Dossier: Covid-19

Sport nach Corona: Schritt für Schritt wieder fit

Die Symptome der Covid-19-Erkrankung sind abgeklungen – Zeit, sich endlich wieder mit Vollgas ins Training zu stürzen? Auf keinen Fall, sagen die Ärzte. Warum man sich vor Wiederaufnahme des Trainings unbedingt durchchecken lassen sollte.

Text: Katharina Rilling; Foto: Unsplash

Schon nach wenigen Treppenstufen ausser Atem? Der Puls geht hoch, die Muskeln schmerzen und der Kreislauf streikt? Eine Coronavirus-Infektion schwächt den Körper und wochenlanges Schonen oder sogar Liegen fordern ihren Tribut! Kein Wunder, möchte man nach der Krankheit so schnell wie möglich zur alten Form zurückfinden. Doch was sollten Sie beim Sport nach einer Corona-Infektion beachten? Eine Expertin gibt Tipps.

Wann wieder trainieren nach Corona?

«Die eigene Wahrnehmung kann täuschen», sagt Natina Schregenberger, Ärztin für Allgemeine Medizin und Sportmedizin in der SportClinic im Sihlcity, Zürich. «Man sollte sich auf jeden Fall immer vorher von einem Sport- oder Hausarzt durchchecken lassen – auch wenn man sich wieder gut fühlt. Das subjektive Empfinden reicht hier nicht.» Denn nach einer Coronavirus-Infektion besteht unter anderem die Gefahr einer Herzmuskelentzündung: «Atemnot, Husten – solche Symptome bemerkt man selber. Aber eine Herzmuskelentzündung kann unbemerkt bleiben.» Nach der Covid-19-Erkrankung werden vor allem Herz, Nieren und Lunge untersucht sowie Entzündungswerte gemessen. Erst, wenn die Werte unbedenklich sind, kann man schrittweise wieder in den Sport einsteigen. «Bei sehr sportlichen Personen und problemlosem Verlauf wird ein behutsamer stufenweiser Aufbau nach zehn Tagen Isolation empfohlen. Ich rede da von einem kleinen Spaziergang am Anfang. Die Rückkehr zur Trainingsroutine ist frühestens 17 Tage ab Symptombeginn möglich, vorausgesetzt der Wiedereinstieg erfolgt reibungslos», so Schregenberger.

Die Ärztin richtet sich bei ihren Empfehlungen nach einem offiziellen Stufenplan der Ärztegesellschaft Sport & Exercise Medicine Switzerland (SEMS) für den Wiedereinstieg in den Sport nach einer Covid-19-Erkrankung. Da die aktuelle Studienlage sich ständig wandelt, wird diese Momentaufnahme bei Bedarf angepasst (siehe Kasten).

Wie lange dauert die Sportpause nach Corona?

Vieles ist noch unklar, die Verunsicherung dementsprechend gross: «Wir haben derzeit ein ganz grosses Patientenaufkommen über alle Altersgruppen hinweg. Sie alle möchten wissen: wann sie endlich wieder fit sind», sagt Schregenberger. Wie schnell die Patienten wieder voll sportfähig sind und zum vorherigen Leistungsstand zurückkehren können, ist allerdings von Fall zu Fall verschieden: «Die Spannweite ist riesig. Man weiss leider noch nicht, wer wie reagiert und wann welches sportliche Leistungsvermögen zurückkehrt», so die Sportmedizinerin. So könnten zuvor sehr sportliche Menschen länger unter den Folgen der Erkrankung leiden, ältere hingegen rasch wieder aufs Anfangsniveau zurückfinden. Oder andersrum.

