Bewegung – es lohnt sich immer!

Keine Zeit, keine Lust: Bewegungsmuffel haben zahlreiche Ausreden, wenn’s darum geht, sich zu bewegen. Präventionsexperte Milo Puhan, Professor für Epidemiologie und Public Health an der Universität Zürich, gibt alles, um unseren Bewegungsmuffel dazu zu bringen, aktiver zu werden.

Bewegungsmuffel: Auch ohne Sport und körperliche Bewegung bin ich abends völlig geschafft. Mir reicht der Spagat zwischen Beruf und Familie vollauf. Wozu soll ich mir zusätzlichen Stress aufhalsen?

Sportliche Betätigung muss überhaupt kein Stress sein. Und es ist auch keiner, wenn Sie den Sport in Ihren Alltag einbauen und – noch besser – gemeinsam mit anderen Leuten treiben. Dann ist es kein Müssen, sondern es wird Ihnen Freude bereiten.

Noch mehr Termine! Meine Agenda platzt jetzt schon aus allen Nähten!

Wenn Sie keine zusätzlichen Termine reservieren wollen, sollten sie zumindest versuchen, etwas mehr Bewegung in Ihren Alltag zu bringen. Steigen Sie beispielsweise auf dem Weg zur Arbeit regelmässig ein, zwei Stationen früher aus dem Bus oder Tram, und gehen Sie den Rest zu Fuss. Ein paar Schritte mehr – das ist ein Anfang.

«Wenn Sie keine zusätzlichen Termine reservieren wollen, sollten sie zumindest versuchen, etwas mehr Bewegung in Ihren Alltag zu bringen.»
Prof. Milo Puhan

Es heisst, pro Tag müsse man eine halbe Stunde Sport mittlerer Intensität treiben, wenn es etwas bringen soll. Das ist mir deutlich zu lang.

Moment! Es reicht auch, wenn Sie fünf bis zehn Minuten täglich Sport treiben, dafür dann aber intensiv und hochtourig.

Und was ist mit Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit? Lesen Sie doch mal, was die Fitnesspäpste alles von einem verlangen! Abgesehen davon, dass Bekleidung und Sportgeräte unglaublich teuer sind.

Eben deshalb finde ich die Idee des Vitaparcours so gut: Sie bewegen sich im Gelände, tun etwas für Ihre Koordination, absolvieren ein Ausdauertraining, und an den Stationen gibt es Kraftübungen. Und das alles, ohne dass Sie sich ein Sportgerät oder besonders teure Kleidung anschaffen müssen.

Mir fehlt der schlagende Beweis dafür, dass eine solche Zusatzanstrengung auch wirklich einen gesundheitlichen Gewinn bringt.

Aus der Forschung wissen wir, dass Bewegung im Hinblick auf verschiedene Krankheiten präventiv wirkt. Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist es ganz klar, ebenso bei Diabetes und Rückenleiden. Auch bei Demenz haben wir deutliche Anzeichen, dass Bewegung die Krankheit hinauszögert oder teilweise sogar verhindert. Interessant ist auch, dass Bewegung bei verschiedenen Krankheiten als äusserst wirksame Therapie die Lebensqualität erheblich verbessert. Das gilt für Herz- und Lungen-, aber auch für Krebskranke und Demente.

Kommen Sie, diese Studien übertreiben doch!

Nein, es gibt klare Beweise aus experimentellen Studien, dass die Betroffenen körperlich fitter sind und dass sich Symptome lindern lassen. Lungenkranke leiden dank verbesserter Fitness beispielsweise weniger unter Atemnot.

Wenn man krank oder mies drauf ist, hat man keine Lust, Sport zu treiben.

Stimmt, eine vertrackte Sache: Leidet ein Kranker stark unter seinen Symptomen, macht er körperlich nichts mehr, und es geht ihm immer schlechter. Das ist ein Teufelskreis, den man versuchen sollte, zu durchbrechen.

«Dann schliessen Sie sich einer Gruppe an!»
Prof. Milo Purhan

Das kenne ich! Kaum denke ich daran, einmal das Probetraining in einem Fitnessklub zu absolvieren, bekomme ich Migräne.

