Chronische Schmerzen: Ursachen, Behandlung und Unterstützung

Chronische Schmerzen führen zu starken Einschränkungen in Alltag, Beruf und Freizeit. Wie Sie chronische Leiden frühzeitig erkennen und zu mehr Lebensqualität finden.

Text: Laurina Waltersperger

Bilder: iStock

15 Min

13.11.2025

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Das Wichtigste auf einen Blick

  • 10 bis 40 Prozent der Weltbevölkerung leiden an chronischen Schmerzen, in der Schweiz sind es rund 1,5 Millionen Menschen.
  • Am häufigsten führen Rückenschmerzen zu chronischen Schmerzen, da sie sowohl in der Schweiz als auch gesamthaft in Europa am weitesten verbreitet sind.  
  • Eine erfolgreiche Schmerztherapie fängt beim eigenen Schmerzmanagement an: Wer selber eine aktive Rolle einnimmt, erhöht seine Selbstwirksamkeit und lindert Schmerzen.

Schmerzen gehören zum Leben dazu. Der Rücken zwickt, der Kopf hämmert, der Bauch krampft. Grundsätzlich dienen sie als Warnsignal für unseren Körper. Denn Schmerzen lassen uns spüren, dass etwas nicht in Ordnung ist.

Wie entstehen Schmerzen?

Akute Schmerzen treten plötzlich auf und sind meist eine direkte Folge einer Verletzung – etwa einer Schnittwunde, Verbrennung oder Entzündung.

Holen wir uns zum Beispiel bei einem Sturz eine Schramme am Arm, sorgt das für eine Verletzung im Gewebe. Die Zellen im Gewebe senden ein Schmerzsignal als Warnung an die Schmerzrezeptoren, die sich überall im Körper befinden.

Das sind die häufigsten Ursachen für Schmerzen im Körper: 

  • Erkrankungen am Bewegungsapparat

    Rückenschmerzen sind die häufigste Ursache für Schmerzen und betreffen jährlich etwa vier von zehn Personen in der Schweiz.

    Arthrose und rheumatische Leiden sind ebenfalls weitverbreitet – und verursachen oft lang anhaltende Gelenk- und Muskelschmerzen. 

  • Erkrankungen mit Nervenschäden

    Alkohol und verschiedene Krankheiten wie vor allem Diabetes oder Multiple Sklerose führen längerfristig zu Schäden an den Nerven. Das verursacht sogenannte neuropathische Schmerzen, auch Nervenschmerzen genannt.

    Das sind die häufigsten Krankheiten, die auch Nerven beschädigen:

    • Diabetes: Hohe Blutzuckerwerte führen zu diabetischer Neuropathie, einer Schädigung der peripheren Nerven, häufig mit brennenden Schmerzen, vor allem in Füssen und Beinen.
    • Nervenverletzungen: Verletzungen durch Unfälle, Operationen oder mechanische Traumata können Nerven dauerhaft beschädigen und so neuropathische Schmerzen auslösen.
    • Infektionen: Gürtelrose (Herpes Zoster) ist hierfür ein häufiges Beispiel. Die Virusinfektion führt zu Nervenentzündungen. Diese können auch nach Abheilung der Infektion zu lang anhaltenden Schmerzsymptomen führen (postherpetische Neuralgie).
    • Erkrankungen des zentralen Nervensystems: Multiple Sklerose, Schlaganfälle oder Rückenmarksverletzungen beschädigen Nervenbahnen des zentralen Nervensystems. Das kann neuropathische Schmerzen hervorrufen.
    • Krebstumore: Tumore können durch ihr Wachstum Nerven beschädigen – das gleiche gilt für die Therapieverfahren wie Bestrahlung oder Chemotherapie, mit denen Tumore behandelt werden.
    • Nervengifte: Auch chronischer Alkoholmissbrauch, bestimmte Medikamente oder chemische Nervengifte können Nervenschäden verursachen.
    • Genetische Krankheiten: Seltene genetische Defekte wie die hereditäre Neuropathie, bei der die peripheren Nervenbahnen in Armen und Beinen beschädigt werden, können auch neuropathische Schmerzen auslösen.
    • Weitere Ursachen: Bandscheibenvorfälle, Autoimmunerkrankungen und metabolische Störungen können ebenfalls Nerven beschädigen und zu neuropathischen Schmerzen führen.
  • Kopfschmerzen und Migräne

    Kopfschmerzen, darunter Migräne oder Spannungskopfschmerzen, sind weitverbreitet und zählen ebenfalls zu den häufigsten Schmerzursachen.

