Wie viel Sport pro Woche ist sinnvoll?
Die einen können vom Sport kaum genug kriegen, während die anderen nur einmal pro Woche Zeit finden. Doch: Wie viel Sport ist eigentlich sinnvoll?

Müssen es zwei Stunden pro Tag sein oder reicht es, einmal pro Woche Sport zu treiben? Und was ist besser: Möglichst lang und dafür moderat trainieren oder lieber ganz kurz, dafür aber hochintensiv?
Trainingsphilosophien gibt es wie Sand am Meer. Und um es gleich vorwegzunehmen: Die eine goldene Regel gibt es nicht. «Grundsätzlich ist es aus gesundheitlicher Sicht ratsam, moderate bis intensive Bewegungsformen regelmässig in den Alltag einzubauen. Wie oft jemand pro Woche idealerweise trainieren sollte, hängt dann aber vom Ziel, vom Niveau und von der zur Verfügung stehenden Zeit ab», sagt Manuel Coimbra, Sportwissenschaftler und Personaltrainer.
Trotzdem gibt es einige Anhaltspunkte für ein sinnvolles, effizientes und vor allem langfristig gesundes Sporttraining.
Wie viel Sport ist gesund?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt unterschiedliche Zeiteinheiten, je nach Intensität des Trainings. Auf diesen Angaben beruhen auch die Empfehlungen des Bundesamts für Sport (BASPO).
- Moderate Bewegung: Die WHO empfiehlt Erwachsenen zwischen 18 und 64 Jahren, sich wöchentlich mindestens 150 bis 300 Minuten bei «mässiger Intensität» zu bewegen. Hierzu zählen Aktivitäten wie Velofahren, zügiges Gehen, Tanzen, Gartenarbeit, leichte Hausarbeit.
- Intensive Bewegung: Alternativ können wir uns auch intensiver – dafür weniger lange bewegen. Hier empfiehlt die WHO wöchentlich 75 bis 150 Minuten intensives Training. Dazu gehören etwa Joggen, Fussballspielen, hochintensiven Intervalltraining (HIIT), Tennis, intensives Velofahren oder Basketball.
- Ergänzendes Krafttraining: Zudem rät die WHO erwachsenen Menschen, sich zwei bis drei Mal pro Woche die grossen Muskelgruppen mit Krafttraining zu stärken und damit auch die Koordination in den Bewegungsabläufen zu verbessern.
Wer sich so in Bewegung hält, investiert in seine Gesundheit: «Wie zahlreiche Studien zeigen, schützen diese Bewegungsformen vor Volkskrankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie zum Beispiel Bluthochdruck oder einen Herzinfarkt, verschiedene Krebsformen oder Depressionen», sagt Claudio Nigg. Er ist Professor am Institut für Sportwissenschaft der Universität Bern.
- Ob Ausdauer, Kraft oder Optik: Wer Fortschritte erzielen möchte, sollte mindestens drei bis vier Trainingseinheiten pro Woche einplanen.
- Die Trainingsintensität mit der Belastung im Alltag abgleichen: Wie sieht meine Arbeitswoche aus? Bin ich schon sehr gestresst? Habe ich genügend Zeit, mich zu erholen?
- Erholung, ausreichend Schlaf und eine gute Ernährung sind das A und O für den Trainingserfolg. Auch dafür gilt es, Zeit einzuplanen.
- Grenzen wahrnehmen und die Signale des Körpers verstehen: Bin ich ausgeruht und bereit für ein nächstes Training oder benötige ich mehr Ruhe und aktive Regeneration?
- Die Qualität der Bewegungsausführung kommt immer an erster Stelle. Erst wenn ein Bewegungsablauf sitzt, kann man die Intensität steigern. So bleibt man verletzungsfrei und langfristig erfolgreich. Es ist ratsam, immer wieder einen Experten für Bewegungsanalysen und -kontrollen aufzusuchen.
- Optische Ziele können kurzfristig motivierend sein. Langfristig stellt man aber besser die Gesundheit und ein positives Körpergefühl in den Vordergrund. Bewegung sollte zur Gewohnheit werden – ein wesentlicher Bestandteil eines gesunden Lebensstils.
Wie viele Trainings pro Woche sind nötig?