Da könnten Ihnen vielleicht gewisse Anlaufhilfen nützen. Warum besuchen Sie nicht einmal einen Kurs für den Wiedereinstiegin den Sport oder arbeiten mit einem Physiotherapeuten oder einem Coach zusammen, der Sie an den Sport heranführt und Ihnen die Angst nimmt?

Mir fällt einfach kein Sport ein, der Spass macht: Ich habe kein Ballgefühl, hasse Wasser und bin zu ungelenk, um zu turnen.

Versuchen Sie es einmal mit Gehen, zuerst nur gemütlich auf flachem Gelände, dann in etwas höherem Tempo. Anschliessend werden Sie bald kleine Steigungen einbauen können, ohne ausser Atem zu geraten. Oder vielleicht probieren Sie mal etwas Neues? Das wäre ein schöner Effort. Ziel ist auf jeden Fall, dass Ihr Puls ab und zu etwas hochgeht, das ist wertvoll. Denn so wird Ihr Herz-Kreislauf-System angeregt und Ihre Blutgefässe bleiben elastisch.

Velofahren wäre vielleicht etwas – wenn ich bei dem starken Autoverkehr in Zürich nicht ständig mein Leben riskieren müsste.

Zürich ist diesbezüglich nicht ganz ungefährlich, da haben Sie recht. Doch es gibt immer mehr sichere Velowege. Wenn Sie sich mit einem Hometrainer anfreunden könnten, wäre das eine Alternative. Wobei das zugegebenermassen nicht jedermanns Sache ist.

Alle finden Joggen toll. Ich bin da skeptisch. Auf Asphalt tut’s weh.

Da bringt häufig ein guter Laufschuh etwas, den man Ihnen in einem Fachgeschäft anpasst. Abgesehen davon gibt es viele offene Joggingwege, über Felder, entlang eines Sees oder auf einer Finnenbahn im Wald.

Im Wald? Das ist mir viel zu gefährlich.

Dann schliessen Sie sich einer Gruppe an!

Schon meine Eltern waren bequem und haben sich nicht gern bewegt. Ich bin wohl familiär vorbelastet.

Die Familie, also das Umfeld, spielt tatsächlich eine wichtige Rolle. Eltern können das beste oder das schlechteste Vorbild sein, je nachdem, was sie vorleben. Die ersten Kindheitserfahrungen bestimmen weitgehend, wie aktiv man später durchs Leben geht.

Ich bin halt eher der häusliche Typ. Am liebsten lade ich Freunde ein und koche für sie. Das tut meiner Gesundheit mindestens so gut wie regelmässiges Sporttreiben.

Zusammen essen ist unbestrittenermassen etwas sehr Gesundes und Wohltuendes. Aber Sie sollten die Bewegung trotzdem nicht ganz ausser Acht lassen. Die Kombination von beidem ist das Beste.

In meinem Alter lohnt es sich doch gar nicht mehr, dass ich noch mit neuen, ungewohnten Sachen anfange.

Es lohnt sich immer, selbst im hohen Alter! Sie werden relativ schnell gesundheitliche Auswirkungen spüren. Schon nach wenigen Wochen werden Sie merken, dass Ihre Kondition zunimmt und Sie sich besser fühlen. Ein tolles Gefühl!

 

Und es nützt doch!

  • 2,5h schnelles Walken pro Woche senken das Risiko für Diabetes Typ II um 52%.
  • Regelmässige Bewegung vermindert Rückenbeschwerden um bis zu 50%.
  • 10h Bewegung pro Woche senken das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen um bis zu 35%.
  • Regelmässige Bewegung, gesunde Ernährung und Nichtrauchen senken das Krebsrisiko um 40%.

Quellen:

  • Bundesamt für Gesundheit, Gesundheitsförderung Schweiz, 2015
  • PubMed.gov, Exercise as a treatment for chronic low back pain, 2004

Milo Puhan

Präventionsexperte, Professor für Epidemiologie und Public Health an der Universität Zürich

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