Dossier: Unser Baby

Bitte schlaf, Kindlein, schlaf: 5 Strategien für mehr Nachtruhe

Vom Schreienlassen bis zum Familienbett – geht es um Babys Nachtschlaf, scheint jeder Experte zu sein. Doch welche Methoden versprechen Erfolg und was darf man vom Säugling überhaupt erwarten?

Text: Katharina Rilling; Foto: Sanitas

Man unterschätzt sie: die langen Nächte, in denen man das Baby im Fliegergriff durchs Zimmer schaukelt, weil es Bauchschmerzen hat. Oder die kurzen, die in halbe Stunden zerbröseln, weil das Kind im 30-Minuten-Takt hochschreckt – bis der Wecker schliesslich den nächsten vollgepackten Arbeitstag einläutet. Mit zwei schlechten Schläfern gesegnet weiss ich, wovon ich schreibe.

Natürlich wurde ich vorgewarnt. Ich solle doch «vorschlafen», so gut es gehe, nochmals richtig Kraft tanken. Doch wie erschöpfend das Leben als junge Mutter tatsächlich manchmal sein kann – weil sich die eine schlechte Schlafphase (Schwangerschaftsbeschwerden) an die nächste (Koliken) und übernächste (Stillprobleme) und überübernächste (Zahnen) und so weiter (Wachstumsschübe) reiht –, das hätte ich mir dann doch nicht ausmalen können.  

Stand heute? Der Sohn (3) wandert mit beängstigender Zuverlässigkeit Punkt vier Uhr nachts ins Elternbett. Die Tochter (2) hat es eigentlich nie ganz in ihr eigenes geschafft. Diesen Text schreibe ich also übermüdet, nach einer Nacht mit Füssen im Gesicht, mit Suchen nach verschollenen Nuggis in der Bettritze und dem engelsgleichen Flehen nach: «Essen!!!»

Es könnte wohl noch eine Weile so weitergehen: Einer Langzeitstudie zufolge, die im Auftrag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung entstanden ist, normalisiert sich der Nachtschlaf von Eltern nach der Geburt ihres ersten Kindes nämlich erst nach bis zu sechs Jahren vollständig wieder. Doch es gibt Hoffnung: Man kann seinen Schlaf in dieser Zeit immerhin Stück für Stück verbessern, wie ich jetzt von Rabia Liamlahi, Oberärztin der Entwicklungspädiatrie am Universitäts-Kinderspital Zürich, erfahren habe.  

Fünf Tipps für ruhigere Nächte mit Baby und Kleinkind

1. Sich nicht verrückt machen lassen

Welche jungen Eltern kennen sie nicht, die gut gemeinten Ratschläge rund um Babys Schlaf? Oder die Geschichten von Säuglingen, die schon mit drei Monaten selig durchschlafen? Schnell entsteht der Eindruck, man sei selbst schuld an den schlechten Nächten. Oberärztin Rabia Liamlahi rät zu mehr Gelassenheit. Eltern sollten sich vom Umfeld nicht verunsichern lassen und sich stattdessen bewusst machen: «Der Schlaf des Babys ist ein grosses Thema. Jede Familie muss für sich selbst herausfinden, was für sie und ihr Kind gut ist. Nicht nur jedes Kind ist einzigartig, sondern auch jede Mutter und jeder Vater, jede Familie.»

Fakt ist, dass man vom gesunden und wohlgenährten Nachwuchs erst ab einem Alter von rund sechs Monaten erwarten darf, dass er nachts sechs Stunden am Stück ohne Nahrung auskommt. Wird das Baby also um 19 Uhr ins Bett gelegt, kann man – auch bei einem durchschlafenden Baby – davon ausgehen, dass es um spätestens 1 Uhr wieder erwachen wird. Zahlen sind aber grundsätzlich mit Vorsicht zu geniessen. So relativiert Liamlahi: «Das Schlafverhalten ist wie alle anderen Entwicklungsbereiche auch sehr individuell und variabel. Etliche Babys schaffen es auch im Alter von sechs Monaten oder älter noch nicht, sechs Stunden durchzuschlafen.» Dauert es also länger, ist dies völlig normal.