  • Tumorerkrankungen

    Krebsleiden verursachen häufig starke Schmerzen.

  • Chronische Entzündungskrankheiten

    Erkrankungen wie Rheuma, Fibromyalgie und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen sind mit häufigen Schmerzen verbunden.

  • Verletzungen und Operationen

    Auch Unfälle und Operationen können direkt oder durch Entwicklung von Arthrose zu lang anhaltenden Schmerzen führen. 

  • Geschlechtsspezifisch bedingte Schmerzen

    Bestimmte Schmerzen kommen nur bei Frauen vor, dazu gehören insbesondere die Regelschmerzen. Wenn Regelschmerzen trotz Schmerzmittel weiterbestehen, kann dies ein Zeichen für eine Endometriose sein.

    Bei dieser schmerzhaften Krankheit haben sich Zellen, die der Gebärmutterschleimhaut ähnlich sind, an anderen Orten im Körper angesiedelt, was zu starken Schmerzen führen kann. Jede zehnte Frau im gebärfähigen Alter ist von Endometriose betroffen.

    Zudem haben hormonelle Veränderungen entlang des Zyklus auch einen Einfluss auf weitere Schmerzerkrankungen. So treten bestimmte Kopfschmerzen im Zusammenhang mit dem Menstruationszyklus auf, und Gelenkschmerzen sind vor und in der Menopause häufiger als davor. 

  • Psychosomatische Schmerzen

    Auch die Psyche kann körperliche Schmerzen verursachen.

    Psychosomatische Schmerzen entstehen, wenn psychische Belastungen wie Stress, Angst, Depressionen, innere Konflikte oder traumatische Erlebnisse sich auf den Körper auswirken und zum Beispiel Muskelverspannungen, Kopf-, Rücken- oder Bauchschmerzen hervorrufen – auch ohne eine erkennbare körperliche Ursache.

    So aktiviert etwa Stress das Nervensystem, was zu Muskelverspannungen, Fehlhaltungen und anhaltenden Schmerzen führen kann.

    Chronischer seelischer Druck beeinflusst zudem Hormonhaushalt und Immunabwehr, was körperliche Beschwerden wie Schmerzen verschlimmert oder aufrechterhält.

    Zudem senken Ängste oder Depressionen oft die individuelle Schmerzschwelle – Schmerzen werden intensiver empfunden, auch wenn keine organische Ursache vorliegt.

Definition: Was sind chronische Schmerzen?

Aus einem akuten Schmerz kann auch ein chronisches Leiden werden. Und zwar dann, wenn Schmerzen nicht adäquat behandelt werden.

Hält der Schmerz länger als drei Monate an, gilt er bereits als chronisch. Etwa ein Fünftel aller Menschen in Europa hat schon mal Erfahrungen mit chronischen Schmerzen gemacht. Das zeigen Studien. Sie halten ebenfalls fest, dass häufig ältere Menschen und Frauen von chronischen Leiden betroffen sind.

«Die körperlichen Beeinträchtigungen, die chronische Schmerzen auslösen, führen weltweit zu den höchsten gesellschaftlichen Belastungen, die durch Erkrankungen verursacht werden», sagt Konrad Streitberger. Der Professor leitet das interdisziplinäre Schmerzzentrum am Inselspital Bern.

Ursachen: Wie entstehen chronische Schmerzen?

Chronische Schmerzen entstehen durch ein komplexes Zusammenspiel aus körperlichen, neurobiologischen, psychischen und sozialen Faktoren.

Wenn Schmerzen anhalten, führt das zu Veränderungen der Nervenzellen im zentralen Nervensystem. Besonders psychosoziale Belastungsfaktoren wie Stress oder Ängste sorgen dafür, dass sich die Nervenzellen anders verknüpfen.

