Toxische Freunde: So reagieren Sie richtig

Natürlich, Streit gibt es in der besten Freundschaft. Was aber, wenn man nach dem Telefonat mit einer Freundin regelmässig einfach nur erschöpft oder deprimiert ist? Der Freundschaftsforscher Wolfgang Krüger erklärt, woran man toxische Freundschaften erkennt und wann es Zeit ist, einen Schlussstrich zu ziehen.

Text: Miriam Suter; Foto: iStock

Krisen sind menschlich und normal – sogar in den besten Freundschaften. Die Frage ist aber, wie man damit umgeht. Für eine gesunde Streitkultur ist es wichtig, auch das Positive in der Freundschaft zu erwähnen, so Krüger. «Sagen Sie zum Beispiel: ‹Liebe Karin, ich geniesse die Zeit mit dir und finde dich wunderbar, aber dass du immer eine halbe Stunde zu spät kommst, bringt mich auf die Palme!›» Und am Ende des Gesprächs kann man sich dann fragen, wie man in Zukunft damit umgehen will.

Hat der letzte Streit die Freundschaft so stark durchgeschüttelt, dass sie nachhaltige Schäden davonträgt, könnte es an der Zeit sein, die Beziehung zu überdenken. Spätestens dann, wenn Sie die Person nicht mehr zum Geburtstag einladen oder das Telefon nicht abnehmen mögen, wenn sie anruft.

Schwierige Phasen gebe es in jeder Freundschaft, meint Krüger. Aber: «Wenn es Ihnen nach dem Gespräch mit einer Person schlechter geht als vorher, hat die Freundschaft keine Zukunft mehr.» Auch wenn Freundinnen und Freunde uns konstant nur kritisieren oder ausnutzen, sollten wir die Freundschaft überdenken und gegebenenfalls beenden.

Zeit, Schluss zu machen?

Nehmen wir also an, Sie hätten alles versucht: das Gespräch mit der Freundin oder dem Freund gesucht, sich ausgesprochen und sich danach auch ausreichend Zeit zur Selbstreflexion genommen. Aber trotzdem merken Sie: Irgendwie passt das nicht mehr für mich. Was also tun? Einerseits gibt es die Möglichkeit eines «stillen Endes», so Krüger. Hier meldet man sich einfach immer weniger bei der Person, bis der Kontakt verkümmert «wie eine Pflanze, die man einfach nicht mehr giesst». Das ist aber nicht unbedingt die respektvollste, eleganteste Lösung und eignet sich selbstverständlich nicht für jede Art von Freundschaft.

Die zweite Möglichkeit: Man konfrontiert die Freundin oder den Freund und erklärt, weshalb man die Freundschaft nicht mehr weiterführen mag: «Das kann entweder im persönlichen Gespräch oder schriftlich geschehen», erklärt Krüger. Wichtig ist, dass man konkret kommuniziert, aus welchen Gründen man die Freundschaft beenden möchte – nicht nur aus Respekt vor dem Gegenüber, denn es geht hier auch ums eigene Seelenheil.

Mit einer Freundin oder einem Freund Schluss zu machen, kann schmerzhaft sein, vielleicht wird dabei auch das Ego angekratzt. Krüger empfiehlt darum, sich unbedingt ehrlich zu fragen, wie sehr man selbst noch an der Freundschaft hängt: «Oft merkt man ja bereits vorher, dass etwas nicht mehr wirklich stimmt.» In den meisten Fällen stimme diese innere Bilanz durchaus mit der Entscheidung überein, eine Freundschaft zu beenden, so der Freundschaftsforscher.

Anzeichen für toxische Freundschaften

Und dann gibt es Freundschaften, die von Anfang an nicht gesund, sondern toxisch – also vergiftet – sind. Vielleicht kritisiert Sie die Freundin ständig, Ihr Freund nutzt Sie für Geschäftskontakte aus oder jemand weiss ständig alles besser, ohne an einer wirklichen Diskussion mit Ihnen interessiert zu sein. Vielleicht projiziert jemand seine eigenen Unsicherheiten auf Sie oder ist schlichtweg nicht kritikfähig und kommandiert Sie herum. Solche Freundschaften sind keine nährenden Beziehungen. Sie müssen also kein schlechtes Gewissen haben, wenn Sie derartige Bindungen kappen. 

Massnahmen gegen toxische Freundschaften

Es gibt allerdings Tricks, wie man gar nicht erst in solche toxischen Freundschaften hineinschlittert: zum Beispiel indem man das eigene Selbstbewusstsein stärkt. «Das ist der beste Schutz vor toxischen Beziehungen», sagt Krüger. Er rät, sich mindestens einmal pro Woche zu sagen, wie grossartig man ist. Allenfalls helfen auch Meditation, Therapie oder Tagebuchschreiben. Oder aber die Arbeit mit dem inneren Kind – das Erkennen antrainierter Vorstellungen oder negativer Glaubenssätze beispielsweise.

Dadurch entwickeln Sie mehr Selbstachtung und Selbstwertschätzung und können sich viel einfacher aus vergifteten Freundschaften befreien. Man beendet sie genau gleich wie andere Beziehungen: indem man den Entscheid explizit begründet und mitteilt, was einen ärgert. «Das ist notwendig, wenn der andere durch Kritik und Entwertung unsere Selbstachtung angeschlagen hat», erklärt Krüger.

Ehrlich mit sich selbst sein

Eine grosse Herausforderung ist allerdings, bei sich selbst toxische Wesenszüge zu erkennen und sich zu fragen, inwiefern sie Freundschaften beeinflussen. «Meist erkennen wir unser eigenes Fehlverhalten, weil sich Freundinnen und Freunde zurückziehen oder sich beschweren. Und wir begreifen so hoffentlich, dass wir sie schlecht behandelt haben», so Krüger. Hier kann ein klärendes Gespräch helfen, zu erkennen, dass man immer wieder in ein bestimmtes Muster fällt.

Und auch hier kann das innere Kind eine Rolle spielen: «So gut wie immer sind solche Muster eine Fortsetzung von Kindheitsmustern, die wir nun infrage stellen müssen», erklärt Krüger. Ein toxisches Verhalten in Freundschaften zu überwinden kann allerdings so schwierig und tiefgehend sein, dass Krüger dazu rät, eine Psychotherapie in Betracht zu ziehen.

Zur Person

Dr. Wolfgang Krüger ist Autor von «Freundschaft: beginnen – verbessern – gestalten» (BoD – Books on Demand, 2020) und arbeitet seit über 40 Jahren als tiefenpsychologischer Psychotherapeut.

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