Zöliakie: Ursachen, Symptome & glutenfreie Ernährung

Für Menschen mit Zöliakie sind Brot, Pizza und Pasta eine Gefahr für ihre Gesundheit – denn diese Lebensmittel enthalten Gluten. Was sind die Symptome einer Glutenintoleranz? Und wie lässt sich die Autoimmunerkrankung behandeln?

Text: Julie Freudiger & Anne-Sophie Keller

Bilder: iStock

7 Min

25.08.2025

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Seit in den Regalen der Supermärkte immer mehr glutenfreie Produkte stehen, kommt öfter die Frage auf: Was ist Gluten? Alles nur ein Trend? «Gluten ist ein Klebereiweiss, das in verschiedenen Getreidesorten wie Weizen, Dinkel, Gersten oder Roggen vorkommt», erläutert Sabina Raschle. Die Ernährungsberaterin SVDE ist im Ernährungszentrum Zürich tätig und auf glutenfreie Ernährung und Zöliakie spezialisiert. 

Zusammenfassung

  • Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung, bei der Gluten Entzündungen im Dünndarm auslöst, was die Darmschleimhaut schädigt und die Nährstoffaufnahme beeinträchtigt.
  • Die einzige wirksame Behandlung ist eine strikt glutenfreie Ernährung, die zur vollständigen Regeneration der Darmschleimhaut führen kann.
  • Symptome sind vielfältig und reichen von Magen-Darm-Beschwerden bis zu Blutarmut; eine Diagnose erfolgt durch Bluttest und Magenspiegelung.
  • Gluten steckt nicht nur in Lebensmitteln wie Brot und Pasta, sondern auch in Produkten wie Bier, Sojasauce, Ovomaltine oder Bouillon.
  • Glutenfreie Ernährung erfordert Aufmerksamkeit; eine ausgewogene Ernährung mit naturbelassenen Lebensmitteln und Nüssen wird empfohlen.

Video: Zöliakie einfach erklärt

Was ist Zöliakie?

Zöliakie ist eine fehlgeleitete Reaktion des Immunsystems: Es bewertet Lebensmittel mit Gluten irrtümlich als gefährlich und reagiert mit Entzündungen im Dünndarm. Dadurch wird die Darmschleimhaut geschädigt, die feinen Darmzotten bilden sich zurück, und die Aufnahme von Nährstoffen verschlechtert sich.

In der Schweiz leidet rund 1 Prozent der Bevölkerung an der Autoimmunerkrankung; die Dunkelziffer ist hoch. «Wir gehen davon aus, dass 75 Prozent der Betroffenen nicht wissen, dass sie Zöliakie haben. Früher ging man eher davon aus, es sei eine Kinderkrankheit. Wenn Erwachsene mit Bauchschmerzen kamen, hat man gar nicht nach einer Zöliakie gesucht. Heute wird das häufiger getestet», ergänzt Raschle.

Dabei wären eine frühzeitige Diagnose und eine rasche Ernährungsanpassung so wichtig: Viele Betroffene, die an einer unentdeckten Zöliakie leiden, weisen gravierende Nährstoffmängel wie einen Mangel an Eisen, Vitamin B12 oder Calcium auf. Letzterer kann sogar zu einer reduzierten Knochendichte führen.

Was ist der Unterschied zwischen Glutenunverträglichkeit und Zöliakie?

Zöliakie wird auch als Glutenintoleranz beschrieben, da Gluten eine schädliche Entzündung im Dünndarm auslöst. Glutenunverträglichkeit verursacht ähnliche Beschwerden wie eine Zöliakie: Blähungen, Bauchschmerzen oder Müdigkeit. Sie schädigt den Darm jedoch nicht. Zur Abgrenzung wird die Unverträglichkeit auch Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität (NCGS) genannt.

Was beide gemeinsam haben: Sie bessern sich oft durch eine glutenfreie Ernährung – bei Zöliakie ist diese jedoch zwingend notwendig.

Keine Zöliakie, aber verwandt

Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität (NCGS)


Bei Betroffenen setzen die Reaktionen einige Stunden bis Tage nach dem Verzehr von glutenhaltigen Lebensmitteln ein. Bei einer Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität sind die Symptome vielfältig und reichen von Magen-Darm-Beschwerden über chronische Müdigkeit bis hin zu Kopfschmerzen. Anders als bei der Zöliakie bleibt der Darm bei der NCGS intakt. Eine Diagnose erfolgt durch Ausschluss von Zöliakie und Weizenallergie. 

