Ohren richtig reinigen: So geht's
Was tun, wenn der Gehörgang verstopft ist oder das Hören plötzlich schlechter wird? Warum Wattestäbchen keine gute Idee sind und wann Sie besser zum Arzt sollten.

Ohrenschmalz hat einen schlechten Ruf – dabei erfüllt er eine wichtige Aufgabe. Der gelbliche bis bräunliche Film im Gehörgang, medizinisch Cerumen genannt, befeuchtet, schützt und reinigt das Ohr.
Er hält den Gehörgang geschmeidig, fängt Staubpartikel und Schmutz ab und wirkt sogar antibakteriell. Dass viele Menschen dennoch glauben, ihn regelmässig entfernen zu müssen, hat mehr mit kulturellen Gewohnheiten als mit medizinischer Notwendigkeit zu tun.
«Die Produktion von Ohrenschmalz ist eine ganz natürliche, individuell sehr unterschiedliche Körperfunktion», erklärt Prof. Dr. med. Marcus Maassen, HNO-Spezialist aus Luzern. Einer von rund 20 Erwachsenen ist von einer übermässigen Cerumenbildung betroffen. Was zu einem verstopften Gehörgang führen kann. Zu wenig Produktion hingegen kann Symptome wie Trockenheit und Juckreiz fördern.
Wie oft sollte man die Ohren reinigen?
In den meisten Fällen lautet die medizinisch korrekte Antwort: gar nicht. Das Ohr ist ein selbstreinigendes System.
Nur wenn etwa folgende Symptome auftreten, sollte man eine fachärztliche Kontrolle in Betracht ziehen:
- plötzliche einseitige Hörminderung
- Juckreiz oder Druckgefühl
- Gefühl von Verschlossenheit im Ohr
- Schmerzen oder vermehrte Cerumenproduktion
«Gerade nach Badeferien oder Flugreisen führen wir sehr häufig Behandlungen durch, um verkeiltes Cerumen zu entfernen», so Maassen. «Wenn Wasser ins Ohr eindringt und auf bereits vorhandenes Ohrenschmalz trifft, kann sich dieses verflüssigen und den Gehörgang komplett verschliessen – eine zähe, fast honigartige Masse, die sich direkt vor dem Trommelfell staut.»
Die Folge: eine plötzliche Hörminderung, die in der HNO-Praxis regelmässig vorkommt und unkompliziert behandelt werden kann.
Ohrenschmalz entfernen: So geht's richtig
Es gibt drei Behandlungsmöglichkeiten zur Entfernung von Ohrenschmalz:
- Spülung des Gehörgangs mit warmem Wasser: Allerdings hat man keine Kontrolle, falls ein Trommelfelldefekt vorliegen sollte.
- Cerumenolytische Mittel: Wasser, Salzwasserlösungen oder alkoholische Lösungen können das Cerumen aufweichen. Dadurch kann das Cerumen ausgespült werden.
- Manuelle Entfernung: Ohrküretten, Sonden oder Haken, idealerweise in Kombination mit Mikrozängelchen und Mikrosaugern können das Ohrenschmalz entfernen. Durch die Verwendung eines Ohrmikroskops kann der Facharzt zur erhöhten Sicherheit beitragen.
Ohrentropfen statt Spülung
Bei leichten Verstopfungen helfen sogenannte Cerumenolytika – Ohrentropfen auf Öl- oder Glycerinbasis, die das Cerumen aufweichen. Maassen empfiehlt:
- Tropfen einträufeln, den Kopf zur Seite neigen,
- 5 Minuten einwirken lassen,
- Vorgang über 2–3 Tage wiederholen.
Wenn die Beschwerden nach einer Woche nicht verschwinden, ist der nächste Schritt der Gang zur HNO-Praxis.
Spülungen zu Hause, etwa mit Ohrenduschen, sind nicht empfohlen, da sie bei nicht erkennbaren Trommelfellverletzungen oder festem Cerumenpfropf zu Komplikationen führen können.
Ohrenpfropf: Wann ist ärztliche Hilfe nötig?
Ein echter Ohrenschmalzpfropf, besonders der sogenannte Cerumen obturans, ist nicht durch Hausmittel entfernbar. «Diese Pfropfen sitzen oft tief, sind verkeilt und lassen sich nur unter mikroskopischer Kontrolle entfernen – durch Absaugen oder mithilfe spezieller Mikrozangen», sagt Maassen.
