Wann dieser Zeitpunkt gekommen ist und welche Aktivitäten sinnvoll sind, ist sehr individuell. Es gilt, auf den eigenen Körper zu hören und dessen Grenzen zu akzeptieren. Das Beckenbodentraining wird am besten in den Alltag integriert: Wenn man etwas heben muss, zum Beispiel ein Kind, sollte man bewusst den Beckenboden und die Rumpfmuskulatur aktivieren, damit das Beckenbodengewebe nicht unnötig stark belastet wird. Aus dem gleichen Grund ist seitliches Aufsitzen aus einer liegenden Position empfehlenswert. Zusätzlich lassen sich kurze Beckenbodenanspannungen über den Tag verteilen. Béatrice Lütolfs Tipp: «Machen Sie sich eine Notiz und kleben Sie diese an einen Ort, der sich für Übungen eignet. Jedes Mal, wenn Sie daran vorbeigehen, werden Sie an die Übung erinnert und können sie zwei-, dreimal ausführen.»