 

Weizenallergie

Bei der Weizenallergie ist der Allergieauslöser nicht das Gluten, sondern es handelt sich um andere im Weizen enthaltene Proteine. Die Symptome reichen von Juckreiz und Rötungen bis zu Atemnot. Vor allem Kinder sind davon betroffen, in der Pubertät klingt die Weizenallergie meistens ab.

Symptome: Wie äussert sich Zöliakie?

Die Zöliakie-Symptome reichen von typischen Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall, Verstopfung, Übelkeit, Erbrechen, Blähungen und Bauchschmerzen bis zu Müdigkeit, Kopfschmerzen, Blutarmut oder unerklärbarem Gewichtsverlust. Wegen der breiten Palette an Krankheitsbildern dauert es oft lange, bis Betroffene eine Diagnose erhalten.

Zweifelsfrei feststellen lässt sich Zöliakie nur mittels einer Blutprobe und – wenn entsprechende Antikörper gefunden werden – einer Magenspiegelung. «Von Selbsttests rate ich stark ab. Das Resultat ist nicht verlässlich», warnt Raschle.

Und was passiert nach der Diagnose? Die einzige, dafür aber sehr wirksame Behandlung bei Zöliakie ist eine glutenfreie Ernährung. Die Expertin beruhigt: «Sofern sich Betroffene an eine absolut glutenfreie Diät halten, erholt sich die Darmschleimhaut wieder vollständig.»

Ursache: Wie entsteht Zöliakie?

Rund 800 000 Menschen sind hierzulande von Zöliakie betroffen – Tendenz steigend. Doch die wenigsten Menschen mit einer genetischen Veranlagung erkranken auch daran. Das macht die Frage nach den Auslösern für einen Krankheitsausbruch umso spannender. Darminfektionen oder die Einnahme von Antibiotika gehören beispielsweise dazu.

«In vielen Fällen kennen wir die Auslöser schlicht nicht», so Raschle. Man weiss jedoch, dass die frühkindliche Ernährung eine Rolle spielen kann. «Entscheidend ist, wann das Immunsystem des Babys zum ersten Mal mit Gluten in Kontakt kommt. Geschieht dies zu früh oder zu spät, gilt es als Risikofaktor.»

Glutenfreie Ernährung zur Behandlung von Zöliakie

Zöliakie-Betroffene müssen also alle Lebensmittel meiden, die glutenhaltige Stoffe enthalten. Prominente Beispiele sind herkömmliches Brot, Pizza, Kuchen und Pasta. Aber es gibt auch zahlreiche Lebensmittel auf der Glutenliste, die überraschen: Ovomaltine, Bier, Sojasauce, Beutelsuppen und einige Bouillonsorten enthalten ebenfalls das Klebereiweiss.

Auch bei Haferflocken ist der Griff nach der glutenfreien Variante unerlässlich. Denn obwohl Hafer eigentlich glutenfrei ist, finden sich in handelsüblichen Haferflocken meist Spuren davon.

Welche Lebensmittel sind glutenfrei?

Ein zuverlässiger Indikator für glutenfreie Produkte ist das Glutenfrei-Label. Da sich aber die durchgestrichene Ähre in einem Kreis nicht auf jedem glutenfreien Lebensmittel findet, müssen Betroffene die Zutatenliste eines jeden Produkts genau studieren. «Das ist zu Beginn nicht ganz einfach, es braucht Zeit und Übung», weiss Raschle.

Die glutenfreie Ernährung sei generell eine Herausforderung. «Oft fehlen in diesen Produkten Nahrungsfasern und Nährstoffe, die wichtig für die Verdauung sind.» Dennoch können glutenfreie Pizza oder glutenfreies Brot eine willkommene Abwechslung sein. Raschles Tipp: «Nüsse und Kerne enthalten viele Nährstoffe und Nahrungsfasern. Wer sie zusätzlich auf die Gerichte gibt, holt viel heraus.»

Weitere von Natur aus glutenfreie Nahrungsmittel sind Polenta, Quinoa, Kartoffeln, Reis, Mais, Buchweizen, Amaranth, Hirse, Teff und Hülsenfrüchte. Kombiniert mit unverarbeiteten Lebensmitteln wie Eiern, Milchprodukten, Fisch, Fleisch, Tofu, Tempeh, Gemüse, Früchten und Pflanzenölen ergeben sich ausgewogene Menüs.

