Dossier: Junge Erwachsene

Adieu, Hotel Mama – hallo, WG-Leben

Endlich aus dem elterlichen Nest aus- und in eine WG einziehen: ein aufregender Schritt in ein unabhängiges Leben. Damit das Zusammenleben mit den WG-Gspänli funktioniert, gilt es, einige Regeln zu beachten.

Text: Isabelle Fretz; Foto: Sanitas

«Lass uns gemeinsam fürs Studium nach Zürich ziehen und eine WG gründen.» Die Idee kam uns an einem verregneten Winterabend Ende Februar beim Apéro. Sechs Monate später packten meine Schulfreundin und ich tatsächlich unsere sieben Sachen und bezogen unsere erste gemeinsame Wohnung.

Zugegeben, als wir 2008 mit Anfang 20 vom überschaubaren St. Gallen in die Grossstadt Zürich zogen, hätte ich nicht gedacht, dass wir heute noch zusammenleben. Gedanken darüber, wer den Mietvertrag unterzeichnet, wie wir das Mietdepot aufteilen und ob wir eine Haushaltskasse brauchen, haben wir uns nicht gemacht. Wir hatten Glück: Zwölf Jahre und drei Wohnungen später ist unser Zusammenleben noch immer sehr harmonisch – Streit gab es eigentlich nie.

Es kann jedoch auch anders laufen. Dann helfen klare Absprachen und Regeln – und Verträge. Denn das Zusammenleben mit einer anderen Person hält einige Stolperfallen bereit.

Eine WG gründen – Tipps vom Experten

Fabian Gloor, Jurist und Leiter der Hotline des Mieterinnen- und Mieterverbands, erklärt, worauf Sie bei der Gründung einer WG achten sollten und wie Sie bei Streitigkeiten mit Ihren Mitbewohnern reagieren können.

Wie gross soll die WG werden?

Bevor man bei seinen Eltern auszieht, sollte man sich Gedanken über sich selbst machen. Wie stelle ich mir das Zusammenleben mit anderen Menschen vor? Brauche ich viel Zeit für mich? Oder blühe ich erst richtig auf, wenn ich viele Personen um mich habe? Wohne ich lieber nur mit Frauen oder mit Männern? Mit wie vielen Personen möchte ich eine Wohnung teilen – mit einer, zwei oder vielleicht doch acht?

Der Mietvertrag: Wer ist der Hauptmieter der WG?

Generell gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten:

  • Alle Mitbewohner unterzeichnen den Mietvertrag und sind dementsprechend Hauptmieter.
  • Eine Person unterschreibt den Mietvertrag und schliesst mit den restlichen Personen Untermietverträge ab. 

Fabian Gloor empfiehlt klar die zweite Variante. «Gibt es nur einen Hauptmieter, sind alle Mitbewohner flexibler. Die Untermieter können ihren Vertrag kündigen, wenn sie ausziehen wollen, und müssen lediglich einen zumutbaren und zahlungsfähigen Nachmieter stellen. Zudem haften nicht alle Mieter solidarisch, wenn einer die Miete nicht bezahlt.»

Grosser Nachteil dieser Variante ist, dass der Hauptmieter Macht über seine Untermieter hat – er kann beispielsweise die Untermietverträge kündigen. Und was ist, wenn der Hauptmieter seinen Vertrag auflöst? «Dann muss er die Untermietverträge ebenfalls auflösen, denn diese können nicht länger als der Hauptmietvertrag dauern. Es gibt jedoch die Möglichkeit, den Hauptmietvertrag auf eine andere Person zu übertragen und so eventuell eine Mieterhöhung zu umgehen», so Gloor. Der Hauptmietvertrag kann aber nur mit dem Einverständnis des Vermieters überschrieben werden.

Mietvertrag mit der Unterschrift der Eltern

Für den Vermieter ist es von Vorteil, wenn die Eltern den Mietvertrag ebenfalls unterschreiben. Jedoch gilt laut Fabian Gloor auch hier: «Wenn es vom Vermieter nicht vorausgesetzt wird, würde ich darauf verzichten. Sobald die Eltern mitunterzeichnen, haften sie solidarisch für die Wohnung und die Miete – und nicht nur für ihr eigenes Kind, sondern für alle Mitbewohner gleichermassen.»

Hausrat- und Haftpflichtversicherungen für WGs

Hausrat- und Haftpflichtversicherung seien für den Hauptmieter ein Muss, meint Fabian Gloor. «Auch die Untermieter sollten auf jeden Fall eine Haftpflichtversicherung abschliessen.» Nur so sind sie beispielsweise bei einem Glasbruch oder einem Parkettschaden ausreichend abgesichert.

Wie errechnet sich die Miete in WGs?

Als Faustregel gilt: Sind die Zimmer gleich gross, dann wird die Miete gleichmässig verteilt. Sind die Zimmer unterschiedlich, kann die Miete anhand der Quadratmeter berechnet werden.

Das Mietzinsdepot

«Auch hier gibt es wieder mehrere Möglichkeiten», so Fabian Gloor. «Wohnen mehrere Hauptmieter in der Wohnung, zahlen alle zu gleichen Teilen die Kaution auf ein gemeinsames Sperrkonto ein. Gibt es nur einen Hauptmieter, ist er für die Zahlung zuständig.»

Der Hauptmieter hat dann jedoch die Möglichkeit, von seinen Untermietern ein Mietzinsdepot zu verlangen und dieses auf ein separates Sperrkonto einzuzahlen. «Beim Mieterinnen- und Mieterverband raten wir generell davon ab, eine Kautionsversicherung abzuschliessen. Auf den ersten Blick wirken diese zwar attraktiv, im Endeffekt sind sie aber sehr teuer, denn das Geld, welches man über die Jahre hinweg einzahlt, ist weg. Bei der Kaution bekommt man dagegen den vollen Betrag inklusive Zinsen zurück, sofern keine Mietzinsen offen und keine Schäden an der Wohnung entstanden sind», so Gloor.

WG-Zusammenleben mit Regeln

Toleranz, Transparenz und eine offene Kommunikation sind das A und O für ein harmonisches Zusammenleben. Wichtig ist es, klare Verhältnisse zu schaffen. Fabian Gloor: «Wer will, kann die vereinbarten Regeln in einem schriftlichen Vertrag festhalten. So ist für alle Mitbewohner klar, worauf sie achten müssen.» Ebenfalls empfehlenswert: Regelmässige Meetings, an denen Kritik geübt werden kann. Am besten verbindet man diese mit einer gemeinsamen Aktivität, beispielsweise einem selbst gekochten Abendessen oder einem Spieleabend.

Wohnungsinserate genau prüfen

Vorsicht ist besser als Nachsicht. In den vergangenen Jahren haben Betrüger WG-Inserate als lukratives Geschäft für sich entdeckt. Sie geben sich als Vermieter aus oder schreiben Wohnungen aus, die es so gar nicht gibt, um Mietzins und Kaution einzukassieren. Wohnungsinserate sollten deshalb genau geprüft und die Wohnung sollte unbedingt besichtigt werden. Fabian Gloors Rat: «Wenn der Vermieter oder die Liegenschaftsverwaltung Zahlungen beispielsweise über Western Union verlangt, sollte man den Mietvertrag nicht unterschreiben.»

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