Dadurch reagieren Nervenzellen überempfindlich auf Schmerzsignale oder interpretieren sie falsch. «Das wiederum beeinflusst unsere Schmerzverarbeitung und unser Schmerzgedächtnis negativ», sagt Streitberger.

Ein Beispiel: Ein Wirbelkörper in Ihrer Wirbelsäule ist gebrochen. Obwohl die Operation gelungen und die ursprüngliche Schädigung in Knochen, Muskel und Gewebe verheilt ist, hält der Schmerz an.

Das sind die häufigsten Ursachen, die zu chronischen Schmerzen führen:

  • Erkrankungen am Bewegungsapparat: degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Arthrose, rheumatoide Arthritis
  • Neuropathische Schmerzen: Diabetes, Krebs, Schlaganfälle oder Nervenirritationen
  • Chronische Entzündungen: rheumatische Erkrankungen oder chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
  • Chronische Schmerzerkrankungen: Migräne, Spannungskopfschmerzen, Fibromyalgie oder das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS)
  • Verletzungen: Gelenkverletzungen an Knie, Schulter oder Hüfte, Muskelzerrungen, das Abreissen der Achillessehne, Wirbelfrakturen und Rückenmarksverletzungen 
  • Operationen: Eingriffe, bei denen starke Gewebe- oder Nervenschädigungen auftreten oder die mit intensiver postoperativer Schmerzphase verbunden sind, führen besonders oft zu chronischen Schmerzen
  • Fehlhaltung: Hohlkreuz, Flachrücken, Schulterhochstand und eine schlechte Sitzhaltung am Arbeitsplatz
  • Überlastung: anhaltende oder wiederholte Überbelastungen der Muskulatur, der Gelenke und der Wirbelsäule
  • Psychische Erkrankungen und Belastungen: Depressionen, Angststörungen oder posttraumatische Belastungsstörungen

Gibt es psychische Ursachen für chronische Schmerzen?

«Bei chronischen Schmerzen gibt es immer verschiedene Komponenten, die zu diesem Zustand führen», sagt Schmerzexperte Streitberger. Fast immer zählen auch psychische Faktoren wie Stress, Ängste oder soziale Belastungen dazu.

Psychische Ursachen verstärken den Schmerz in akuten Schmerzsituationen und begünstigen die Entstehung chronischer Schmerzen, «indem sie im Gehirn zu einer Sensibilisierung und damit zu einer stärkeren Schmerzwahrnehmung führen», sagt Professor Streitberger.

Studien zeigen auch den umgekehrten Zusammenhang: So leiden Menschen mit chronischen Schmerzen häufiger unter Depression oder Ängsten als Personen ohne Schmerzen.

Hinzu kommt: Die Psyche hat einen Einfluss darauf, wie sich bestehende Schmerzen weiterentwickeln. «Wer Angst davor hat, dass die Schmerzen zunehmen oder nicht mehr weggehen, bei dem modulieren diese Ängste erneut die Nervenzellen, sodass sie die Schmerzwahrnehmung verstärken», sagt Streitberger.  

Symptome und Auswirkungen

Die Symptome von chronischen Schmerzen sind vielschichtig. Umso wichtiger ist es, zu wissen, wann Betroffene genauer hinschauen sollten: «Wenn sich akute Schmerzen regional ausweiten oder sie über längere Zeit mal weniger sind und dann stärker werden, sollten Sie ärztlichen Rat suchen», sagt Streitberger.

Oft kommen in solchen Fällen auch Schlafstörungen, Verdauungsprobleme und wiederkehrendes Schwitzen dazu.

