Dossier: Stress und Entspannung

Gesunder Schlaf: So klappt’s

Wer seine Gesundheit optimieren möchte, darf den Schlaf nicht ausser Acht lassen. Das Bewusstsein um die Wichtigkeit unserer Nachtruhe hat zugenommen – dennoch schläft jede dritte Person in der Schweiz schlecht. Lernen Sie hier, wie es anders geht!

Text: Laurina Waltersperger; Foto: iStock

Ein Drittel unseres Lebens verbringen wir schlafend. Und trotzdem sind die Funktionen des Schlafs nach wie vor relativ unbekannt. Was die Forschung jedoch weiss: Im Schlaf arbeitet der Körper für unsere Gesundheit. Er regeneriert Zellen, stärkt das Immunsystem, reguliert den Hormonhaushalt und verarbeitet die Informationen des Tages.

Im Schlaf mistet unser Gehirn aus

Während wir schlafen, ist unser Gehirn weiterhin aktiv. Zum einen arbeitet das Gehirn an unserer Neuroplastizität. Dabei handelt es sich um die Anpassungsfähigkeit und Veränderbarkeit unserer Synapsen, Nervenzellen oder ganzer Hirnareale. Die Neuroplastizität ist die Grundlage für alles Lernen. Jeden Tag verknüpfen sich unzählige Nervenzellen. Daher mistet das Gehirn nachts die Verknüpfungen aus, die wir nicht mehr brauchen, um neue Kapazität in unserer Schaltzentrale zu schaffen. Das bedeutet: Relevante Synapsen bleiben erhalten und werden gestärkt, Wichtiges wird im Gedächtnis verankert, Unwichtiges fliegt raus. Dieses Ausmisten findet besonders während des Tiefschlafs statt. Zum anderen transportiert das Gehirn während des Schlafs auch schädliche Stoffwechselprodukte ab. Diese entstehen tagsüber bei der Aktivität im Gehirn. Ist unser Schlaf gestört, wird dieser wichtige Reinigungsprozess behindert.

Schlaf beeinflusst praktisch alle Prozesse im Körper

Während wir schlummern – aber besonders im Tiefschlaf –, reguliert der Körper unzählige Prozesse, die für unsere Gesundheit zentral sind: Allen voran regenerieren sich die Zellen unseres Körpers. Auch der Hormonhaushalt reguliert sich. Das hat unmittelbar Einfluss auf unseren Metabolismus – also darauf, wie wir Nahrung verstoffwechseln, und darauf, wie wir uns fühlen und wie gut die Abwehrkräfte unseres Immunsystems sind. So kann unzureichender Schlaf etwa zu Übergewicht, Stimmungsschwankungen oder Immunschwäche führen. Zudem stärkt der Schlaf unsere kognitiven Fähigkeiten, die Speicherkapazität unseres Gehirns und unsere Aufmerksamkeit.

Schlaf ist wichtig für unsere Psyche

Schlaf und psychische Gesundheit stehen in einem engen Wechselspiel miteinander. Schauen wir uns dieses Zusammenspiel deshalb etwas genauer an: Einzelne schlechte Nächte oder Phasen von schlechtem Schlaf sind ganz normal in unserem Leben. Doch wenn solche Phasen anhalten, kann das Folgen für unsere Psyche haben. Deshalb ist es wichtig, dass Betroffene frühzeitig Hilfe suchen – denn Schlafprobleme können relativ schnell chronisch werden und sind dann umso schwieriger loszuwerden. Schlafexpert:innen sprechen von einer chronischen Schlafstörung oder Insomnie, wenn eine Person über einen Monat hinweg mindestens dreimal die Woche schlecht einschlafen, durchschlafen oder nicht ausreichend schlafen kann.

Die Insomnie ist die am weitesten verbreite Schlafstörung. Ebenfalls stark verbreitet ist die Schlafapnoe. Hier setzt bei Betroffenen die Atmung während des Schlafens immer wieder aus, was den Schlaf stark stört. Viele Betroffene seien sich dessen nicht bewusst, sagt Schlafexperte Björn Rasch. Umso wichtiger ist eine Abklärung, wenn man über mehrere Wochen hinweg schlecht schläft. Anders als die Insomnie kann die Schlafapnoe mit einer Atemhilfe recht einfach behoben werden.