Man nennt sie auch «Weekend Warriors»: Sportler, die nur am Wochenende aktiv sind. «Wer jedoch ein Ziel verfolgt, sei das Muskelaufbau, Ausdauer oder Gewichtsreduktion, sollte sicher drei-, wenn nicht viermal pro Woche trainieren», sagt Manuel Coimbra.
Seine Lösung bei Zeitmangel: Exercise Snacks. «Das sind mehrere kurze Bewegungsblöcke von 15 bis 20 Minuten, in denen sich die Herzfrequenz erhöht und die Muskulatur mit einigen Kraftübungen gezielt aktiviert wird, beispielsweise mit Jumping Jacks, Push-ups und Kniebeugen (Air Squats). Solche «Snacks» lassen sich auch mal zwischen zwei Meetings oder in die Mittagspause einbauen.
«Es ist viel sinnvoller, sein Sportpensum über die Woche zu verteilen, statt alles in ein Training zu packen», sagt Coimbra. Und dieses Programm sieht je nach Ziel des Trainierenden etwas anders aus. Hier eine Übersicht:
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Gesund bleiben
Wer trainiert, um seine Gesundheit zu stärken und Krankheiten vorzubeugen – der sollte zwischen 150 und 300 Minuten in der Woche auf moderatem Niveau in Bewegung sein.
«Diese Zeit verteilen Sie am besten auf drei bis fünf Einheiten pro Woche», sagt Sportwissenschaftler Claudio Nigg.
Doch das ist noch nicht alles: Hinzu kommen mindestens zwei wöchentlichen Einheiten mit Krafttraining. «Die Kombination aus moderater Bewegung und Kraftsport ist ideal, um das eigene Erkrankungsrisiko für zahlreiche Krankheiten vorzubeugen», sagt Nigg.
So hilft gezielter Sport insbesondere gegen diese Erkrankungen:- Bluthochdruck
- Typ-2-Diabetes
- Adipositas
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Krebserkrankungen (z. B. Blasen-, Brust-, Dickdarm-, Magen-
und Nierenkrebs) - Verhindert Brüche/Erkrankungen infolge von Stürzen
- Psychische Erkrankungen (reduziert das Risiko für Angst und Depression)
- Kognitive Erkrankungen (reduziert das Risiko für z. B. neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer)
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Abnehmen
Der wichtigste Faktor fürs Abnehmen sei nicht hauptsächlich der Sport, sondern die Ernährung, sagt Sportprofessor Nigg. «Wer nicht zuerst bei der Ernährung darauf schaut, weniger Kalorien zu sich zu nehmen, der investiert vergebens Zeit in den Sport.»
Denn: «Wenn Sie alleine auf Sport setzen und weiter essen wie bisher, müssten Sie stundenlang am Tag trainieren – das ist weder umsetzbar noch gesund für den Körper», so Nigg.
Dennoch hilft Sport dabei, abzunehmen, und vor allem auch, das Wunschgewicht langfristig zu halten.
Wer zusammen mit einer Ernährungsumstellung und Sport abnehmen will, der sollte wöchentlich etwa 300 Minuten moderat oder 150 Minuten intensiv trainieren, sagt Nigg.
Diese Zeit können Sie idealerweise auf vier bis fünf Einheiten in der Woche aufteilen.
Personal-Coach Manuel Coimbra empfiehlt für die Gewichtsreduktion HIIT-Workouts (hochintensive Intervalleinheiten). Denn bei diesem Training werden Ausdauer- und Kraftübungen ideal kombiniert.
Kontraproduktiv ist hingegen Stress. Und gerade in diese Falle tappen viele Einsteiger:innen: «Wer seinem Körper übermotiviert ein zu hohes Sportpensum zumutet und gleichzeitig bei der Arbeit unter Druck steht, wird sein Ziel langfristig nicht erreichen und schlimmstenfalls noch zunehmen», sagt Coimbra.
Denn durch die fehlende Erholung kann der Körper das Stresshormon Kortisol nicht abbauen – das führt dazu, dass der Körper Fettreserven anlegt.
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Gewicht halten
Wer sein Gewicht halten möchte, der sollte wöchentlich zwischen 150 und 300 Minuten auf moderatem Niveau oder zwischen 75 und 150 Minuten auf intensivem Niveau trainieren, sagt Sportwissenschaftler Nigg. Auch hier gelte: Diese Zeit sollte auf drei bis fünf Einheiten pro Woche verteilt werden.
