Dossier: Starke Psyche

Achtsamkeit: die 7 Säulen der Resilienz

Manchmal stellt uns das Leben vor Herausforderungen: Mit den sieben Säulen der Resilienz lässt sich die psychische Widerstandskraft trainieren und die Stressresilienz stärken. Denn: Resilienz ist Übungssache.

Text: Anne-Sophie Keller; Fotos: iStock / Resilienz Zentrum Schweiz

Trennung, Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Schicksalsschläge: Gewisse Ereignisse werfen einen manchmal völlig aus der Bahn. Wie gut man solche Herausforderungen meistert, hängt wesentlich von der individuellen Resilienz ab – und diese kann trainiert werden.

Resilienz: eine Definition

Der Begriff Resilienz leitet sich vom lateinischen «resilire» ab, was so viel heisst wie zurückspringen oder abprallen. In der Psychologie versteht man darunter die psychische Widerstandskraft: «Wir beschreiben Resilienz als Fähigkeit, Herausforderungen im Leben oder im Alltag zu meistern – und zwar mit persönlichen und sozialen Ressourcen», sagt Antoinette Wenk vom Resilienz Zentrum Schweiz. Die eigene Stressresilienz ist also keine Persönlichkeitseigenschaft, sondern ein dynamischer Prozess und eine Frage der Anpassung. Zahlreiche Faktoren spielen dabei eine Rolle. 

Was beeinflusst Resilienz?

Für Resilienz per se gibt es keine genetischen Faktoren und doch hängen die individuellen Resilienzressourcen mit der Veranlagung zusammen. «Gewisse Persönlichkeitseigenschaften wie Offenheit für neue Erfahrungen oder emotionale Stabilität sind teils genetisch angelegt und beeinflussen die Resilienz», sagt Antoinette Wenk. Die zentrale Frage sei jedoch, auf welches Umfeld diese genetische Veranlagung treffe. «Ob ein genetischer Faktor zum Ausdruck kommt, hängt von den Umständen ab. Zum Beispiel von der Sozialisierung.» 

Eine hohe Resilienz bedeutet jedoch viel mehr als bloss mentale Stärke: «Geist und Körper stehen in einem Zusammenhang. Wenn die körperliche Resilienz durch genügend Schlaf und Bewegung gestärkt wird, sind wir auch psychisch belastbarer», so Wenk. Yoga oder ein Spaziergang senken beispielsweise den Cortisolspiegel und beruhigen unser Gehirn. Dadurch können wir wieder klarer denken und bessere Bewältigungsstrategien entwickeln.

In der Resilienzforschung wird zwischen inneren und äusseren Schutzfaktoren unterschieden. «Ein äusserer Schutzfaktor kann auch gesellschaftspolitischer Natur sein: So ist es beispielsweise viel schwieriger, wenn man in einem Flüchtlingslager einen Angehörigen verliert, da dort viele umweltbezogene Schutzfaktoren fehlen.» Und weil das sozialpolitische Umfeld so wichtig ist, bezeichnet Antoinette Wenk das Thema Resilienz auch als gesellschaftlichen Auftrag: «Der individuelle Spielraum ist begrenzt. Eine unterstützende Familienpolitik oder eine positive Arbeitskultur können die individuelle Resilienz fördern. Ein System, das nur auf Leistung ausgelegt ist, erschwert hingegen soziale Beziehungen und mindert somit auch die psychische Widerstandskraft.» 

«Wenn die körperliche Resilienz durch genügend Schlaf und Bewegung gestärkt wird, sind wir auch psychisch belastbarer.»
Antoinette Wenk, Mitbegründerin des Resilienz Zentrums Schweiz

Resilienz und Trauma

Fehlende Resilienz kann auch eine Folge eines traumatischen Erlebnisses sein, bei dem die negativen Bewältigungsstrategien anhalten. Doch nicht jedes Trauma schwächt automatisch die Resilienz. «Es kommt immer darauf an, wie man ein Trauma verarbeitet», sagt Wenk. Eine angemessene professionelle und persönliche Unterstützung sei dabei zentral.

Zum Thema Resilienz und Trauma wird oft Boris Cyrulnik zitiert. Der Neuropsychiater gilt als Koryphäe der Resilienzforschung. Als Kind verlor er beide Eltern in Auschwitz. «Das Erlebte hinterlässt Spuren im Körper und im Gehirn. Aber wir können zurück ins Leben finden», so der 85-jährige Neurologe in einem Interview

Die 7 Säulen der Resilienz

Wenn man die Resilienzforschung anschaut, stösst man schnell auf die 7 Säulen der Resilienz. Entwickelt hat dieses Resilienzmodell die Psychologin Ursula Nuber. «In der Literatur gibt es sieben bis elf Resilienzfaktoren, die gegenseitig voneinander abhängen», präzisiert Expertin Antoinette Wenk. «Wir nehmen gerne auch die Kreativität dazu, weil wir finden, dass sie etwas vernachlässigt wird. Fantasie oder auch Humor können in der Resilienzpsychologie viel bewirken.» 

1. Akzeptanz

Es gibt Situationen, die man nicht ändern kann. Die Dinge zu akzeptieren, die man nicht beeinflussen kann, ist ein erster, wichtiger Schritt zu Resilienz. Nur so kann man die Vergangenheit hinter sich lassen und ein neues Kapitel aufschlagen.

