Alkoholpausen: Wellness für die Gesundheit

Im Rahmen des «Dry January» verzichten jährlich Millionen einen Monat lang auf Alkohol. Was bringen solche abstinenten Phasen dem Körper wirklich?

Text: Robert Wildi; Foto: Unsplash

Der «Trink-Ramadan» ist vorüber. Die Kampagne «Dry January» wurde 2013 in Grossbritannien lanciert. Dem Aufruf zu einem alkoholfreien Start ins neue Jahr folgten anfänglich ein paar Tausend Briten, heute verzichten bereits über vier Millionen freiwillig einen Monat lang auf Alkohol. Frankreich ist dem Beispiel gefolgt – und jetzt auch ganz offiziell die Schweiz: Rund 4000 Teilnehmende haben sich 2021 über die Website www.dryjanuary.ch registriert. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) tritt beim «Dry January CH» als Hauptsponsor auf. Eine Investition mit Kalkül: Laut einer vom BAG in Auftrag gegebenen Studie verursacht Alkoholmissbrauch in der Schweiz jährliche Kosten von 2,8 Milliarden Franken.

Doch macht es Sinn, kurzzeitig auf Alkohol zu verzichten? Und was passiert dabei im Körper von Gelegenheits- oder regelmässigen Trinkerinnen und Trinkern? Eine Recherche bei der Forel Klinik, der führenden Schweizer Klinik in der Behandlung von Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit:

Bessere Schlafqualität und höhere Leistungsfähigkeit

Oft verbessert sich der Schlaf bereits nach etwa zwei Wochen ohne Alkohol. Er wird tiefer und erholsamer. Zudem fühlen sich Abstinente weniger gestresst und entsprechend leistungsfähiger.

Sinkender Blutdruck und frischere Haut

Nach rund vier Wochen totaler Alkoholabstinenz zeigt sich ein blutdrucksenkender Effekt und das Hautbild verbessert sich: Die Haut wirkt frischer und der Wasserhaushalt sowohl des Unterhautfettgewebes wie auch der Haut selbst normalisiert sich.

Blut- und Leberwerte normalisieren sich

Nach etwa vier bis sechs Wochen pendeln sich die Blutwerte wieder ein, insbesondere die Leberwerte. Dies ist ein wichtiges Indiz dafür, dass sich die Leber erholt. Auch Magenschleimhautreizungen oder -entzündungen (Gastritis) können sich bessern, da als Folge der Alkoholabstinenz weniger Magensäure produziert wird.

Steigerung der emotionalen Stabilität und der Libido

Nach etwa drei Monaten zeigt sich eine deutliche geistige Leistungs- sowie Antriebs- und Motivationssteigerung. Denken und Agieren werden klarer. Allgemein kehrt die oft verloren gegangene Freude wieder zurück ins Leben. Auch Potenz und Libido nehmen zu. Insgesamt verbessern sich das Körpergefühl, die emotionale Stabilität und die Stressresilienz. Und oft purzeln auch die ersten Pfunde.

Natürlich seien die Ausprägung und die Wahrnehmung all dieser Effekte individuell unterschiedlich, sagt Ralf Pelkowski, Medizinischer Direktor der Forel Klinik. «Dies hängt wesentlich damit zusammen, wie die Trinkgewohnheiten davor waren.» Die tägliche Alkoholmenge spiele eine Rolle, ebenso der Zeitraum, über den täglich Alkohol konsumiert worden sei.

Mit Sicherheit kann Pelkowski sagen, dass sich ein Alkoholverzicht über die Dauer eines Monats hinaus je länger, je positiver auf Körper und Gesundheit auswirkt. «Neben der gesteigerten geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit, der positiven Wirkung auf das Immunsystem und insbesondere die Leber reduziert sich mit dem kompletten Verzicht auf Alkohol das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Krebs.» Ein Zusammenhang mit Alkohol sei speziell bei Tumoren in Mundhöhle und Rachen, Kehlkopf, Speiseröhre, Leber, Dickdarm, Enddarm sowie in der weiblichen Brust nachgewiesen.

Nachgefragt

Täglicher Konsum als Vorstufe zur Sucht

 

Ralf Pelkowski, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Leitung Stationäre Versorgung und Medizinischer Direktor der Forel Klinik:

Macht es Sinn, einen «Dry January» einzulegen und danach wieder Alkohol zu trinken wie gewohnt?

Für die Zeit der Abstinenz macht es auf jeden Fall Sinn, weil man von den genannten Effekten profitiert. Kehrt man nach dem «Dry January» aber zu den alten Trinkgewohnheiten und -mengen zurück, stellen sich die negativen Auswirkungen innert Wochen bis Monate wieder ein. Besser wäre es, die abstinente Phase zu nutzen, um das eigene Trinkverhalten und alte Gewohnheiten generell zu überdenken.

Welche sinnvollen Anpassungen empfehlen Sie?

Menschen, die täglich Alkohol konsumieren, rate ich, zumindest an einem oder zwei Tagen pro Woche ganz zu verzichten. Längere alkoholfreie Phasen von einer Woche oder mehr sind sehr sinnvoll.

Woran erkennt man, dass man mehr trinkt, als einem guttut?

Auch hier helfen regelmässige Auszeiten. Wer zum Beispiel an alkoholfreien Tagen immer wieder ans Feierabendbier denkt und dieses stark vermisst, sollte dies als Zeichen verstehen, den eigenen Konsum ernst zu nehmen und sich gegebenenfalls professionelle Beratung oder Hilfe zu holen. Ein starkes Bedürfnis nach täglichem Alkoholgenuss, selbst in kleinen Mengen, sowie besorgte Hinweise und Fragen der Angehörigen und Freunde zeigen bereits problematisches Trinkverhalten auf und sind oft Anzeichen für eine beginnende Suchterkrankung.

Über die Forel Klinik

Die Forel Klinik ist die schweizweit älteste und grösste auf die Behandlung von Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit spezialisierte Klinik. Als Schrittmacherin für nachhaltige suchtmedizinische Behandlungen ist sie erste Anlaufstelle für Betroffene, Fachpersonen, Ärztinnen und Ärzte, Unternehmen und Behörden. Mithilfe eines breiten Angebots sollen Betroffenen eine zügige Beurteilung des eigenen Zustandes und ein schneller Zugang zu professioneller Behandlung ermöglicht werden.

Die Stiftung Sanitas

Die Stiftung Sanitas Krankenversicherung hat es sich zum Ziel gemacht, die Gesundheit der Menschen in der Schweiz zu fördern. Dafür unterstützt sie ausgewählte Angebote im Bereich Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention, die gemeinnützig sind und allen offenstehen – darunter auch das staatslabor, ein gemeinnütziger Verein für soziale Innovation, der durch die Bewegung Mindful Drinking Switzerland (MINDS) den achtsamen Umgang mit Alkohol fördert.

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