In der Folge eine Übersicht zu den Symptomen chronischer Schmerzen, die Körper, Psyche und Sozialleben betreffen:

  • Körperliche Anzeichen

    • Dauerschmerz oder wiederkehrender Schmerz, oft stechend, brennend, dumpf oder pochend, Intensität und Lokalisation können variieren
    • Steifheit und Verspannungen von Muskeln
    • Schwellungen, Entzündungen, Wundsein
    • Beweglichkeitsverlust und Funktionseinschränkungen im Alltag
    • Müdigkeit und Erschöpfung durch die Dauerbelastung
    • Schlafstörungen, meistens Probleme beim Einschlafen oder Durchschlafen
  • Psychische und soziale Anzeichen

    • Depressive Verstimmungen, Antriebslosigkeit, Interessenverlust
    • Verstärkte Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen, Appetitmangel und Gewichtsverlust
    • Angstzustände, soziale Rückzugstendenzen und Vereinsamung
    • Einschränkungen im Berufsleben, in der Freizeit und in sozialen Beziehungen
    • Verlust von Lebensfreude, negative Gedanken und Katastrophisieren
    • Erhöhte Beschäftigung mit der eigenen Gesundheit, ständige Besorgnis
  • Besondere Charakteristik des Schmerzes

    • Schmerzen halten länger als 3 Monate an oder treten immer wieder auf
    • Oft ist keine klare organische Ursache mehr zu finden, der Schmerz hat sich «verselbstständigt»
    • Beeinträchtigt Funktionen in Beruf und Alltag sowie die Lebensqualität
    • «Schmerzgedächtnis»: Das Nervensystem reagiert dauerhaft empfindlicher auf Schmerzreize 

Wie wirken sich chronische Schmerzen auf unseren Körper aus? Die Antwort hat Professor Streitberger: «Oft fühlen sich Betroffene erschöpft, sie ziehen sich sozial zurück und haben Mühe, ihre Arbeit weiter auszuführen.»

Das sind die Auswirkungen, die unsere Lebensqualität am häufigsten einschränken:

  • Körperliche Auswirkungen

    • Anhaltender Erschöpfungszustand, Schlafstörungen und Einschränkung der Mobilität
    • Häufige Begleiterkrankungen wie Muskelverspannungen, Steifigkeit, Verdauungsprobleme und Herz-Kreislauf-Belastungen
    • Schmerzbedingte Inaktivität kann zu Muskelschwund, Gewichtszunahme oder -abnahme und allgemein verschlechterter Gesundheit führen
  • Psychische Auswirkungen

    • Stress, Anspannung und Angst
    • Entstehung einer Depression
    • Schlafstörungen, Angststörungen, Belastungsstörungen
    • Gefühl von Hilflosigkeit, was negative Gedankenmuster wie Katastrophendenken oder Leistungsdruck begünstigt
  • Soziale Auswirkungen

    • Starker Rückzug aus sozialen Kontakten, Vereinsamung und Isolation
    • Häufige Auswirkungen auf das Berufsleben: geringere Belastbarkeit, wiederholte Fehlzeiten, Gefahr des Jobverlusts
    • Oft erhebliche Einschränkung in Freizeit, Sport und Alltagstätigkeiten, was die Lebensfreude einschränkt
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Diagnose: Wie werden chronische Schmerzen festgestellt?

Bei diagnostischen Abklärungen suchen Fachpersonen als Erstes nach einer körperlichen Ursache wie einer Verletzung, Entzündung oder Tumoren. «Diese gilt es möglichst rasch zu behandeln», sagt Streitberger.

Besonders wichtig bei der Diagnose seien aber auch die psychosozialen Faktoren, sagt der Experte. Wo gibt es belastende Faktoren in der Familie, im Beruf, im sozialen Umfeld?

Diese werden zusammen mit den Patientinnen und Patienten evaluiert – um zu sehen, wo Veränderungen für eine ganzheitliche Therapie möglich sind.

Denn: «Es nützt nichts, bei Rückenschmerzen von einer Infiltration oder Operation zur nächsten zu gehen, wenn psychische oder soziale Probleme, die wesentlich zu den Schmerzen beitragen, nicht erkannt werden», sagt Streitberger.

Fachpersonen wie Konrad Streitberger empfehlen Betroffenen zudem, bei anhaltenden Schmerzen möglichst früh zu handeln. «Je früher Betroffene handeln, desto geringer sind die schmerzrelevanten Veränderungen im zentralen Nervensystem – und desto besser können wir mit den Patientinnen und Patienten arbeiten.»

