10 Mythen rund um die Wechseljahre
Das Klimakterium betrifft jede Frau irgendwann. Trotzdem sind die Wechseljahre mit vielen Tabus und Mythen behaftet – mit 10 von ihnen räumen wir für Sie auf.
Was passiert mit mir? Frauen sind während der Wechseljahre stark gefordert: Die Phase der Fruchtbarkeit geht zu Ende, der Körper verändert sich. Vielleicht hat sich der Familienwunsch nicht erfüllt oder die Kinder sind inzwischen flügge geworden und die Partnerschaft wird neu erlebt.
Ursache der Wechseljahrsbeschwerden
Die Ursache der körperlichen Wechseljahrsbeschwerden ist der Östrogenmangel. Die Eierstöcke, die zwischen dem 25. und 35. Lebensjahr besonders aktiv sind, fahren bereits vor der eigentlichen Menopause ihre Funktion sukzessive herunter – die Anzahl der Eier nimmt ab, der Eisprung findet immer seltener statt. Die Eierstöcke bilden weniger Östrogen und Progesteron, die beiden wichtigsten weiblichen Geschlechtshormone.
Wann fängt die Menopause an?
Die letzte Periodenblutung wird als Menopause bezeichnet. Sie tritt meist im Alter von 45 bis 55 Jahren ein, im Schnitt haben Frauen mit 51 Jahren ihre letzte Menstruation.
Total normal? Wechseljahre als Wendepunkt
Eins ist sicher: Die Zeit der Wechseljahre ist ein Wendepunkt im Leben jeder Frau – und wird viel zu oft tabuisiert. Zweifel, Ängste und Beschwerden werden verheimlicht und alleine durchgestanden: «Unglaublich viele Frauen beissen die Zähne zusammen. Viele versuchen, Symptome wie Ängste, Reizbarkeit, Vergesslichkeit oder auch schlechten Schlaf zu vertuschen», stellt Petra Stute, Leitende Ärztin der Frauenklinik Maternité am Universitätsspital Bern, fest. Die Maternité ist das führende Kompetenzzentrum für die Abklärung von Beschwerden während der Wechseljahre. «Ich frage mich oft: Wieso tun sich Frauen das an? Einige Patientinnen schlafen monatelang nicht mehr richtig. Das muss nicht sein, man kann gegen fast alle Beschwerden etwas tun.»
Der erste und vielleicht schwierigste Schritt: sich einzugestehen bzw. zu erkennen, dass die Wechseljahre die Ursache der Veränderungen sind. Ein Blick auf die gängigsten Vorurteile rund um das Klimakterium mit Erklärungen von Frau Prof. Stute:
Mythos 1: Schwitzen gehört zu den Wechseljahren dazu
«Jein. Es gibt Frauen, die frieren in der Zeit der Abänderung eher. Auch das kann also zu den Symptomen zählen. Aber tatsächlich leiden zwei Drittel der Frauen unter Hitzewallungen und Schweissausbrüchen – ein Drittel der Frauen so schwer, dass sie zum Arzt gehen müssen und dort oftmals eine Hormontherapie verschrieben bekommen.
Patientinnen mit leichteren Symptomen können alternative Therapieansätze ausprobieren. Pflanzliche Mittel aus Traubensilberkerze, Rhabarber, Salbei, Soja oder Rotklee können Hitzewallungen und Schweissausbrüche beispielsweise um rund 30 Prozent reduzieren. Auch Akupunktur soll die Symptome um 30 bis 40 Prozent lindern helfen.
In wenigen Fällen werden Antidepressiva oder Antiepileptika verschrieben, wenn keine Hormone eingesetzt werden dürfen und man mit pflanzlicher Medizin nicht weit genug kommt. Zu bekämpfen sind Faktoren, die Hitzewallungen begünstigen, etwa Übergewicht, Fettleibigkeit und das Rauchen. Auch die familiäre Komponente spielt eine Rolle. Es lohnt sich, die Mutter zu fragen, wie sie diese Zeit erlebt hat.»
Mythos 2: Alle Frauen in den Wechseljahren leiden unter Stimmungsschwankungen
«Gott sei Dank nicht! Die Wahrscheinlichkeit, an einer Depression zu erkranken, ist in der menopausalen Transition – also in der Übergangsphase ab Ende 30 oder Anfang 40 bis zur Menopause mit circa 51 Jahren – aber erhöht. Genauer: zweieinhalbmal so hoch im Vergleich zu jüngeren Frauen.