2. Optimismus

Die schwierigsten Situationen und Herausforderungen bergen oft das grösste Wachstumspotenzial. Mit einer realistischen, positiven Einstellung machen wir den Weg für einen Neuanfang frei. Denn: Wer an das Positive glaubt, wird auch Positives erleben.

3. Opferrolle verlassen

Schwierige Situationen lösen viele negative Gefühle aus. Wer ihnen Raum gibt, ohne in Selbstmitleid zu verfallen, kommt am schnellsten weiter. Selbstmitgefühl statt Selbstmitleid hilft dabei, wieder in eine aktive Rolle zu finden.

4. Lösungsorientierung

Klare Ziele helfen, neue Wege zu beschreiten, statt in der Vergangenheit zu verweilen. Resiliente Menschen konzentrieren sich auf Lösungen statt auf Probleme. Hier ist es hilfreich, in kleinen Schritten zu starten. Zum Beispiel: Was kann ich am heutigen Tag tun, damit es mir am Abend schon etwas besser geht?

5. Verantwortung übernehmen

Wo liegen meine Fähigkeiten? Was kann ich bewirken? Mit einem Coaching oder einem Austausch mit Nahestehenden findet man am besten heraus, welche Möglichkeiten zur Veränderung vorhanden sind. Wer Verantwortung übernimmt, wird handlungsfähig. 

6. Bindungen/Netzwerke

Ein soziales Netzwerk, das einen in schwierigen Zeiten auffängt, ist ein wichtiger Faktor für die psychische Gesundheit. Ob Nachbar:innen, Partner:innen, Freund:innen, Arbeitskolleg:innen oder auch Verwandte: Regelmässige Beziehungspflege zahlt sich aus.

7. Zukunftsplanung

Auch wenn wir nicht alles im Leben beeinflussen können, ist es doch möglich, aktiv auf eine bessere Zukunft hinzuarbeiten. Dabei hilft eine klare Analyse der eigenen Wünsche, Werte und Fähigkeiten.

Resilienz lernen und stärken

Die sieben Säulen der Resilienz (oder das Resilienzrad mit mehreren Faktoren) stellen eine wichtige Grundlage für mehr psychische Widerstandskraft dar. Die persönliche Resilienz stärken kann man auch mit einem individuellen Resilienztraining. Antoinette Wenk bietet ein solches seit Jahren für Einzelpersonen oder auch Firmen an. Dort lernen die Teilnehmenden, wie sie ihre Stressresilienz stärken können. «Als Erstes klären wir in einer Situationsanalyse die persönlichen Ressourcen ab und wie man sie aktivieren kann. Zum Beispiel bei welchen vertrauten Personen man Rat und Unterstützung erhält.» In einem zweiten Schritt geht es darum, das Alltagsverhalten zu reflektieren und konkrete Lösungsmassnahmen zu entwickeln: «Wie steige ich in den Tag ein? Treffe ich mich mit Menschen, die mir guttun? Bewege ich mich regelmässig?»

Dazu kommen einige Basics: bewusst atmen, genügend Wasser trinken und immer mal wieder den Blick darauf lenken, was gut ist. Antoinette Wenk empfiehlt das Führen eines sogenannten Dankbarkeitstagebuchs: «Es ist hilfreich, sich am Abend zu fragen: Welches sind die drei Dinge, die heute trotz allem gut waren?» Auch Resilienz am Arbeitsplatz kann gelernt werden: «Eine klare Arbeitsstruktur hilft dabei, Prioritäten richtig zu setzen und sich besser zu konzentrieren.» 

Resilienz bei Kindern fördern

Bei Kindern sind Bezugspersonen, die sie fördern und an sie glauben, zentral. «Eine sichere Bindung gibt ein Urvertrauen und somit eine wichtige Basis für die individuelle Resilienz», sagt Wenk. Man sollte ein Kind aber nicht überbehüten, sondern ihm eine gewisse Autonomie zugestehen, welche die Selbstverantwortung stärkt. «Helikoptereltern fördern die Resilienz nicht.» Und weil Kinder meist von den Eltern lernen, sei man auch in der eigenen Vorbildrolle gefragt: «Wenn ich negative Glaubenssätze wie Pessimismus nicht reflektiere, transportiere ich sie aufs Kind. Dies schadet wiederum dessen Resilienz.» 

Ob bei Kindern oder Erwachsenen: Resilienz sei wie ein Muskel, den man trainieren müsse. «Einmal etwas über Resilienz zu lesen, bewirkt wenig», mahnt Antoinette Wenk. «Wenn man übers Tanzen liest, hat man ja auch noch nicht getanzt. Und nach ein paarmal tief durchatmen ist man noch nicht resilient.» Das Resilienztraining muss man im Alltag verankern – und diese Anpassung braucht Zeit. 

Über die Expertin

Antoinette Wenk (55) war als Gesundheitsökonomin mehrere Jahre im Life-Science Sektor tätig. Nach mehrjähriger Ausbildung zum Coach sowie zur Supervisorin und Erwachsenenbildnerin begleitet sie Menschen und Teams in Veränderungsprozessen und in herausfordernden Situationen. 2015 hat die zweifache Mutter das Resilienz Zentrum Schweiz mitgegründet.

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