Dossier: Stress und Entspannung

Insomnien ade – zurück zum guten Schlaf

Es gibt kaum etwas, das wir für selbstverständlicher halten, als zu schlafen – solange das funktioniert. Kommt es zu Schlafstörungen, wird aus einer Selbstverständlichkeit eine Seltenheit. Davon sind immer mehr Menschen betroffen. So lernen Sie, wieder besser zu schlafen.

Text: Laurina Waltersperger; Foto: iStock

Haben wir verlernt zu schlafen? Jein, sagt der Schlafexperte Björn Rasch, der an der Universität Freiburg zum Schlaf forscht. Einerseits, so Rasch, sind unsere Erwartungen an den Schlaf heute viel höher als früher, da das Bewusstsein in Bezug auf die Wichtigkeit des Schlafes viel verbreiteter ist und die Mentalität der ständigen Selbstoptimierung auch unseren Schlaf erfasst hat. Andererseits führen die meisten von uns heute aber ein Leben, das sehr eng getaktet ist, in dem wir uns wenig Raum für Pausen lassen, unsere Erwartungen an uns sehr hoch sind, die ständige Verfügbarkeit und Erreichbarkeit den Stress für uns erhöhen.

Das wirkt sich auf unsere Nachtruhe aus: In der Schweiz hat jede dritte Person Probleme beim Schlafen, wie das Bundesamt für Statistik schreibt. Genauer leiden etwa 7 Prozent der Bevölkerung an einer chronischen Schlafstörung – auch Insomnie genannt – und etwa 25 Prozent der Schweizer:innen haben gelegentliche Schlafschwierigkeiten. «Es ist völlig normal, dass die Schlafqualität im Laufe unseres Lebens schwankt», sagt Rasch. So schlafen wir schlechter, wenn wir Herausforderungen im Leben zu meistern haben, Einschnitte wie Verluste erleben oder gestresst sind.  

Ursachen von Schlafstörungen

Halten die Schlaflosigkeit oder die Durchschlafstörung an, sollten sich Betroffene jedoch rasch Hilfe holen. Denn bereits nach wenigen Wochen können Schlafprobleme chronisch werden. So spricht die Fachwelt bereits von einer chronischen Schlafstörung, wenn Betroffene während eines Monats mindestens dreimal die Woche starke Schwierigkeiten beim Schlafen haben, die sich auf die Leistung und Befindlichkeit am Tag auswirken.

Was können Betroffene also tun, wenn sie wiederholt nachts um 3 Uhr aufwachen und nicht mehr einschlafen können? «Bei Einschlafproblemen in der Nacht sollten sie erst einmal Ruhe bewahren», sagt Schlafforscher Björn Rasch. Denn: Die Wahrscheinlichkeit, in der Nacht aufzuwachen, sei bei allen Erwachsenen relativ hoch. «Zahlreiche Studien zeigen, dass die ersten drei bis vier Stunden unseres Schlafs besonders viele Momente des Tiefschlafs beinhalten und daher sehr erholsam sind. Die Tiefschlafphasen nehmen im Laufe der Nacht ab. Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass sie gegen 3 Uhr aufwachen, da ihr Schlaf bereits recht erholsam war.»

«Es ist völlig normal, dass die Schlafqualität im Laufe unseres Lebens schwankt.»
Björn Rasch, Schlafforscher und Professor für Psychologie an der Universität Freiburg

Und was dann? Rasch empfiehlt: «Tun Sie das, wozu Sie während des Tages keine Zeit finden – lesen Sie, oder machen Sie die Meditation, für die es tagsüber meist nicht gereicht hat.» Wer dazu die Gelassenheit nicht findet, kann es auch direkt mit Atemübungen oder einer App-begleiteten Meditation versuchen, um so wieder rasch in den Schlaf zu finden.

Hier gibt es ein breites Angebot wie etwa die App Calm, die Meditationen, Gutenachtgeschichten für Erwachsene, Atemübungen und Musik bietet, um den Geist zu beruhigen. Oder die Sanitas Coach App mit individuellem Schlaftagebuch und konkreten Handlungsempfehlungen, um die Schlafqualität zu verbessern. Falls es Ihnen nicht gelingt, zur Ruhe zu kommen, können Sie auch aufstehen und etwas ganz anderes machen, das Ihnen guttut – vielleicht sogar Yoga oder Sport.  

Aktives Training gegen unruhigen Schlaf und schlechte Schlafqualität

Das Schlaftraining geht auch tagsüber weiter. Das heisst, nach einer Nacht mit wenig Schlaf sollten wir am nächsten Abend versuchen, nicht früher, sondern später ins Bett zu gehen. «Das klingt natürlich erst mal paradox», sagt Rasch. Es sei zwar mühsam, sich müde durch den Tag zu schleppen, aber der Schlaf werde besser, wenn wir erst einmal weniger Zeit im Bett verbringen.

Haben wir uns von kurzfristigen Schlafproblemen wieder erholt, ist es ratsam, darauf zu achten, möglichst häufig etwa zur gleichen Uhrzeit ins Bett zu gehen. Das trainiert unseren inneren Rhythmus und hilft uns dadurch, gut zu schlafen. Aber auch hier gilt: «Fokussieren Sie sich nicht zu stark darauf, jeden Abend zur gleichen Zeit ins Bett zu gehen – gehen Sie auch mal zu einer Party mit Freunden und pflegen Sie soziale Beziehungen», sagt Rasch.

