Fruchtbarkeit beim Mann: Fakten und Tipps
Wenn der Kinderwunsch unerfüllt bleibt, liegt es oft auch am Mann. Was Spermienqualität ausmacht und wie Mann die Chancen auf eine Schwangerschaft erhöht.
Ein Kinderwunsch ist oft mit grossen Erwartungen verbunden und ebenso gross ist die Enttäuschung, wenn sich die ersehnte Schwangerschaft nicht einstellt. Meist richtet sich der Blick zuerst auf die Frau.
Doch die Wissenschaft zeigt: Männer spielen eine zentrale Rolle. Die Qualität ihrer Spermien entscheidet mit, ob es zu einer Befruchtung kommt, und manchmal auch, ob eine Schwangerschaft bestehen bleibt.
Fruchtbarkeit ist jedoch kein starres Konzept. Sie verändert sich im Laufe des Lebens, sie reagiert auf Gewohnheiten, auf Gesundheit, auf Umwelteinflüsse. Stress, Alkohol oder Übergewicht können die Chancen ebenso mindern wie eine unbeachtete Infektion.
Für Paare, die Monat für Monat hoffen und bangen, wird die Spermienqualität so zu einem Schlüsselfaktor.
Kinderwunsch: Warum die Spermienqualität so wichtig ist
Kommt es nicht zu einer Empfängnis, sind in 30 bis 40 Prozent der Fälle Faktoren beider Partner dafür verantwortlich, erklärt Prof. Dr. med. André Reitz, Facharzt für Urologie und Spezialist für Neurourologie und Männergesundheit an der Klinik Hirslanden in Zürich.
Bei jedem fünften Paar ist jedoch der Mann hauptverantwortlich für einen unerfüllten Kinderwunsch.
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Welchen Einfluss haben Anzahl, Beweglichkeit und Form der Spermien?
Entscheidend ist nicht nur, ob Spermien vorhanden sind, sondern auch, wie gut sie ihre Aufgabe erfüllen. Anzahl, Beweglichkeit und Form bestimmen darüber, ob sie die Eizelle überhaupt erreichen und befruchten können.
«Je mehr Spermien eine klare Vorwärtsbewegung zeigen, desto besser», so Reitz. Schon kleine Abweichungen können die Chancen spürbar verringern.
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Qualität der Spermien und Risiko für Fehlgeburten
Neuere Studien weisen zudem darauf hin, dass die Qualität der Spermien nicht nur für die Empfängnis wichtig ist, sondern auch für den weiteren Verlauf der Schwangerschaft.
Ein ungesunder Lebensstil des Mannes kann das Risiko für Fehlgeburten erhöhen – ein Zusammenhang, der lange unterschätzt wurde und heute zunehmend wissenschaftlich untersucht wird.
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Kinderwunsch: Nicht nur das Alter der Frau ist entscheidend
Hinzu kommt, dass die Fruchtbarkeit auch eine Frage des Timings ist. Die «fruchtbarsten Jahre», erklärt Reitz, liegen in der Mitte der Zwanziger. Ab Mitte dreissig nimmt die Qualität der Spermien allmählich ab – genau in jener Lebensphase, in der für viele Paare die Familienplanung überhaupt erst in den Vordergrund rückt.
Das bedeutet jedoch nicht, dass nach den Dreissigern keine Chancen mehr bestehen. Reitz betont: «Nach einem Jahr sind etwa 90 Prozent der Paare schwanger.» Auch im zweiten Jahr kommt es noch bei rund einem Viertel dieser Paare ohne medizinische Hilfe zu einer Schwangerschaft.
Häufige Ursachen für eingeschränkte Spermienqualität
Die Gründe für eingeschränkte Fruchtbarkeit beim Mann sind vielfältig. Häufig wirken Lebensstil, Umwelt und medizinische Faktoren zusammen. Sicher belegt ist nur ein Teil der Einflüsse. Wie André Reitz in seinem Buch «Kompass Männergesundheit» schreibt, lassen sich manche Ursachen gezielt vermeiden – andere liegen jedoch ausserhalb unserer Kontrolle.
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Medizinische Ursachen für reduzierte Spermienqualität
- Hodenhochstand in der Kindheit: Wird er nicht rechtzeitig operiert, kann das Hodengewebe dauerhaft geschädigt werden. «Eine Temperatur von ein bis zwei Grad unterhalb der Körpertemperatur ist optimal für die Spermienproduktion», erklärt Reitz.
- Entzündung nach Mumps: Eine Mumps-Erkrankung nach der Pubertät kann die Hoden dauerhaft verkleinern und die Fruchtbarkeit deutlich mindern.
- Hormonstörungen: Kommen nur selten vor, können aber behandelt werden. «Ist die Unfruchtbarkeit tatsächlich Folge eines Hormonmangels, lässt sich das betreffende Hormon zuführen», so Reitz.