Gerne möchte man da vorbeugen. Schützt Sport vielleicht vor der Krankheit? Auch das ist unklar. Schregenberger sagt: «Sport schützt wahrscheinlich nicht vor einer Infektion. Aber: Sportlich aktive Menschen minimieren ihre Risikofaktoren wie hohes Blutfett oder Übergewicht und könnten dadurch einen leichteren Verlauf durchleben. Ausserdem haben sie meist mehr Muskelmasse und ein gesünderes Herz-Kreislauf-System – also mehr Reserven, falls sie erkranken.» Aber: Wer es sportlich übertreibt, schwächt sein Immunsystem.

Hoher Puls, müde Muskeln

Die in den Medien oft beschriebenen Lungenprobleme seien in der SportClinic allerdings nicht vordergründiges Thema. Nur sehr wenige litten – meist nach einem schweren Verlauf mit Hospitalisation – an fassbaren Einschränkungen der Lungenkapazität. Diese Patienten würden dann am besten durch einen Lungenspezialisten betreut. «Am meisten erlebe ich bei Menschen unter 50 Jahren einen hohen Puls und müde Muskeln», so Schregenberger. Viele seien erschöpft, litten an Schwindel, Kopfweh oder hätten Symptome wie Kribbeln in den Händen oder Hautausschläge.

Eine Herzmuskelentzündung kann zwar vorkommen, ist jedoch glücklicherweise selten. «Ich sehe im Allgemeinen sehr gute Resultate nach dem stufenweisen Aufbau», beruhigt die Sportärztin. Sie rät zu mehr Gelassenheit und sagt: «Bitte machen Sie sich keinen Druck, sondern beurteilen Sie jeden Tag wieder neu, wie es Ihnen geht. Und: Es wird besser, auch wenn es Wochen dauern kann!»

Sport nach Corona – das sind die Tipps der Ärztin:

 

  • Weniger Eigenrecherchen, weniger Sorgen
    «Covid-19 ist ein Chamäleon. Die Krankheit zeigt viele Facetten. Wichtig zu wissen ist: Zu umfangreiche Recherchen im Internet machen Angst. In Foren begegnet man tendenziell den Schreckensszenarien von Leuten, die ein starkes Bedürfnis haben, sich mitzuteilen», so Schregenberger. «Verlassen Sie sich lieber auf Ihre Sportärztin, Ihren Sportarzt und natürlich auf Ihren eigenen Körper.»

  • Leichte Belastung in Absprache mit Arzt
    Wer sich in sein Zimmer in Isolation begibt, kann mit leichten Streck- und Dehnübungen Begleiterscheinungen des Liegens wie Rückenschmerzen oder Kreislaufprobleme lindern. Nach der Isolation wäre ein leichter Spaziergang von 15 Minuten ein erster Schritt. Geht dies gut, darf etwas schneller gegangen werden. «Wichtig: Der Puls darf dabei nie über 70 Prozent der maximalen Herzfrequenz liegen», erklärt Schregenberger. Auch leichte Gymnastik mit Eigengewicht oder Yoga seien zu Beginn sinnvoll. Wer keinen Schwindel verspürt, darf später auch locker Velo fahren.

  • Sich Zeit lassen
    «Wer sich an jedem kleinen Schritt erfreut, hat einen längeren ‹Schnuuf ›», weiss die Sportmedizinerin. «Vergleichen Sie sich nicht mit anderen und nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen.»

  • Akzeptanz üben
    Die Ärztin weiss: «Das ist leichter gesagt als getan: Aber es ist wichtig, dass man im Bewusstsein behält, dass Rückschläge normal sind, und sich dadurch nicht frustrieren lässt. Schübe gehören dazu: Es gibt gute Tage oder Wochen und schlechte.» Ihr Rat: «Glauben Sie an sich! Und vertrauen Sie Ihrem Körper, dass er sich an die neue Situation anpassen kann.»

Der Weg zurück zum Sport:

  • Isolation und absolutes Sportverbot für mindestens 10 Tage
  • Ärztliche Untersuchungen
  • Ärztliche Freigabe zur Wiederaufnahme der Sporttätigkeit
  • Protokoll «Gradueller Return to Sport» (GRTS)

Teilen