Eigenversuche, etwa mit Stricknadeln, Haarnadeln oder selbstgebauten Werkzeugen, sind gefährlich und fahrlässig. «Wer das Trommelfell durchsticht oder gar das Innenohr verletzt, riskiert bleibende Hörschäden.»
Finger weg von Wattestäbchen
Trotz jahrzehntelanger Warnungen gehört das Wattestäbchen für viele noch immer zur Körperpflege. Doch gerade bei der Ohrreinigung richtet es oft mehr Schaden als Nutzen an.
«Was viele nicht wissen: Mit dem Wattestäbchen wird das Cerumen nicht entfernt – sondern oft noch tiefer hineingeschoben», betont Maassen. Dadurch verstopft der Gehörgang nicht nur schneller, sondern das Risiko für eine Entzündung des Gehörgangs steigt deutlich.
«Man kann das vergleichen mit einem Schneepflug, der den Schnee vor sich herschiebt – mit dem Unterschied, dass dieser Pfropf dann manchmal direkt vor dem Trommelfell sitzt», so Maassen.
Die Folge: Entzündungen, Reizungen und im schlimmsten Fall sogar Verletzungen. Deshalb ist es umso wichtiger, Vorsicht walten zu lassen und im Zweifelsfall ärztliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
Was, wenn ich trotz Reinigung schlecht höre?
Wenn nach erfolgreicher Reinigung weiter eine Hörminderung besteht – insbesondere, wenn sie plötzlich und einseitig auftritt –, kann das auf einen Hörsturz oder eine andere medizinische Ursache hindeuten. Hier zählt Zeit: Wer innerhalb von 48 Stunden ärztliche Hilfe sucht, hat die besten Chancen auf vollständige Erholung. Auch Schwerhörigkeit, Tinnitus oder chronische Mittelohrentzündungen können infrage kommen.
Hausmittel gegen ein verstopftes Ohr – was hilft wirklich?
Viele schwören auf altbewährte Hausmittel – aber nicht alle davon sind sinnvoll.
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Olivenöl
Ein paar Tropfen lauwarmes Olivenöl können helfen, hartes Cerumen zu erweichen. Die Anwendung sollte nicht häufiger als 1–2x pro Woche erfolgen und über einen begrenzten Zeitraum von 7 Tagen.
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Salzwasser
Salzhaltige Lösungen können austrocknend wirken und den Gehörgang reizen – vor allem bei Menschen mit ohnehin empfindlicher Haut. Bei häufiger Anwendung können sie sogar Ekzeme begünstigen.
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Dampfinhalationen
Davon rät Maassen ausdrücklich ab: «Dampf kann nicht nur den Gehörgang reizen, sondern auch zu Schwindel oder Kreislaufproblemen führen. Gerade empfindliche Menschen reagieren darauf sehr sensibel.»
Ohren reinigen bei Kindern und Babys
Bei Kindern gelten besondere Vorsichtsmassnahmen. Der Gehörgang ist enger, empfindlicher – und Fremdkörper kommen häufiger vor. «Wenn ein Kind sich z. B. beim Spielen eine Perle oder ein Stück Spielzeug ins Ohr steckt, sollte keinesfalls selbst eingegriffen werden», betont Maassen. Jegliche Manipulation erhöht die Schwellung, sodass der Fremdkörper später nur noch unter Narkose entfernt werden kann.
Auch Ohrenschmalzverstopfungen sind bei Kindern selten. Nur bei Beschwerden oder Verdacht auf Hörminderung sollte ein Facharzt beurteilen, ob eine Reinigung nötig ist. In den allermeisten Fällen reicht eine sichtkontrollierte Reinigung beim Spezialisten aus.
Fazit: Weniger ist mehr – und Vorsicht ist besser als Wattestäbchen
Unsere Ohren sind erstaunlich selbstregulierende Organe. Sie reinigen sich eigenständig – vorausgesetzt, wir lassen sie. Wattestäbchen, eigenständige Spülungen oder mechanische Eingriffe richten oft mehr Schaden als Nutzen an. «Wenn Sie das Gefühl haben, dass etwas nicht stimmt, dann schauen Sie nicht selbst nach – lassen Sie lieber den Spezialisten mit dem Mikroskop nachsehen», rät Prof. Dr. Maassen.