Doch wie früh ist früh genug? Das könne nicht pauschal gesagt werden, sagt Streitberger. Aber wenn der Schmerz länger als einen Monat anhält – insbesondere, wenn Betroffene wegen des Schmerzes bei der Arbeit ausfallen –, muss evaluiert werden, ob es psychosoziale Belastungsfaktoren gibt und eine multimodale Schmerztherapie angezeigt ist.

Schmerzen ohne klare Ursache

Doch nicht immer kann die Medizin bei chronischen Schmerzen einen eindeutigen Auslöser feststellen. Ein Beispiel dafür ist die Fibromyalgie. Die Betroffenen leiden meist unter Schmerzen in Muskeln und Bindegewebe, deren Ort und Schmerzstärke sich häufig verändern.

Die Schmerzforschung spricht in diesem Zusammenhang von sogenannten primären chronischen Schmerzen. Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler gehen davon aus, dass die Veränderungen der Nervenzellen im Gehirn durch genetische und körperliche sowie psychosoziale Einflüsse herbeigeführt werden.

Wie diese Schmerzen zustande kommen, weiss die Wissenschaft bisher nicht im Detail. Dass die Betroffenen darunter leiden, ist aber belegt. Um diese Schmerzen besser zu verstehen, braucht es ihre systematische Erfassung, wozu auch die Schmerzintensität, das Schmerzempfinden und andere Wahrnehmungsqualitäten von Schmerzen gehören. 

Behandlungsmöglichkeiten

Bei der Behandlung chronischer Schmerzen sei es zentral, dass Betroffene den Umgang mit den Schmerzen lernten, sagt Streitberger.

Eine erfolgreiche Schmerztherapie fängt beim eigenen Schmerzmanagement an. Hier gibt es verschiedene Methoden, die helfen. Dazu zählen:

  • Physiotherapie
  • Entspannungsformen wie Yoga oder Meditation
  • Psychotherapie
  • Veränderungen im beruflichen und sozialen Umfeld 

«Bei Medikamenten sind wir sehr zurückhaltend. Gerade starke Schmerzmittel wie Opioide können rasch abhängig machen», sagt Streitberger. Zudem hätten Studien gezeigt, dass Opioide bei längerem Gebrauch die Schmerzempfindlichkeit sogar erhöhen.

Und auch die Bewegung gehört zur Behandlung: «Betroffene sollten körperlich möglichst aktiv bleiben und sich nicht aus Angst vor den Schmerzen nur noch schonen», sagt der Experte. Schonung führt zu Muskelabbau und Verspannung und dadurch wieder zu mehr Schmerzen.

Prinzipiell reicht bereits regelmässiges Spazierengehen für die ausreichende Bewegung. Meistens sind aber gezielte, physiotherapeutisch angeleitete Übungen nötig, um die Muskulatur aufzubauen und längerfristig Schmerzen zu lindern.

Sind chronische Schmerzen heilbar?

Professor Streitberger vergleicht chronische Schmerzen oft mit Diabetes: «Die Krankheit – in diesem Falle die chronischen Schmerzen – können wir nicht wegzaubern. Aber wenn Betroffene lernen, gut mit ihr umzugehen, können die Schmerzen in den Hintergrund treten und Betroffene ihre Lebensqualität grösstenteils wieder zurückgewinnen.»

Dennoch können chronische Schmerzen insbesondere im frühen Stadium innerhalb eines Jahres und in seltenen Fällen auch nach jahrelangen Verläufen wieder nahezu vollständig weggehen.

Das hat damit zu tun, dass die Nervenzellen im zentralen Nervensystem und im Gehirn sich ständig verändern und auch wieder neue, positive Impulse erlernen können, die den Schmerz mindern.

Alltag mit chronischen Schmerzen: Tipps und Strategien

Der erste Schritt in einen positiven Alltag mit chronischen Schmerzen ist, diese zu akzeptieren. Dabei geht es nicht darum, den Schmerz einfach hinzunehmen. Es geht darum, sich das Wissen darüber anzueignen, wie Schmerzen im Körper entstehen und was man zur Verbesserung der Situation beitragen kann.

Das macht Betroffene selbstwirksamer. Und in dieser Selbstwirksamkeit liegt der Schlüssel zu einem besseren, eigenständigen Schmerzmanagement. «Chronische Schmerzen führen dazu, dass sich Betroffene oft machtlos fühlen und sich nur noch auf den Schmerz konzentrieren», sagt Professor Streitberger.