- Ejakulationsstörungen: Nach Operationen an Prostata oder Blase kann Samenflüssigkeit in die Blase zurückfliessen statt nach aussen – medizinisch testbar, aber nicht immer therapierbar.
- Verschlüsse der Samenleiter: Wenn keine Spermien im Ejakulat vorhanden sind, kann das an einem Verschluss liegen. Eine Ursache, die operativ überprüft und teils behoben werden kann.
- Fieber oder Infekte: Hohe Temperaturen können die Spermienreifung stören. Die Qualität normalisiert sich meist nach zwei bis drei Monaten wieder.
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Lebensstilfaktoren, die zu schlechterer Spermienqualität führen
- Rauchen: Die Studienlage ist laut Reitz uneinheitlich. Einige Untersuchungen zeigen, dass Raucher eine deutlich geringere Spermienkonzentration haben als Nichtraucher. Bei bereits eingeschränkter Fruchtbarkeit kann Rauchen jedoch ein zusätzlicher hemmender Faktor sein.
- Alkohol: Gelegentlicher Konsum ist unbedenklich. Eine chronische Alkoholerkrankung schädigt jedoch unter anderem die Hoden und senkt den Testosteronspiegel.
- Drogen: Beeinträchtigen die Produktion von Samenzellen.
- Anabole Steroide: Blockieren die körpereigene Hormonproduktion und können bleibende Hodenschäden verursachen.
- Stress und Übertraining: Dauerstress oder exzessives Sporttreiben belasten den Hormonhaushalt und wirken sich ungünstig auf die Spermienqualität aus.
- Übergewicht: Führt zu hormonellen Veränderungen, senkt den Testosteronspiegel und kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigen.
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Umweltfaktoren, welche die Spermienqualität beeinflussen
- Wärme: Heisse Bäder, eng anliegende Unterwäsche, Sauna oder Sitzheizung erhöhen die Hodentemperatur und verschlechtern die Beweglichkeit der Spermien.
Tipps: Wie lässt sich die Spermienqualität verbessern?
Wer den Kinderwunsch aktiv angeht, kann viel tun, um die Chancen auf eine Schwangerschaft zu erhöhen. Urologe André Reitz rät Männern, die eigene Gesundheit als Teil des Kinderwunschs zu verstehen. Denn viele kleine Veränderungen im Alltag können die Fruchtbarkeit positiv beeinflussen.
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Regelmässig zur Kontrolle gehen
Ein Gesundheitscheck lohnt sich nicht erst im Alter. Blutdruck, Gewicht oder Zuckerwerte wirken sich auch auf den Hormonhaushalt aus und damit indirekt auf die Fruchtbarkeit. Reitz betont im Präventionskompass, wie wichtig es ist, körperliche Veränderungen früh zu erkennen, statt Warnsignale zu überhören.
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Auf künstliches Testosteron oder Doping verzichten
Was kurzfristig die Muskelkraft steigert, kann langfristig schaden. Anabole Steroide und Testosteronpräparate blockieren die körpereigene Hormonproduktion und führen laut Reitz «zur Rückbildung der Hoden». Wer seine Fruchtbarkeit erhalten will, sollte solche Mittel konsequent meiden.
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Massvoll geniessen
Rauchen, Drogen und exzessiver Alkoholkonsum setzen dem Körper zu – auch der Fruchtbarkeit. Studien zu Nikotin sind widersprüchlich, schadenfrei ist es aber nicht. Reitz empfiehlt, auf Genussmittel weitgehend zu verzichten und Alkohol in vernünftigem Rahmen zu halten. Entscheidend sei, «Exzesse zu vermeiden – im Alltag wie beim Feiern».
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Hoden kühl halten
Hohe Temperaturen sind der grösste Feind gesunder Spermien. Heisse Bäder oder häufige Saunabesuche können die Beweglichkeit der Samenzellen beeinträchtigen. Ideal ist laut Reitz «eine Temperatur, die etwa ein bis zwei Grad unter der Körpertemperatur liegt».
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Bewegen, aber nicht übertreiben
Regelmässige Bewegung stärkt Kreislauf und Stoffwechsel – zwei wichtige Grundlagen für eine gute Spermienproduktion. Wer aber ständig bis an die Leistungsgrenze geht, riskiert das Gegenteil.
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Gesund ernähren
Frisches Gemüse, Vollkornprodukte, ausreichend Flüssigkeit – eine ausgewogene Ernährung unterstützt alle Körperfunktionen, auch die Hormonregulation. Reitz empfiehlt, auf natürliche Weise für Nährstoffe zu sorgen, statt auf isolierte Präparate zu setzen.
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Auf die Psyche achten
Stress, Überforderung oder Schlafmangel wirken sich auf die Sexualfunktion ebenso aus wie auf die Lust. Reitz rät Männern, «auf die seelische Gesundheit zu achten, weil das natürlich auch für die sexuelle Gesundheit eine Rolle spielt». Entspannungsphasen helfen, Körper und Hormonhaushalt im Gleichgewicht zu halten.