Die Ernährung spielt auch hier eine wichtige Rolle: Damit Sie Ihr Gewicht halten können, sollten Sie Ihrem Körper nur so viele Kalorien zuführen, wie er tatsächlich verbraucht. Setzen Sie auf viel frisches Gemüse, Hülsenfrüchte, Obst und Kohlenhydrate aus Vollkorn. Geeignete Proteinquellen sind Fisch, Tofu, Eier oder Milchprodukte.
Wählen Sie zudem ungesättigte Fettsäuren aus Olivenöl, Nüssen oder Avocados. Trinken Sie zudem mindestens 1.5 bis 2 Liter Wasser pro Tag.
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Muskeln aufbauen
Wer Muskeln aufbauen möchte, der sollte zwei- bis dreimal in der Woche trainieren und dazwischen jeweils einen Tag Pause zur Regeneration einlegen.
«Bei den einzelnen Trainings ist es weniger entscheidend, wie lange Sie trainieren – sondern wie viele Sätze und Wiederholungen Sie machen», sagt Sportprofessor Nigg. Untersuchungen haben gezeigt: Drei bis vier Sätze pro Übung mit jeweils 10 bis 15 Wiederholungen sind am effektivsten für den Muskelaufbau.
Wie lange das Training dauert, hängt davon ab, wie schnell jemand seine Übungen macht. «Hier ist es wichtig, dass Sie sich Zeit nehmen, um die Übungen richtig auszuführen», sagt Nigg. Wer die Übungen nicht sauber ausführt, kann sich verletzen und verfehlt sein Ziel.
Der Schlüssel zum Erfolg heisst zudem: Abwechslung. Trainieren Sie bei jedem Training unterschiedliche Muskelgruppen. Ein Beispiel: Fangen Sie an Tag 1 mit den Beinen an. Nach einem Tag Pause fahren Sie an Tag 2 mit dem Rumpf und Rücken fort. Am dritten Trainingstag in der Woche machen Sie Schultern und Arme.
Setzen Sie auch bei den Übungen auf Abwechslung: «Die Muskeln mögen es, immer wieder unterschiedlich trainiert zu werden», sagt Nigg. Denn wenn der Körper immer den identischen Reiz erhält – stets die gleiche Laufstrecke oder das gleiche Trainingsprogramm –, wird er nach einer anfänglichen Verbesserung im aktuellen Zustand verharren.
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Stress abbauen
Sport hilft erwiesenermassen gegen Stress. Hier sind besonders Aktivitäten im moderaten Bereich geeignet. Empfohlen werden wöchentlich etwa 150 Minuten, eingeteilt in drei bis fünf Einheiten.
Besonders geeignet: Tägliches Spazieren im Wald oder Bewegungsformen, die auch Atmung und Meditation beinhalten – wie Yoga, Qigong oder Tai-Chi.
Kann ich zu kurze Dauer mit erhöhter Intensität wettmachen?
Dem ist grundsätzlich so – das zeigen auch die Sportempfehlungen der WHO, die für intensives Training nur die Hälfte der Dauer in der Woche vorsehen als für moderate Trainingsformen.
Diese Empfehlungen basieren auf zahlreichen Studien, die zeigen, dass kurze, hochintensive Intervalleinheiten den gleichen Effekt haben wie längeres, moderates Training.
Ein Beispiel aus einer Studie der McMaster University in Ontario (Kanada): Die eine Versuchsgruppe trainierte jeweils 45 Minuten in moderatem Tempo. Die andere war nur 10 Minuten sportlich aktiv und wechselte dabei sehr langsame 2-Minuten-Einheiten mit 20-Sekunden-Sprints ab. Insgesamt dauerte die hochintensive Belastung nur eine Minute. Das Resultat: Bei beiden Gruppen verbesserte sich die Ausdauer um fast 20 Prozent.
Kein Wunder, sind High-Intensity-Interval-Trainings (HIIT) deshalb im Trend: Ein HIIT-Workout beinhaltet Ausdauer- und Kraftelemente, wobei die Übungen in kurzen, aber sehr intensiven Intervallen mehrmals wiederholt werden.
Wann ist das Sportpensum zu hoch?
