10 Tipps gegen Ängste und Sorgen

Gut durchatmen, lockern, den Off-Button drücken. Für diese Anti-Angst-Rezepte ist garantiert kein Anstehen in der Apotheke notwendig.

Text: Katharina Rilling; Foto: Nik Shuliahin / Unsplash

Isolation, Ausgangssperre, leere Regale im Supermarkt und die Unsicherheit, die wie ein Damoklesschwert über unseren Köpfen hängt: Wie lange noch? Wie wird das alles enden – wirtschaftlich und gesundheitlich? Egal, wie wir leben und wer wir sind – das Coronavirus macht mit jedem von uns etwas. «Ich beobachte gerade eine breite Verunsicherung», sagt Psychotherapeutin Dania Schiftan. «Die Ängste sind sehr individuell. Der eine fürchtet sich davor, sich anzustecken. Andere spüren eine diffuse Nervosität. Dann plagen natürlich finanzielle Sorgen. Und manche belastet eine starke apokalyptische Angst.»

Gründe für Sorgen und Ängste

Es ist der Verlust der Kontrolle und der Selbstbestimmung über ihr Leben, der Menschen besonders zusetzt. Denn Gewohnheiten haben sich in den letzten Wochen zwangsläufig geändert. Was uns aus der Bahn wirft, macht Angst. Natürlich kennen wir gesellschaftliche Krisen – allerdings mit Sicherheitsabstand: Wir wissen, dass es sie auf der Welt gibt, weit weg. Jetzt aber sind wir selbst betroffen.

Erste-Hilfe-Analyse

Was also tun, wenn die Angst in uns hochkriecht? In einem ersten Schritt kann es helfen, sich über die Art der Angst klarzuwerden: Was genau löst die Angst aus? Ist es das Virus selbst? Oder das, was im Spital mit einem passieren könnte? Habe ich Angst um meine Liebsten? Oder ist es die Einsamkeit, die mich in Panik versetzt? Wer seine diffusen Angstgefühle besser verstehen lernt, kann ihnen eher etwas entgegensetzen. Aktiv sein tut gut. Wer zum Beispiel Angst vor der Pleite hat, sollte sich intensiv darüber informieren, wie die vom Bund versprochene finanzielle Unterstützung im Detail geregelt werden soll. Schiftan gibt allerdings zu bedenken: «Viele Antworten sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar. Daher gilt es allgemein, den Zustand der Unsicherheit und der Ohnmacht möglichst gut aushalten zu lernen. Und dafür gibt es Tools.»

1. Nicht den Richter spielen

Eins ist sicher: Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation auf Zeit. Die Krise wird vorübergehen. Machen Sie sich das bewusst. Und dennoch: Eine Situation wie diese haben wir alle noch nie erlebt. «Sehr viele Menschen fühlen derzeit heftige Emotionen wie Angst, Hilflosigkeit, Wut, Trauer, Frust oder Hoffnungslosigkeit. Sie sind damit nicht alleine und müssen sich dafür nicht schämen. Lassen Sie Ihre Gefühle zu!», rät Psychotherapeutin Dania Schiftan. «Wer sich selbst für das Wechselbad der Emotionen verurteilt, gerät möglicherweise in eine Abwärtsspirale.»

2. Alles wie gehabt – fast

Kochen, Hausarbeit, Bewegung, Schlaf – schaffen Sie sich eine Routine, die Ihnen Halt gibt. «Gehen Sie immer zur gleichen Zeit schlafen, essen Sie regelmässig. Duschen Sie, ziehen Sie Arbeitskleidung an, auch wenn Sie im Homeoffice sind», so die Psychologin. Klare Strukturen stabilisieren die Psyche. Sie geben ein Gefühl von Sicherheit. Dabei können einen Listen unterstützen, die über den Tag hinweg abgearbeitet werden. «Nach dem Aufstehen sollten Sie – falls möglich – das Setting wechseln, also in einen anderen Raum gehen.» Falls Sie am Abend Probleme haben, in den Schlaf zu finden, schalten Sie Ihr Handy eine Stunde vor der Schlafenszeit aus. Und: Wer aktiv ist und musiziert, tanzt, meditiert, liest, dichtet, bastelt oder entrümpelt, geht in der Regel zufriedener ins Bett.  

3. Zusammen stark

Distanz wahren, ja. Aber nur physisch. Denn im Krisenmodus sind soziale Kontakte besonders wichtig. Nehmen Sie weiterhin am Familienleben oder am Leben Ihrer Freunde teil – auch wenn Sie Kollegen, Enkelkinder oder Eltern im Moment nicht treffen dürfen. Telefon, Chat oder Video Calls machen es möglich. Orientieren Sie sich dabei besonders an Ruhepolen oder humorvollen Leuten. Es tut gut, mit Menschen zu sprechen, die gelassen sind und sich weniger Sorgen machen als man selbst. Lassen Sie sich von ihnen inspirieren: Wie bewerten sie die Lage und wie gehen sie mit der Situation um?  