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Testosteronwert prüfen lassen
Bleibt der Kinderwunsch trotz gesunder Lebensweise unerfüllt, kann ein Hormonmangel die Ursache sein. «Ist die Unfruchtbarkeit tatsächlich Folge eines Hormonmangels, lässt sich das betreffende Hormon zuführen», so Reitz. Eine Selbstmedikation ist jedoch tabu – das gehört in erfahrene Hände.
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Geduldig bleiben
Auch unter optimalen Bedingungen braucht die Natur Zeit. «Nach einem Jahr sind etwa 90 Prozent der Paare schwanger, eines von zehn jedoch nicht», sagt Reitz. Druck hilft nicht weiter – Gelassenheit und Zuversicht dagegen schon.
Diagnose: Wie wird die Spermienqualität gemessen?
Bleibt eine Schwangerschaft trotz regelmässigen Geschlechtsverkehrs aus, wird auch der Mann untersucht. Entscheidend ist die Analyse der Samenflüssigkeit, das sogenannte Spermiogramm. Es zeigt, wie viele Spermien vorhanden sind, wie beweglich und wie gesund sie gebaut sind.
Vor der Untersuchung sollte einige Tage auf Samenergüsse verzichtet werden, meist vier bis sechs Tage. Die Probe wird durch Masturbation gewonnen – in der Praxis oder zu Hause, sofern sie innerhalb einer Stunde körperwarm im Labor ankommt. Kondome sind ungeeignet, da viele Substanzen darin Spermien abtöten.
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Analyse im Labor
Im Labor wird die Samenflüssigkeit nach WHO-Richtlinien geprüft. In einem Milliliter sollten mindestens 16 Millionen Spermien enthalten sein, mindestens 30 Prozent sollten sich aktiv vorwärtsbewegen, und mindestens 4 Prozent müssen eine normale Form aufweisen. Auch pH-Wert und Fruktosegehalt werden kontrolliert.
Neben Menge und Beweglichkeit spielt auch das Zusammenspiel der Drüsen eine Rolle. Fehlen etwa Enzyme aus der Prostata, bleibt das Ejakulat zäh statt flüssig – ein Hinweis auf Störungen in der Sekretbildung. Auch Verschlüsse der Samenleiter oder entzündliche Prozesse können auffallen.
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Mehrere Wiederholungen der Tests nötig
Da die Spermienqualität schwankt, empfiehlt Reitz, das Spermiogramm zwei- bis dreimal im Abstand von einigen Wochen zu wiederholen. Erst dann lassen sich belastbare Werte beurteilen. Ein auffälliges Ergebnis bedeutet nicht automatisch Unfruchtbarkeit – viele Einflüsse wie Fieber, Stress oder Medikamente können die Werte vorübergehend verändern.
Psychische Aspekte & Partnerschaft
Männer suchen bei Beschwerden später den Arzt auf als Frauen und missachten häufig Warnsignale des Körpers. Ursache seien oft Scham, Unkenntnis oder die Angst, dass sich hinter Symptomen eine ernste Krankheit verbergen könnte, weiss Reitz.
Beim Arzt zeigen sich viele Männer dann «sprachlos», schreibt der Urologe. Sie können ihre Beschwerden nur schwer benennen, neigen dazu, selbst ausgeprägte Probleme zu bagatellisieren, und projizieren seelische Konflikte lieber auf körperliche Leiden, weil diese gesellschaftlich besser akzeptiert sind, schreibt er weiter.
Hinzu komme, dass Männer sich selbst häufig als gesünder wahrnähmen, als sie tatsächlich sind. «Trotz der geringeren Lebenserwartung halten sich Männer subjektiv für viel gesünder, als sie es sind», erklärt Reitz. Dieses Selbstbild verhindere, dass Warnzeichen früh erkannt und behandelt werden.
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Gesundheit langfristig schützen
Auch das traditionelle Rollenverständnis hat einen Einfluss: Männer seien risikobereiter, suchten vielfach Stärke und Kontrolle. Schwäche oder Abhängigkeit stünden im Widerspruch zu ihrem Selbstbild. Dieses Verhalten kann dazu führen, dass sie Krankheiten verdrängen oder sich zu spät um medizinische und psychische Unterstützung bemühen.
Diese Zurückhaltung hat Folgen – auch für Beziehungen. Wenn Männer körperliche oder emotionale Belastungen nicht ansprechen, können Missverständnisse entstehen. Nur wer offen über seine Beschwerden spricht, kann körperliche und seelische Ursachen unterscheiden und gezielt behandeln lassen.
Gespräche mit Fachpersonen können so auch den Druck aus Partnerschaften nehmen. Sie helfen, Unsicherheiten abzubauen und falsche Erwartungen an Leistungsfähigkeit oder Sexualität zu korrigieren. Ein Schritt, der vielen Männern schwerfällt, aber entscheidend ist, um die eigene Gesundheit langfristig zu schützen.