Sowohl die Insomnie wie auch die Schlafapnoe machen Betroffene risikofreudiger, reizbarer und unkonzentrierter. Mehr noch: Sie können Angststörungen, Depressionen oder Süchte auslösen und das Gedächtnis beeinträchtigen. Zur Verdeutlichung: Psychisch gesunde Menschen mit schweren chronischen Schlafstörungen laufen fünf bis zehn Jahre später ein rund doppelt so hohes Risiko, an einer Depression zu erkranken. Auch von einer Depression geheilte Personen mit Schlafstörungen laufen ein höheres Risiko, erneut zu erkranken.

«Unser Schlaf ist wie ein Barometer, das anzeigt, wie es unserer Psyche geht.»
Björn Rasch, Schlafforscher und Professor für Psychologie an der Universität Freiburg

Wer nicht schlafen kann, sollte seine Psyche anschauen

Andersrum schlafen wir schlechter, wenn wir unausgeglichen und gestresst sind oder in einer Krise stecken. «Unser Schlaf ist wie ein Barometer, das anzeigt, wie es unserer Psyche geht», sagt Rasch. In akuten Krisen sind wir uns dessen bewusst – aber in alltäglichen Belastungssituationen weniger. Daher sollten wir uns fragen, was uns tagsüber in unserem Alltag belastet; wo zum Beispiel der Erwartungsdruck an uns selbst zu hoch ist oder berufliche und soziale Verpflichtungen zu viel sind. «Dort können wir ansetzen, um uns besser zu fühlen – und so auch wieder besser zu schlafen», sagt Rasch.

Dass die Psyche unser mächtigstes Werkzeug für einen guten Schlaf ist, belegen auch die Erfolge der Psychotherapie bei Menschen mit chronischen Schlafstörungen. «Die Psychotherapie ist mittlerweile zur Standardbehandlung bei Insomnien geworden – und zeigt nachhaltig positive Wirkung», sagt Rasch.

Die Qualität des Schlafs ist immer subjektiv

Die Qualität des Schlafs ist körperlich nur schwer messbar – sie liegt meist eher im subjektiven Empfinden der einzelnen Person. Genauso wenig kann die Insomnie körperlich gemessen oder diagnostiziert werden, da ihr häufig kein organisches Problem im Körper zugrunde liegt.

Schlafrhythmus, Schlafphasen & Co. – diese Mythen zum Schlaf sollten Sie kennen

Nur wer nachts nicht aufwacht, hat einen gesunden Schlaf. Schäfchenzählen hilft beim Einschlafen. Oder acht Stunden Schlaf sind optimal. Um unseren Schlaf ranken sich zahlreiche Mythen. Wir haben sechs davon genauer unter die Lupe genommen:

Schlafmangel: Wer nicht gut schläft, sollte früher ins Bett

Dieser vielgehörte Rat sei kontraproduktiv, sagt Björn Rasch, Schlafforscher und Professor für Psychologie an der Universität Freiburg. Sie sollten es genau umgekehrt machen! Gehen Sie erst dann ins Bett, wenn Sie müde sind. So ist der Schlafdruck grösser und auch die Chance, dass Sie bald einschlafen. Das Ziel ist, kürzer, aber effizienter zu schlafen.

Wer stattdessen bei Schlafproblemen früher ins Bett geht, macht es nur schlimmer: Man hofft zwar, sich auf diese Weise doch noch irgendwie ausruhen zu können, verlängert aber meist nur die Wachzeiten im Bett. Und das wiederum erschwert das Einschlafen und fördert Unzufriedenheit über den eigenen Schlaf.  

Schlafphasen: Der Schlaf vor Mitternacht ist besonders erholsam

Für Morgenmenschen, die abends schon früh in die Federn sinken, die sogenannten Lerchen, mag diese Aussage zutreffen. Allgemein genommen stimme sie jedoch nicht, sagt Schlafexperte Rasch. Wer als Nachtmensch – von Schlafforschern Eule genannt – nur selten zu Schlaf vor Mitternacht kommt, braucht also nicht um seine Gesundheit oder seine Leistungsfähigkeit zu bangen.