Generell sind Frauen in hormonellen Auf-und-ab-Phasen besonders anfällig – nicht nur während der Wechseljahre, sondern auch bei Hormonveränderungen nach der Geburt, die manchmal zu Wochenbettdepressionen führen oder während des Zyklus einfach ein Teil des prämenstruellen Syndroms sind. Die gute Nachricht für Frauen in den Wechseljahren: Wenn sie diese Phasen überstanden haben, sinkt das Risiko für eine Depression wieder.
Auf pflanzlicher Basis kann Johanniskraut helfen. Klassiker hierzulande sind zudem Antidepressiva und die Psychotherapie. Aber auch die Hormonersatztherapie wird teilweise eingesetzt.»
Mythos 3: Alle Frauen nehmen ab der Menopause zu
«Das ist leider oft so. Unter dem Strich nehmen Frauen ein halbes Kilo pro Jahr zu. Allerdings nicht schön stetig, so dass man sich daran „gewöhnen“ könnte. Die meisten erleben sprunghafte Gewichtszunahmen innerhalb weniger Monate von fünf bis sechs Kilogramm. Der Grund: Der Stoffwechsel und der Hormonhaushalt verändern sich, gleichzeitig passen Frauen ihre Essgewohnheiten und die sportlichen Aktivitäten kaum an.
Zudem macht es Sinn, einen Blick auf versteckte Dickmacher wie Alkohol zu werfen. Aber plötzlich weniger Kalorien zu sich zu nehmen, seine liebgewonnenen Gewohnheiten zu ändern und sich mehr zu bewegen fällt natürlich unendlich schwer. Umso mehr, wenn sich gleichzeitig Symptome wie Gelenkschmerzen oder depressive Verstimmungen bemerkbar machen.
Oft ist die Sorge gross, dass das endlos so weitergehen wird und das Gewicht völlig aus dem Ruder laufen wird. Dem ist aber nicht so! Irgendwann pendelt sich das wieder ein. Dennoch sollte man Gegensteuer geben: Ein zu hohes Gewicht ist ein Risikofaktor für Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Demenz – besonders ab dem Zeitpunkt, an dem die schützenden Östrogene wegfallen.»
Mythos 4: Frauen verlieren in den Wechseljahren die Lust auf Sex
«Die Wechseljahre sind nicht automatisch mit einem Rückgang der sexuellen Aktivität verbunden. Da kommen viele Einflussfaktoren wie die Qualität der Partnerschaft oder das Stresslevel zusammen. Aber auch die Frage, wie frau zum Älterwerden steht.
Ein störendes körperliches Symptom kann Scheidentrockenheit sein. Sie lässt sich zum Glück aber sehr leicht mit hormonhaltigen Salben oder Zäpfchen behandeln. Manche Frauen empfinden diese Zeit übrigens auch als Befreiung: Schliesslich fällt die Regelblutung weg, und die familiäre Belastung fällt ab. Das kann sich positiv aufs Liebesleben auswirken.»
Mythos 5: Die Frauen «vermännlichen» zunehmend
«Durch den Wegfall der Östrogene haben die männlichen Hormone quasi relativ gewonnen. Zwar nehmen auch sie im Alter ab, der Spiegel der weiblichen Hormone sinkt aber stärker. Darum wird das Kopfhaar meist dünner und spärlicher. Viele Frauen haben zudem das Gefühl, dass ihre Haare vermehrt ausfallen und nicht mehr so lang würden. Gleichzeitig wachsen im Gesicht eher mehr Haare.
Es ist aber nicht so, dass nun überall am Körper Haare spriessen wie bei einem Mann. Auch die Stimme der Frau verändert sich leicht. Allerdings ist diese Veränderung im Alltag kaum wahrnehmbar. Nur professionelle Sängerinnen dürften den Unterschied bemerken.
Mythos 6: Der Alterungsprozess nimmt jetzt Fahrt auf
«Dieser Mythos hat einen wahren Kern. Wenn die Frau keine Hormone einnimmt, altert sie tatsächlich etwas schneller. Östrogene schützen vor vielen Alterungseffekten, was Haut und Haare, die Blutgefässe und Knochen angeht. Manche Frauen entdecken im Spiegel nun mehr Falten oder leiden unter Gelenkschmerzen und -schwellungen oder Rückenschmerzen als Folgen der Alterung. Einige haben das Gefühl, dass ihnen plötzlich alles weh tue.»