Eine Ernährungsberatung schafft dabei Klarheit. Auf der Website der Fachgruppe Zöliakie werden diejenigen Ernährungsberater:innen aufgelistet, die eine Zöliakie-Spezialisierung mitbringen. Auch die Website der IG Zöliakie der Deutschen Schweiz ist eine gute erste Anlaufstelle für Betroffene. «Die Empfehlung ist nach wie vor eine hundertprozentige glutenfreie Ernährung. Eine Liste schafft dabei Orientierung und Sicherheit», ergänzt Raschle.

  • Glutenfreie Lebensmittel

    Viele Menschen verbinden eine glutenfreie Ernährung automatisch mit dem Verzicht auf Brot, Pasta und Kuchen. Dabei gibt es eine ganze Reihe von Lebensmitteln, die von Natur aus glutenfrei sind – und manche davon überraschen selbst erfahrene Glutendetektive.

    • Getreide: Reis, Mais, Hirse, Quinoa, Buchweizen, Amaranth, Polenta, Maisgriess, Popcorn ohne Aromapulver
    • Hülsenfrüchte: Linsen, Bohnen, Erbsen, Kichererbsen, Sojabohnen
    • Obst und Gemüse: Alle frischen Obst- und Gemüsesorten
    • Milchprodukte: Milch, Joghurt, Käse (naturgereift), Quark, Frischkäse
    • Fleisch, Fisch und Eier: naturbelassen, ohne Panade oder glutenhaltige Zusätze
    • Nüsse und Samen: Alle Nuss- und Samenarten (ungewürzt)
    • Süssungsmittel: Honig, Ahornsirup, Agavendicksaft
    • Glutenfreie Mehle: Kartoffelmehl, Mandelmehl, Kokosmehl, Kichererbsenmehl, Reis- und Maismehl, Buchweizenmehl. Zudem: Kartoffel- und Maisstärke
  • Weitere glutenfreie Lebensmittel

    • Reis- und Glasnudeln sowie Pasta aus Hülsenfrüchten oder Mais
    • Kartoffelchips, die nur aus Kartoffeln, Öl und Salz bestehen
    • Reiner, zertifizierter glutenfreier Hafer
    • Weizen- und Gerstengras
    • Die japanische Sojasauce Tamari
    • Der Geschmacksverstärker Glutamat
    • Reine, dunkle Schokolade
    • Marzipan

Tipps für den Umgang im Alltag

Was man essen und nicht essen sollte, ist grundsätzlich relativ einfach. Doch was passiert beim Restaurantbesuch oder bei der Einladung von Freunden? Oft fühlen sich Betroffene schlecht, weil sie «kompliziert» sind.

Sabine Raschle empfiehlt eine Mischung aus klarer Kommunikation und etwas Erwartungsmanagement. Das heisst: Wenn möglich, im Restaurant vorher reservieren und die Zöliakie anmelden – und bei der Bestellung unbedingt nochmals nachfragen. «Man weiss schlicht nicht, wie ein Gericht zubereitet wird. Etwa, ob der Salat noch mit Croûtons angereichert wird.»

Trotz aller Bemühungen klappt ein optimales Menü nicht immer und die Auswahl bleibt bescheiden. «Dann empfehle ich den Leuten, sich an den anderen schönen Aspekten des Abends zu orientieren und sich daran zu erfreuen: an der Gesellschaft oder einem feinen Apérogetränk, das man nicht jeden Tag bestellt.»

Auch bei der Einladung von Freunden ist Kommunikation zentral: «Man kann Gastgebende fragen, ob sie schon eine Menüplanung haben. Dann kann man entscheiden, ob man das essen kann oder vielleicht selber etwas mitbringt.»

Vielen Gastgebenden fehlt das entsprechende Wissen, und hier können Betroffene mit Hinweisen nachhelfen: zum Beispiel, wie eine Sauce glutenfrei zubereitet wird. So kann man Frust vermeiden. «Damit der Gast nicht hungrig nach Hause muss und der Gastgeber nicht beleidigt ist, wenn man mit dem Tupperware aufkreuzt. Gemeinsam klappt das meistens.»

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