Deshalb sei es wichtig, eine aktive Rolle bei der Schmerztherapie zu übernehmen und so mehr Vertrauen in sich selbst zu gewinnen. 

  • Schmerzen annehmen

    Lernen Sie, dass der Schmerz zu Ihnen gehört und nicht Ihr Gegner ist. Das entzieht dem Schmerz die Aufmerksamkeit – und hilft bei der Schmerzbewältigung.

  • In Bewegung bleiben

    Bewegung ist oft die beste Schmerzpille. Probieren Sie aus, was an Bewegung geht und was nicht. Dabei können Sie auch kurzfristige Schmerzzunahmen in Kauf nehmen – ohne Angst zu haben, dass es schlimmer wird.

    Fachpersonen empfehlen hierzu professionelle Betreuung – etwa durch Physiotherapie.

  • Das Leben geniessen

    Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die Dinge, die Ihnen Freude und Spass bringen: Treffen Sie sich mit Freunden, gehen Sie weiter Ihren Hobbys nach. Das hilft, den Schmerz zu bewältigen, und reduziert Stress. 

    Studien zeigen: Schmerzpatientinnen und -patienten, die sich ablenken können und eine positive Stimmung beibehalten, weisen nach körperlichem Training eine höhere Schmerzschwelle auf als diejenigen ohne positive Einstellung. 

  • Sich Raum verschaffen

    Welche Situationen im Privatleben, im Beruf und im sozialen Umfeld können Sie verändern, damit Sie weniger gestresst sind und sich wohler fühlen? Schaffen Sie sich mehr Pausen im Leben, um zur Ruhe zu kommen.

  • Therapie schlank halten

    Machen Sie nicht zu viel auf einmal – etwa Physiotherapie, Ergotherapie, Massage, Osteopathie, Akupunktur und obendrauf noch Meditation.

    Achten Sie darauf, dass Ihre Therapie Ihre körperlichen und seelischen Bedürfnisse abdeckt. Lassen Sie sich hierzu von einer Fachperson beraten. 

  • Schmerzbetreuung suchen

    Besprechen Sie mit Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt, welche Fachpersonen in Ihre Schmerztherapie eingebunden sind und wer die Fäden zusammenhalten soll.

    Das können zum Beispiel Hausärztinnen, Schmerzspezialisten oder andere in Schmerzmedizin ausgebildete Fachpersonen sein. Entsprechend geschultes Personal finden Sie über die Website der Organisation «Swiss Pain Society»

Wie kann man chronischen Schmerzen vorbeugen?

Alles, was man selber tun kann, um die Gesundheit zu unterstützen, schützt auch vor chronischen Schmerzen. Zu den wichtigsten präventiven Massnahmen zählen:

  • In Bewegung bleiben

    Bewegung ist ein wichtiger Schlüssel für Ihre Gesundheit. Sie reduziert Stress und fördert Durchblutung, Muskelkraft und Gelenkflexibilität – das beugt Schmerzen vor.

    Bereits moderate Aktivitäten wie Spazieren, Schwimmen oder Yoga helfen, Verspannungen und Fehlhaltungen zu vermeiden.

  • Bei Schmerzen früh handeln

    Lassen Sie akute Schmerzen rasch behandeln, wenn sie nicht in wenigen Tagen von selber weggehen. Handeln Sie lieber zu früh als zu spät.

    Zu einer adäquaten Behandlung von starken akuten Schmerzen gehört meist auch eine kurzfristige Einnahme von Schmerzmitteln, die von einer Fachperson verschrieben wurden.

    Auch physikalische Massnahmen wie Kälte oder Wärme, Ruhigstellung oder Bewegung gehören zur Behandlung. Diese sind individuell einsetzbar und sollten mit einer Fachperson abgesprochen werden.

    Denken Sie bei anhaltenden Schmerzen auch daran, Ihre psychische und soziale Situation auf mögliche Belastungsfaktoren zu hinterfragen und dies mit Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt zu besprechen.

