Dossier: Unser Baby

Babyblues statt Babyglück

Bei aller Freude über das neue Familienmitglied: Vier von fünf Frauen sind wenige Tage nach der Geburt nahe am Wasser gebaut. Das ist ganz normal.

Text: Helwi Braunmiller; Foto: Unsplash

Das Leben mit einem neuen Erdenbürger ist eine Achterbahn der Gefühle. Die ersten Tage nach der Geburt trägt die Euphorie noch durch halb durchwachte Nächte und Unsicherheiten. Nach drei bis sechs Tagen kommt für den Grossteil der Frauen aber der emotionale Tiefpunkt.

Vieles summiert sich: Der Schlafmangel macht sich bemerkbar. Der Wochenfluss beeinträchtigt das Wohlbefinden. Möglicherweise plagen Kaiserschnittnarbe oder Dammnaht. Die Brüste schmerzen wegen dem Milcheinschuss. Vielleicht entdeckt auch der Säugling seine Stimme und schreit mehr. Hinzu kommt die Psyche: Die Erkenntnis, dass nichts mehr sein wird wie zuvor, sickert ins Bewusstsein. Nach einer problemlosen Geburt sind die meisten Frauen in dieser Zeit bereits wieder daheim und gemeinsam mit dem frischgebackenen Vater mit ihren Unsicherheiten auf sich selbst gestellt.

Emotionaler, aber natürlicher Anpassungsprozess

Plötzlich kennen sich junge Mütter selbst nicht mehr. Sie brechen bei Kleinigkeiten in Tränen aus, sind emotional, ängstlich, unausgeglichen, schlafen trotz Müdigkeit schlecht: Sie stecken im «postpartalen Stimmungstief», wie der Babyblues fachsprachlich heisst. Er verschwindet im Normalfall nach wenigen Tagen von selbst wieder.

Gut zu wissen: Die «Heultage» sind ein natürlicher Anpassungsprozess. Nach der Geburt finden innerhalb kürzester Zeit enorme hormonelle Veränderungen statt. Einerseits setzt mit der Abstossung der Placenta bei der Geburt die Produktion der Schwangerschaftshormone wie Östrogen und Progesteron auf einen Schlag aus. Sie zirkulieren noch wenige Tage nach der Geburt im Körper, spätestens nach drei Tagen sind sie jedoch verschwunden. Stattdessen schüttet der Körper der Frau nun das Stillhormon Prolaktin aus. Das Stimmungstief setzt ein.

Das hilft:

  • Lassen Sie Ihre Gefühle zu und verabschieden Sie sich von dem Anspruch, eine strahlende Mutter sein zu müssen.
  • Als Partner helfen Sie am besten mit moralischer Unterstützung und viel Verständnis.
  • Lassen Sie es zu, wenn Sie sich in den ersten Wochen mit Baby gefordert und manchmal auch überfordert fühlen. Und auch, wenn Sie lieber für sich bleiben möchten, statt Besucher zu empfangen.
  • Essen Sie gesund und versuchen Sie, trotz allem auch etwas für sich zu tun.

Wenn sich die Stimmung nach zwei Wochen immer noch nicht aufhellt, die Gefühle einer heillosen Überforderung und Traurigkeit, Versagensängste und Ruhelosigkeit nicht verschwinden, könnte es sich um eine Wochenbettdepression handeln. Und diese gehört unbedingt behandelt. Scheuen Sie sich nicht, mit Ihrer Hebamme, Mütterberaterin oder Frauenärztin zu sprechen.

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