Mythos 7: Das Risiko einer Hormonersatztherapie ist grösser als der Nutzen
«Die Angst der Patientinnen ist real. Es lohnt sich aber wirklich, sich von der Gynäkologin beraten zu lassen. Die Therapie wird bei stärkeren Symptomen der Wechseljahre wie Hitzewallungen, psychische Veränderungen, Schlafstörungen und zur Osteoporoseprävention eingesetzt. Ich schätze, dass in der Schweiz etwa jede 15. Frau mit Hormonen behandelt wird.
Die Hormonersatztherapie hat viele Vorteile: Sie reduziert nicht nur die Symptome der Wechseljahre, sondern senkt auch das Risiko für Osteoporose, Demenz, Herzinfarkt, Diabetes und Darmkrebs. Zudem profitieren Haut und Haare, die Figur und das Gewicht. Wenn man die Östrogene nicht oral einnimmt, sondern über die Haut zuführt, ist das Risiko für Thrombose und Schlaganfall nicht erhöht.
Was aber stimmt, ist, dass das Brustkrebsrisiko nach fünfeinhalb Jahren Kombinationstherapie mit Östrogenen und Gelbkörperhormon erhöht ist. Das heisst im Detail: Ohne Hormone erhalten ca. 14 von 1000 Frauen zwischen 50 und 59 Jahren innerhalb von fünf Jahren die Diagnose Brustkrebs. Unter einer fünfeinhalbjährigen Kombinationstherapie steigt die Zahl auf ca. 18 von 1000 Frauen in der gleichen Altersgruppe an. Drei bis vier Frauen erhalten innerhalb dieses Zeitraums also zusätzlich die Diagnose Brustkrebs.
Pflanzliche Präparate haben den Nachteil, dass sie symptomorientiert wirken. Das heisst: Man kann eine Pflanze wie Johanniskraut für das psychische Wohlbefinden einnehmen, Baldriantropfen gegen Schlafstörungen, Traubensilberkerze, Soja oder Rotklee, um die Hitzewallungen in den Griff zu bekommen. Aber man hat hier keinen Schutz gegen Östrogenmangel-Langzeitfolgen für Knochen, Herz und Gehirn. Wichtig zu wissen ist, dass man sich nicht für ein Lager entscheiden muss. Man kann auch zwischen den Therapieformen wechseln oder sie kombinieren – und zwar ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen.»
Mythos 8: Die Pille kann einfach weitergenommen werden
«Jein. In der kombinierten Pille ist zwar künstliches Östrogen enthalten, was gegen Klimakteriumsbeschwerden hilft. Allerdings ist die klassische Verhütungspille mit einem höheren Schlaganfall-, Thrombose- und Herzinfarktrisiko verbunden als die Hormonersatztherapie. Deswegen wird nur gesunden Frauen empfohlen, ihre gewohnte kombinierte Pille bis zum Alter von 50 Jahren weiter einzunehmen. Spätestens dann sollte unbedingt gewechselt werden.»
Mythos 9: Nach zwei Jahren sind die Wechseljahre vorbei
«Das ist sehr individuell. Leider kann man nicht vorhersagen, wie lange die Beschwerden anhalten werden. Aber: Bei allen Frauen hören Hitzewallungen und hormonbedingte Stimmungsveränderungen wieder auf. Veränderungen im Genitalbereich wie die Scheidentrockenheit werden allerdings nicht von alleine besser. Wenn man diesbezüglich störende Symptome hat, muss man diese dauerhaft behandeln.»
Mythos 10: Ab den Wechseljahren geht es in vielen Bereichen bergab
«Das stimmt nicht generell. Es ist richtig, dass die hormonelle Umstellung eine Herausforderung für die meisten Frauen darstellt. Aber sie kann auch ein Gewinn sein: Durch die hormonell erzwungene Standortbestimmung fokussieren viele Frauen nach Jahren erstmals wieder auf sich und ihre Bedürfnisse, räumen auf in ihren Beziehungen, sortieren krankmachende Einflüsse rigoroser aus, stehen mehr zu sich selbst und fordern mehr von der Umgebung ein.
Das mag zwar für viele Mitmenschen erstmal irritierend und anstrengend sein, tut der einzelnen Frau aber gut! Und ausserdem: Altern findet auf mehreren Ebenen statt, es ist nicht nur eine Frage der hormonproduzierenden Eierstöcke. So sind wir als Frauen in diesem Alter oftmals erst auf dem Weg zum oder auf dem Höhepunkt unserer emotional-sozialen Kompetenz angekommen.»