Denn: Zahlreiche Studien zeigen, dass die ersten drei bis vier Stunden unseres Schlafs besonders viele Momente des Tiefschlafs beinhalten und daher sehr erholsam sind – ungeachtet dessen, wann wir einschlafen. Die Schlafphasen laufen somit immer gleich ab, wenn wir regelmässig zu ähnlichen Zeiten ins Bett gehen.

Optimale Schlafdauer I: Wir brauchen mindestens acht Stunden Schlaf

Der Schlafbedarf falle bei jeder Person unterschiedlich aus, sagt Rasch. Die oft genannten acht Stunden sind daher unsinnig. Stattdessen liegen durchschnittlich sechs bis zehn Stunden bei einem gesunden Menschen im normalen Bereich. Diese Werte beziehen sich nicht auf einzelne Nächte, sondern auf einen dauerhaften Schlafbedarf.

Achten Sie darauf, wann Sie sich morgens ausgeruht fühlen. Vielleicht ist das in Ihrem Fall schon nach sechs Stunden so – während andere neun Stunden brauchen. Hören Sie auf Ihren Körper.

Optimale Schlafdauer II: Zu wenig Schlaf wirkt sich negativ auf unsere Lebensdauer aus

Diese Aussage stimme so nicht, sagt Experte Rasch. «Studien zeigen keine signifikante Erhöhung des Sterblichkeitsrisikos bei einer regelmässigen Schlafdauer von vier bis sechs Stunden.»

Hier gibt es nur eine Ausnahme: Wer konstant zu viel schläft – etwa jede Nacht zehn Stunden oder mehr (bei Erwachsenen) –, hat eventuell ein höheres Sterblichkeitsrisiko. Jedoch wahrscheinlich nicht wegen des Schlafes an sich, sondern weil dieser hohe Schlafbedarf oft ein Hinweis auf eine sekundäre Erkrankung ist. Diese führt dazu, dass Betroffene so viel schlafen.  

Schlafhormon Melatonin: Handykonsum vor der Nachtruhe erschwert das Einschlafen

Jein. Wer noch bis ins Bett am Handy ist oder sich sogar aus dem Schlaf wecken lässt, um ständig erreichbar zu sein, der stört seinen Schlaf. Daher: Nehmen Sie das Handy lieber nicht ins Schlafzimmer.

Grundsätzlich haben neuste Studien jedoch gezeigt, dass das sogenannte Blaulicht elektronischer Geräte einen geringeren Einfluss auf den Körper hat als bisher angenommen – insbesondere auch nicht auf die Produktion des Schlafhormons Melatonin.

In einer Studie wurde die Schlafqualität von Proband:innen untersucht, die vor dem Einschlafen drei Stunden Netflix geschaut hatten. «Sie gingen zwar tendenziell später ins Bett und verkürzten damit ihre Gelegenheit zu schlafen, aber sie konnten mehrheitlich trotzdem gut schlafen», sagt Rasch.

Störfaktoren: Der Vollmond erschwert den Schlaf

Der Glaube, dass der Mond und speziell der Vollmond den Schlaf beeinflussen, ist stark verbreitet und hat in den vergangenen Jahren sogar noch um sich gegriffen. Der wissenschaftliche Beweis für diesen Effekt ist allerdings gering und auch nicht eindeutig. So könnte das Licht des Vollmonds, insbesondere in ländlichen Regionen ohne viel künstliches Licht, einen Einfluss auf den Schlaf haben. Dieser Effekt lässt sich durch Verdunklung des Schlafzimmers aber recht einfach eliminieren.

Die Anziehungskraft des Mondes ist als Ursache aber wahrscheinlich auszuschliessen: Wie wir von Ebbe und Flut wissen, schwankt die Mondanziehungskraft über den Tag stark, während sich die Anziehungskraft zwischen Neumond und Vollmond nur geringfügig verändert. Über einen Zusammenhang zwischen Schlafqualität und den Gezeiten werde jedoch so gut wie nie berichtet, sagt Schlafforscher Rasch.

