Dossier: Gesundes Herz

Wie die Psyche aufs Herz wirkt

Nicht nur Ernährung und Sport haben einen grossen Einfluss auf die Herzgesundheit, sondern auch psychohygienische Faktoren. Die Psychokardiologin Mary Princip erklärt im Interview, wie die Psyche auf das Herz wirkt.

Text: Ruth Jahn

Wann haben Sie persönlich das letzte Mal körperlich gespürt, dass Herz und Psyche eng miteinander gekoppelt sind?

Da fallen mir zwei ganz unterschiedliche Situationen ein: In der einen ist mein Herz vor Freude gehüpft, als mir mein Freund einen Heiratsantrag gemacht hat. In der anderen sass ich im Flugzeug und sah wegen starker Turbulenzen vor meinem geistigen Auge bereits die Sauerstoffmasken von der Decke purzeln.

Was haben die beiden Situationen gemeinsam?

Gefühle wirken sich unmittelbar auf unser Herz aus, das Herz fühlt sozusagen mit. Bei Freude wie auch bei Angst. Das ist evolutionär bedingt: Angesichts eines Säbelzahntigers oder einer anderen Gefahr war es früher überlebenswichtig, dass das Herz schnell und zuverlässig schlägt: So konnten Gefahren blitzschnell eingeschätzt und der Körper mobilisiert werden, um zu fliehen oder zu kämpfen. Hierbei spielt das auf Anspannung spezialisierte Nervensystem Sympathikus eine wichtige Rolle. Hormone lassen die Herzfrequenz, den Blutdruck und den Blutzucker ansteigen und das Blut verdickt sich, was die Gefahr, bei einem Kampf zu verbluten, verringert.

Heute kämpfen wir nicht mehr gegen Säbelzahntiger.

Genau. Aber vielleicht mit Aktenbergen oder um Anerkennung im Beruf. Und unser Herz reagiert noch ähnlich wie zu Urzeiten. Bei Stress lassen sich dann genau diese Phänomene beobachten: Der Blutdruck und die Herzfrequenz sind erhöht, die Blutgerinnung steigt und das Herz schlägt statischer. Das sind alles Faktoren, die sich chronisch ungünstig auf das Herz auswirken können.

«Bei Stress lassen sich dann genau diese Phänomene beobachten: Der Blutdruck und die Herzfrequenz sind erhöht, die Blutgerinnung steigt und das Herz schlägt statischer.»
Mary Princip

Wie merkt das Herz, ob man einen Heiratsantrag bekommt, sein Flugzeug abzustürzen droht oder man seine Aktenberge wieder einmal nicht bewältigt?

Das merkt das Herz gar nicht! Den Unterschied macht, wie ich die Situation bewerte und was ich dabei denke und fühle: Nach dem Heiratsantrag war ich entspannt und habe viel gelacht. Herzschlag und Hormone normalisieren sich wieder und der Gegenspieler des Sympathikus, der Parasympathikus, wird angekurbelt. Wichtig ist, dass nach grosser Anspannung wieder eine Entspannung folgt. Wenn wir hingegen chronisch Stress, Ärger oder Sorgen haben, wird die bedrohliche Situation quasi zum Normalzustand. Das kann sich ungünstig auf unser Herz auswirken.

Aber nicht jeder Stress ist ungesund.

Eine kurzfristige Stressreaktion ist für den Körper nicht schädlich. Kritisch wird es, wenn über längere Zeit ein Ungleichgewicht herrscht. Ein Unterschied zwischen dem, was andere und ich selbst von mir fordern, und dem, was ich aufgrund meiner Ressourcen leisten kann.

Gibt es Anzeichen dafür, dass ich meinem Herz zu viel zumute?

Unter Dauerstress sind wir nervös, unausgeglichen oder gereizt und können uns schlecht konzentrieren. Auch der Körper schickt Warnsignale: etwa Herzklopfen, Atembeschwerden, Schwitzen, Appetitlosigkeit oder Müdigkeit. Typisch ist auch, dass man sich sozial zurückzieht, öfter Alkohol trinkt und raucht oder sich weniger bewegt.

«Auch der Körper schickt Warnsignale: etwa Herzklopfen, Atembeschwerden, Schwitzen, Appetitlosigkeit oder Müdigkeit.»
Mary Princip

Dass zu wenig Bewegung oder eine falsche Ernährung dem Herz schaden kann, ist allgemein bekannt. Lässt sich der Einfluss der Psyche auf unsere Herzgesundheit beziffern?

Psychosoziale Faktoren machen fast ein Drittel aller Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus. Ihr Einfluss ist somit vergleichbar mit Übergewicht oder Diabetes. Nur Rauchen schadet dem Herz noch mehr.

Was schlägt sonst noch aufs Herz?

Zum einen sind es der Mangel an sozialer Unterstützung sowie Persönlichkeitsmerkmale wie beispielsweise eine Tendenz zu Feindseligkeit. Zum anderen bergen negative Gefühlszustände wie Depressivität und Angst oder Erschöpfungszustände wie Burn-out und chronische Schlafstörungen ein gewisses Risiko.

Braucht unser Herz Streicheleinheiten?

Auf jeden Fall! Entspannung, Freude, Zusammensein mit anderen, Bewegung, sich Gutes tun!

Dr. phil. Mary Princip ist Psychologin FSP und spezialisiert auf Psychokardiologie. Am Inselspital Bern berät sie ambulante Herzpatienten. Sie interessiert sich nicht nur dafür, wie die Psyche das Herz beeinflusst, sondern auch umgekehrt: Wie lernen Herzpatienten mit psychischen Problemen besser umzugehen. Dazu ist Mary Princip in Rheinfelden AG als Psychotherapeutin tätig.

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