  • Stress reduzieren

    Identifizieren Sie die Stressquellen in Ihrem Alltag – zu Hause und im Beruf. Treffen Sie Massnahmen, um diese zu reduzieren. «Das ist eine der wichtigsten Präventionsmassnahmen gegen chronische Schmerzen», sagt Professor Streitberger.

    Integrieren Sie Entspannungsmethoden in Ihren Alltag. Dazu zählen zum Beispiel progressive Muskelentspannung, autogenes Training, Meditation und Achtsamkeit. Sie helfen, stressbedingte muskuläre Anspannungen zu vermeiden.

    Weniger Stress wirkt vorbeugend gegen Verspannungsschmerzen und psychosomatische Beschwerden.

  • Gesund leben

    Was für Ihre allgemeine Gesundheit gilt, hilft auch gegen chronische Schmerzen: Ernähren Sie sich ausgewogen, schlafen Sie ausreichend und verzichten Sie auf Tabak, Alkohol und weitere Substanzen.  

  • Arbeitsumfeld optimieren

    Vermeiden Sie Fehlhaltungen und schauen Sie, dass Sie einen ergonomischen Arbeitsplatz haben. Das verhindert Rückenschmerzen und Muskelverspannungen.

    Gönnen Sie sich regelmässig Pausen, das reduziert Stress. Nimmt der Stress überhand, überlegen Sie, was Sie an der aktuellen Situation ändern können.

  • Psyche stärken

    Sorgen Sie sich um Ihre Psyche. Achtsamkeitsmethoden helfen, das eigene Wohlbefinden, Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen, Stress zu reduzieren und sich emotional ausgeglichener zu fühlen.

    Stärken Sie Ihre Selbstfürsorge. Dazu gehört, sich Zeit für sich zu nehmen, sich Pausen und digitale Auszeiten zu gönnen sowie gesunde Grenzen zu setzen, um Überbelastung im Privatleben und im Beruf zu vermeiden.

    Nähren Sie Ihre Psyche mit sozialen Kontakten – verbringen Sie Zeit mit den Menschen, die Ihnen guttun. Auch das reduziert Stress und stützt Ihre Psyche.

    Und: Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit mehr auf die positiven Dinge in Ihrem Leben. Das reduziert negative Gedanken und Denkmuster – und sorgt für mehr Ruhe und Ausgeglichenheit sowie weniger Stress.

Welche Unterstützung bietet die Krankenkasse?

Die Grundversicherung übernimmt einen Teil der Kosten (abzüglich Franchise und Selbstbehalt) für die Behandlung chronischer Schmerzen, sofern die Therapien medizinisch notwendig und von der Krankenkasse anerkannt sind. Dazu zählen:

  • Behandlungen beim Hausarzt und der Fachärztin: Konsultationen, Diagnostik und Behandlung, inklusive Schmerzmedikation
  • Physiotherapie: ärztlich verordnete Physiotherapie (9 Sitzungen) zur Schmerzbehandlung und zum Muskelaufbau
  • Psychotherapie: bei medizinischer Indikation und durchgeführt von anerkannten Fachpersonen
  • Ergotherapie: bei funktionellen Einschränkungen im Alltag
  • Medikamente: ärztlich verordnete und von der Spezialitätenliste gedeckte Schmerzmedikamente
  • Weitere Methoden: etwa Akupunktur, wenn sie von ärztlichen Fachpersonen durchgeführt wird

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Höhere Kostenbeiträge und weitere Leistungen durch die Zusatzversicherung

Wer in der Schweiz eine Zusatzversicherung abgeschlossen hat, profitiert je nach Modell von weiteren Leistungen rund um die Schmerztherapie.

Etwa von Methoden der Alternativmedizin wie TCM, Osteopathie oder Homöopathie, Chiropraktik, der nicht ärztlichen Psychotherapie, von Komplementärtherapien wie Kraniosakraltherapie oder Shiatsu, von spezifischen Schmerztherapie-Programmen sowie von Beiträgen an Fitnessabos und Kursen.

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Zudem beraten die Case Managerinnen und Manager bei der Koordination geeigneter Therapien, der Vermittlung von Hilfsmitteln und der Organisation für die Pflege zu Hause.

 

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