Tipps zur Schlafhygiene: Pflegen Sie Ihren Schlaf wie Ihren Körper!

Kümmern Sie sich um die Qualität Ihres Schlafs – damit Sie sich morgens erholter fühlen und allfällige Folgen bis hin zu Krankheiten vermeiden, die durch unzureichenden Schlaf mitverursacht werden.

Gelassen bleiben

Bewahren Sie Ruhe, auch wenn es mal schlechter läuft mit Schlafen. Es ist ganz natürlich, dass die Schlafqualität nicht immer dieselbe ist. Versteifen Sie sich nicht zu fest darauf, in solchen Situationen möglichst rasch wieder einschlafen oder die Schlafschwierigkeiten möglichst schnell wieder loswerden zu wollen. Hören Sie auf Ihren Körper: Wie fühle ich mich? Bin ich gestresst, fühle ich mich unter Druck? Setzen Sie tagsüber dort an.

Zudem: Mit steigendem Alter nimmt die Schlafqualität generell ab. Schlafexpert:innen raten, sich nachts um 3 Uhr nicht wieder zum Einschlafen zu zwingen. Wenn Sie können, bleiben Sie liegen, machen Sie Entspannungs- oder Atemübungen oder meditieren Sie. Oder stehen Sie auf, tun Sie etwas. Wenn es Ihr Alltag erlaubt – oft sind Betroffene nicht mehr ins Berufsleben eingebunden –, gehen Sie zurück ins Bett, wenn Sie höchstwahrscheinlich gegen 5 oder 6 Uhr in der Früh wieder müde werden.

Der geeignete Schlafrhythmus: Aus weniger wird mehr

Verkürzen Sie die Zeit im Bett, wenn Sie schlecht schlafen. Wer zu viel Zeit im Bett verbringt, döst eher und baut nicht genügend Schlafdruck für den tatsächlichen Tiefschlaf auf. Ein Schlaftagebuch kann helfen, sich einen Überblick über den eigenen Schlafzyklus zu verschaffen und darauf, in welchen Situationen Sie wie gut schlafen.

Zum Beispiel: Wie lange und wie gut schlafen Sie im Urlaub, wenn Sie weniger soziale und berufliche Verpflichtungen haben? Laut Expert:innen ist das oft ein guter Indikator für den eigenen Schlafbedarf und Schlafrhythmus.

Optimale Schlafdauer: Schlaffenster anpassen und zu regelmässigen Zeiten schlafen

Der nächste wichtige Tipp für einen gesunden Schlaf: die Ruhezeit dem eigenen sogenannten Chronotyp anpassen. Es gilt also herauszufinden, wann man am besten schläft. Es gibt tatsächlich Frühtypen und Spättypen. Vielleicht schlafe ich also von 22 bis 4 Uhr am besten oder von 1 bis 7 Uhr.

Schaffen Sie tagsüber mehr Entspannung, um nachts besser zu schlafen

Setzen Sie sich am Tag mit sich selber auseinander: Wie gestalte ich meinen Tag? Warum fühle ich mich überlastet? Welche Erwartungen habe ich an mich, sind diese vielleicht zu hoch? Wie kann ich meinen Alltag besser gestalten? Wo kann ich mir Pausen zum Abschalten einbauen, wie kann ich Achtsamkeit üben, wann finde ich Zeit für körperliche Bewegung und wie kann ich Aktivitäten in mein Leben integrieren, die mich glücklich machen?

Über den Experten

Björn Rasch ist Professor am Departement für Psychologie der Universität Freiburg. Er leitet dort die Abteilung kognitive Biopsychologie und Methoden, zudem betreibt er Grundlagenforschung zum Schlaf. In seinem 2021 erschienenen Buch «Schlaf. Rasch erklärt» geht er umfassend auf Schlafprobleme und Schlafstörungen ein und erläutert, was Betroffene dagegen tun können. 

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