4. Einfach abschalten

Traurige Einzelschicksale, Fake News und emotionale Social-Media-Posts können in Angst und Schrecken versetzen. Informieren Sie sich daher nur noch über seriöse Leitmedien und offizielle Stellen wie das BAG. «Um nicht ständig überflutet zu werden, sollte man seinen Medienkonsum zudem dosieren», rät die Psychotherapeutin. Durch die permanente Berichterstattung kann sich eine Angstkulisse aufbauen, die in Panik kippt, wenn man dann vor leeren Regalen im Supermarkt steht. Schalten Sie also alle Push-Meldungen ab und nehmen Sie sich vor, höchstens einmal am Tag die News zu checken. Die Tagesschau oder ein guter Newsletter, in dem die wichtigsten Nachrichten des Tages zusammengefasst werden, reichen völlig aus.

5. Corona, wer?

Der reduzierte Newskonsum verschafft mentale Corona-Pausen und Zeit für anderes: Livekonzerte oder Lesungen im Internet, einen lustigen Film oder ein gutes Buch. Jetzt ist die Fähigkeit, sich ablenken zu können, für einmal nützlich! Schiftan: «Etwas anderes zu machen kann helfen, aus den ewig gleichen Gedankenkreisen herauszukommen – auch wenn die Angst dadurch nicht nachhaltig verschwindet.»

6. Sich selbst stärken

Kuchen, Fast Food, Schokolade: Sind wir gestresst, verlangt unser Körper nach schnell verbrennbarer Energie. Wer Fettem und Süssem widersteht und sich stattdessen gesund ernährt, fühlt sich auf lange Sicht aber besser. Planen Sie Ihre Mahlzeiten und Snacks am besten vor, damit Sie nicht so oft einkaufen gehen müssen und doch immer etwas Gesundes im Schrank haben. Wer keine Lust auf Kochen hat, kann sich auch etwas Feines bestellen und damit sogar noch lokale Unternehmen unterstützen: Viele Beizen bieten in Corona-Zeiten auch spezielle Liefer- oder Take-away-Services an.

7. In Bewegung bleiben

«Wenn der Körper unter Stress steht und sich ständig in Alarmbereitschaft befindet, tut Bewegung gut», so Schiftan. «Denn Angst lässt uns erstarren, wir verkrampfen uns auch muskulär.» Ein langer Spaziergang im Wald baut Spannungen ab, lüftet den Kopf durch und spendet Energie. Aber auch in den heimischen vier Wänden ist Bewegung möglich: Yoga, sich schütteln wie ein Hund, tanzen zur Lieblingsmusik oder Dehnübungen tun gut. Online werden derzeit besonders viele Yoga-, Turn- oder Pilatesstunden zum Mitmachen angeboten. Einfach ausprobieren!  

8. Den Körper reizen

Bei Panik kann es helfen, seinen Körper Reizen auszusetzen: Ist die Attacke leicht bis mittelschwer, sollte man zum Beispiel erst mal ein Glas Wasser trinken. Oder bewusst durch den Bauch atmen: «Legen Sie die Hand auf den Unterbauch, unterhalb des Bauchnabels. Beim Einatmen wird der Bauch rund, beim Ausatmen wieder flacher. Atmen Sie regelmässig, konzentrieren Sie sich auf die Atmung, und lassen Sie die anderen Gedanken vorbeiziehen wie Wolken», erklärt die Therapeutin. Wenn die Panik extrem gross wird: eiskalt duschen, Chili oder Wasabi in den Mund nehmen, Eiswürfel auf den Körper legen.  

9. Sinn suchen

Das Leben nicht komplett pausieren und Sinn in seinem Tun finden: Wer jetzt mehr Zeit hat, kann all die Projekte angehen, die er sich einst vorgenommen hat: zum Beispiel endlich Fotoalben fertigstellen, den Garten umgraben, zeichnen lernen. Was in der Zeit nach der Pandemie weiterwirkt und Bestand hat, wird als sinnvoll wahrgenommen. Und: Anderen helfen, denen es jetzt noch schlechter geht, wirkt sich positiv aufs eigene Befinden aus.  

10. Hilfe annehmen

«Im Moment gibt es sehr viele Therapeuten, die online Sitzungen anbieten», weiss Dania Schiftan. «Dieses Angebot sollte man unbedingt nutzen, wenn es einem nicht gut geht.» Auf der neuen Plattform für psychische Gesundheit rund um das Coronavirus finden Sie neben Kontakten zu Therapeuten auch viele weitere Tipps, um in Pandemiezeiten nicht durchzudrehen: dureschnufe.ch.

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