«Wenn Sie nicht schlafen können, tun Sie das, wozu Sie während des Tages keine Zeit gefunden haben.»
Björn Rasch, Schlafforscher und Professor für Psychologie an der Universität Freiburg

Darüber hinaus sollten wir uns auch bewusst werden, dass die Schlafqualität im Lauf unseres Lebens abnimmt: «Mit zunehmendem Alter schlafen wir schlechter. Das ist eine Tatsache, die in den meisten Fällen keine weiteren Folgen wie zum Beispiel eine Krankheit mit sich bringt», sagt Rasch. Auch hier rät der Experte zu Gelassenheit.

Häufig finden Betroffene in den frühen Morgenstunden dann wieder zurück in den Schlaf. «Gerade Menschen, die keiner geregelten Arbeit mehr nachgehen müssen, sollten sich auf diesen Schlafrhythmus einlassen und es sich erlauben, nach einer Schlafpause in der Nacht nochmals bis in den späten Morgen hinein zu schlafen», sagt der Schlafforscher.

Chronische Schlafstörungen – und ihre Folgen

Halten die Schlafschwierigkeiten an, sollten wir jedoch rasch handeln. «Wer mehr als zwei bis drei Wochen schlecht schläft, sollte seinen Schlaf dringend abklären lassen», sagt Rasch. Neben der Insomnie gibt es auch die Schlafapnoe. Sie ist körperlich bedingt und kommt neben der Insomnie am häufigsten vor.

Bei der Schlafapnoe setzt die Atmung während des Schlafens immer wieder aus. Das stört die Nachtruhe von Betroffenen nachhaltig. «Hier kann mit einer Atmungshilfe für die Nacht Abhilfe geschaffen werden», sagt Schlafexperte Rasch. Das Problem bei der Schlafapnoe ist aber, dass Betroffene in der Regel gar nicht merken, dass ihre Schlafschwierigkeiten auf Probleme mit der Atmung zurückzuführen sind. Umso wichtiger ist daher eine Schlafabklärung, wenn sich jemand über längere Zeit während des Tages müde fühlt und häufig zu ungewolltem Einschlafen neigt – etwa beim Warten an einer roten Ampel.

Abklärungen sind auch sinnvoll, um eine chronische Schlafstörung und ihre Folgen zu vermeiden. Denn unser Schlaf hat zahlreiche Funktionen, die mitverantwortlich sind, dass unser Körper gesund bleibt. Fangen wir beim Gehirn an: Wenn wir schlafen, arbeitet unsere Schaltzentrale weiter. Dann transportiert der Organismus Schadstoffe aus dem Gehirn ab, die Speicherfunktion des Gedächtnisses wird gestärkt – ebenso die kognitiven Fähigkeiten.

Zudem regenerieren sich alle Zellen unseres Körpers, unser Immunsystem wird gestärkt, unser Aufmerksamkeitspegel steigt, unsere Stimmung wird reguliert, unser Metabolismus gesteuert. Die meisten dieser Funktionen haben mit unserem Hormonhaushalt im Körper zu tun, der im Schlaf ebenfalls reguliert wird.

Schlaflosigkeit: Den «Quick Fix» gibt es nicht

Doch was können wir tun, wenn die Schlaflosigkeit weiter anhält? Bei Medikamenten sind Fachpersonen sehr zurückhaltend. Auch Björn Rasch rät von einem langfristigen Gebrauch ab. «In einer akuten Situation mit starken Schlafstörungen können sie sehr nützlich sein», sagt er. Jedoch würden sie noch immer leichtfertig und zu lang verschrieben und führten rasch zu einer Abhängigkeit bei Betroffenen. Das macht es einerseits schwierig, wieder von den Medikamenten loszukommen. Andererseits zeigen Studien, dass das Risiko von nächtlichen Stürzen bei älteren Personen höher ist, die Schlafmedikamente einnehmen.

«Die häufigsten Gründe für Schlafstörungen liegen in der Art und Weise, wie wir unser Leben führen.»
Björn Rasch, Schlafforscher und Professor für Psychologie an der Universität Freiburg

Ihr Schlaf – ein Spiegel Ihrer Psyche

Viel zielführender ist bei chronischen Schlafproblemen die Psychotherapie. Zahlreiche grosse klinische Studien haben dies gezeigt. Die Psychotherapie sei heute zum Standardverfahren bei der Behandlung von Insomnien geworden, weil sie nachhaltig Wirkung zeige, sagt Rasch. Sie greift, weil sie alle Aspekte, besonders die psychischen Belastungen, im Leben einer Person beleuchtet.

Denn: «Die häufigsten Gründe liegen in der Art und Weise, wie wir unser Leben führen», sagt Rasch. Wo setze ich mich selber zu stark unter Druck, welche Erwartungen versuche ich zu erfüllen, warum fühle ich mich überlastet, wieso muss ich in der Nacht über mein Leben grübeln? «Das sind Fragestellungen, die nicht nur reflektiert, sondern auch verarbeitet werden müssen, damit wir zu einem leichteren Leben und damit zu einem tieferen Schlaf finden», sagt Rasch.

Heutzutage suchen die meisten nach der raschen Lösung, wenn sie gesundheitliche Schwierigkeiten haben. Das zieht beim Schlaf nicht. «Unser Schlaf ist ein hochkomplexer Prozess. Schlafprobleme sind daher nicht mit einem ‹Quick Fix› zu lösen», so der Schlafexperte.

Über den Experten

Björn Rasch ist Professor am Departement für Psychologie der Universität Freiburg. Er leitet dort die Abteilung kognitive Biopsychologie und Methoden, zudem betreibt er Grundlagenforschung zum Schlaf. In seinem 2021 erschienenen Buch «Schlaf. Rasch erklärt» geht er umfassend auf Schlafprobleme und Schlafstörungen ein und erläutert, was Betroffene dagegen tun können.   

Teilen