Meine Kinderärztin sagte damals übrigens etwas zu mir, was mich entlastete: Es gehe zunächst ums nackte Überleben der Eltern, man dürfe in dieser Zeit nichts weiter erwarten. Daher müsse man Strategien entwickeln, um zurechtzukommen, das Schlafverhalten des Nachwuchses liesse sich nun mal nicht so einfach steuern: zeitweise auf getrennte Betten ausweichen, eine externe Nachtbetreuung vor wichtigen Arbeitstagen engagieren oder zum Beispiel die Nächte untereinander aufteilen.

2. Den Tag-Nacht-Rhythmus fördern

Trotzdem gibt es Massnahmen, um Babys zu helfen, den wichtigen Tag-Nacht-Rhythmus zu entwickeln und die Übergänge zwischen Wachsein und Schlafen leichter zu meistern. Liamlahi rät: «Ein regelmässiger Tagesrhythmus und Zeitgeber wie das Tageslicht und Alltagsgeräusche helfen, die noch unreife innere Uhr mit dem Tag-Nacht-Rhythmus in Einklang zu bringen.» In einem ersten Schritt empfiehlt die Ärztin den Eltern daher regelmässige und feste Essenszeiten und Tagesschläfchen, Spielzeiten und Spaziergänge einzuführen.

3. Die Rituale am Abend durchziehen

Regelmässig wiederkehrende Rituale am Abend wie die Gutenachtgeschichte, das Kuscheln auf dem Sessel oder ein Schlaflied bereiten das Kind auf die Nacht vor. «Einschlafhilfen wie Nuggi, Kuscheltuch oder Stofftier können den Abschied von den Eltern ebenfalls erleichtern. Jedoch sollte man Tücher und Stofftiere erst etwas älteren Kindern mit ins Bett geben, da bei Säuglingen sonst Erstickungsgefahr besteht», warnt die Oberärztin der Entwicklungspädiatrie.  

4. Nähe schenken, zur Selbstständigkeit ermutigen

«In den ersten Lebensmonaten ist das Schreienlassen meiner Meinung nach nicht sinnvoll», so die Kinderärztin zu einer Methode, die immer wieder diskutiert wird. Vielmehr sind Nähe und Sicherheit für das Kind in den ersten Lebensmonaten sehr wichtig. Die Rituale und das Kuscheln am Abend vermitteln Geborgenheit und stillen das Bedürfnis nach Nähe. Das Schlafen im Familienbett, das sogenannte Co-Sleeping, ist zudem eine Möglichkeit, dem Nähebedürfnis des Babys (und der Eltern) gerecht zu werden. «Allerdings sollten beim Schlafen im Familienbett in den ersten Monaten besondere Vorsichtsmassnahmen getroffen werden, um das Risiko des plötzlichen Kindstodes zu verringern», empfiehlt Liamlahi. Ein mit dem Elternbett verbundenes Beistellbett ist für den Anfang ideal. Das Kind sollte darin auf dem Rücken im eigenen Schlafsack liegen und nicht in einer zu weichen Matratze einsinken. Die Umgebung muss zudem rauchfrei sein. Am besten schläft es sich bei eher kühlen 18 Grad Raumtemperatur. Kissen und Haustiere im Bett sind tabu. Und: Liegt das Baby am Abend zunächst alleine dort, sollte es nicht herausfallen können.

«Ab dem Alter von etwa sechs bis acht Monaten ist es aber sinnvoll, sich zu überlegen, was das Kind vielleicht schon alleine schafft und wie man es dabei unterstützen kann», rät Liamlahi. So könne es zum Beispiel hilfreich sein, zwischendurch einmal auszuprobieren, ob das Kind selbstständig im Bettchen einschlafen kann – oder vielleicht nur noch die aufgelegte Hand der Eltern braucht. Denn: «Wenn das Kind abends weniger Begleitung in den Schlaf braucht, wird es diese auch in der Nacht weniger einfordern.» Schliesslich könne es sich beim Aufwachen dann selbst beruhigen und ohne Hilfe in den Schlaf zurückfinden.  

5. Unterstützung suchen

Doch vielleicht hilft alles nichts und die Nerven liegen blank. Ab wann liegt eine Schlafstörung vor? «Ab wann das Schlafverhalten des Babys als Störung empfunden wird, ist sehr individuell. Wenn sich Eltern Sorgen machen oder selbst sehr erschöpft sind, sollten sie dies unbedingt mit dem Kinderarzt besprechen», rät die Ärztin.  

Teilen