Die drei Phasen des Glücks

Eine Familie gründen. Um die Welt reisen. Karriere machen. Ein Haus bauen. All diese Wünsche haben eines gemeinsam: Wir versprechen uns ein Stück vom Glück, wenn sie sich erfüllen.

Helwi Braunmiller; Foto: Tim Mossholder / Unsplash

Tobias Esch spürt dem Glück schon seit Jahren nach. Er ist Arzt und Gesundheitswissenschaftler an der Privaten Universität Witten/Herdecke, er kennt die aktuellsten Studien und er hat mehrere Bücher rund ums Glück geschrieben. Sein Fazit: Das Glücksgefühl reift mit dem Menschen. «Es ist interessant zu sehen: Menschen wandeln das, was sie in derJugend mit Glück meinen, im Alter in etwas um, das wir Zufriedenheit nennen», sagt er. Heute weiss man mehr darüber, was sich dabei neurobiologisch im Gehirnabspielt – und dass es massgeblich vom Alter abhängt, ob wir Glück des Typs A, B oder C spüren.

Ekstase und Euphorie: Das jugendliche Glück

Der Glückstyp A ist ein Privileg der Jugend. Die Aufregung und Vorfreude, das Hochgefühl beim Ausprobieren, die Euphorie, wenn es gelingt: Das ekstatische Glück treibt uns an, macht uns kreativ – und bildet so das Fundament für wichtige Lernerfahrungen. Auf Dauer aber wäre das Gehirn schlicht überfordert, irgendwann würde eine Erfahrung die andere überschreiben. Das liegt vor allem an der Ausschüttung des Glückshormons Dopamin, das beim Hochgefühl genauso nachweisbar ist wie beim Lernen. Und weil es schnell wieder abgebaut werden muss, um Platz für neue Glücksgefühle und Lernerfahrungen zu machen, ist es auch ein sehr flüchtiges Gefühl.  

Glück in der mittleren Lebensphase

Was danach folgt, nennt Neurowissenschaftler Tobias Esch «das Tal der Tränen», in dem sich das, was uns glücklich macht, zum Typ-B-Glück verändert: «Die Lebensphase zwischen 30 und 59 ist anstrengend. Jetzt geht es um die Verteidigung des Erreichten», erklärt er. Menschen sind dem unbeschwerten Glück der Jugend entwachsen, aber noch nicht in der ruhigen Zufriedenheit des Alters angekommen. «In dieser Zeit erreichen die Menschen den Tiefpunkt ihrer Lebenszufriedenheit, wie viele Studien belegen.» Der Kick weicht dem Erleichterungsglück, wenn die Zeit einmal zum Entspannen und Durchatmen reicht.

Doch die ist in der Mitte des Lebens rar: Sorgen um die Kinder, kriselnde Beziehungen, Probleme im Job – die Akkus sind leer. Also auf eine Stressquelle verzichten und lieber keinen Nachwuchs bekommen? «Jein», sagt Tobias Esch. «Auf lange Sicht ist das nicht die beste Idee. Es braucht nun mal Kinder als Voraussetzung für das Typ-C-Glück.» Immerhin: Je mehr wir uns durch diese Lebensphase plagen, desto grosszügiger werden wir im Alter mit guten Gefühlen entschädigt.

Zufriedenheit: Das Glück des Alters

Dafür ist wiederum die Gehirnchemie verantwortlich. Aus dem Glückshormon Dopamin entstehen im Zusammenspiel mit Stresshormonen endogene Opioide, die die Grundlage für das Typ-C-Glück im Alter sind: etwas an die Enkel weitergeben können, nicht mehr so viel müssen, dafür viel dürfen, seinen inneren Frieden finden. Wenn es eine Zeit im Leben gibt, um wunschlos glücklich zu sein, dann ist es diese. Entsprechend optimistisch ist auch Tobias Esch: «Es zeigte sich in grossen Untersuchungen: Einer der verlässlichsten Faktoren fürs Glück ist das Alter selbst.»

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