«Grundsätzlich können Fortgeschrittene auch bis zu sechsmal die Woche trainieren», sagt Coimbra – solange ausreichend Zeit für Erholung bleibt. Wer seinem Körper zu viel zumutet, riskiert Verletzungen, fühlt sich erschlagen und müde und stagniert in seinem Trainingsstand.
Ausreichend Schlaf sowie eine ausgewogene Ernährung sind für den Trainingserfolg zentral. Ausserdem sollte das wöchentliche Sportpensum in den Alltag passen: «Wer bereits beruflich gestresst ist, dem empfehle ich nicht, viermal wöchentlich hochintensiv zu trainieren.»
Es ist alles eine Frage der Balance. «Man muss lernen, auf den eigenen Körper zu hören. Wenn ich erschöpft bin oder starken Muskelkater habe, ist ein Tag Pause angesagt oder zumindest eine geringere Belastungsintensität», rät Coimbra.
Trainingszeit: Was ist die beste Tageszeit für Sport?
Untersuchungen hätten gezeigt, dass der Effekt nach sportlicher Tätigkeit – egal zu welcher Uhrzeit – ähnlich sei, sagt Sportprofessor Nigg. «Basierend auf diesen Daten macht es keinen Unterschied, wann genau Sie am Tag trainieren.»
Der Sportwissenschaftler gibt jedoch zu bedenken, dass ein zu spätes Training am Abend den Schlaf stören kann. «Wir empfehlen, mindestens zwei Stunden vor dem Schlafengehen keinen Sport mehr zu treiben – ganz besonders keine intensiven Aktivitäten», sagt Nigg. Denn der Körper muss vor dem Schlaf zur Ruhe kommen.
Wann ist der richtige Zeitpunkt im Zyklus?
Wer sein Training richtig terminieren möchte, der sollte weniger auf die Uhrzeit, aber dafür auf die richtige Zeit im hormonellen Zyklus achten, sagen zahlreiche Expert:innen.
So wandle sich vor allem die Leistungsfähigkeit entlang des weiblichen Zyklus. Immer mehr Leistungssportlerinnen setzen auf ein zyklusbasiertes Training. Das bedeutet: Je nachdem, wie sich der Hormonhaushalt gerade zusammensetzt, wird härter, länger oder eben sanfter trainiert.
In der ersten Zyklushälfte, wenn der Spiegel des weiblichen Sexualhormons Östrogen hoch ist, können Frauen härter trainieren und Muskulatur aufbauen. Der weibliche Körper befindet sich dann im anabolen Zustand.
Tatsächlich sei die Datenlage in diesem Forschungsbereich noch recht dünn, sagt Sportprofessor Nigg. «Erste Studien an unserem Institut deuten darauf hin, dass Frauen über ihren ganzen Zyklus hinweg trainieren können – und dabei gute Resultate möglich sind.» Dennoch sei der Zyklus für jede Frau anders. Entsprechend sollten Frauen auf ihren eigenen Körper hören – und die Intensität des Trainings entlang ihres Befindens anpassen.
Aber auch bei Männern gibt es hormonelle Unterschiede. Bei ihnen ist der «Zyklus» nur einen Tag lang. Wobei der Spiegel des Sexualhormons Testosteron im Körper am Morgen am höchsten ist. Entsprechend argumentieren einige Forschende, dass Männer am Morgen trainieren sollten, um eine möglichst gute sportliche Leistung zu erzielen.
«Es macht durchaus Sinn, dass Männer wie auch Frauen ihr Training individuellen Schwankungen bezüglich Energielevel, Schlafqualität, Stressniveau und subjektivem Belastungsempfinden anpassen», sagt Nigg. Hierzu gibt es sogenannte autoregulierte Trainingsansätze, die laut Nigg besonders effizient sind. Sie passen die Trainingsintensität flexibel der Tagesform an.
Dafür gibt es zwei Vorgehensweisen: Entweder gestaltet sich das Training entlang des subjektiven Belastungsempfindens – also wie anstrengend sich das Training für die betroffene Person anfühlt. Oder es werden objektive Daten wie die Herzfrequenzvariabilität gemessen. Diese Daten geben Aufschluss darüber, wie gut der Körper erholt ist. «So lässt sich Überlastung vermeiden und das Training individueller gestalten», sagt Nigg.