Dossier: Junge Erwachsene

Verhütung: Welche Methode passt zu mir?

Sicher und möglichst natürlich: So möchten junge Menschen heute verhüten. Doch wie realistisch ist dieser Wunsch und welche Möglichkeiten gibt es?

Text: Katharina Rilling; Fotos: iStock

Der erste Schwarm, der erste Kuss, der erste Sex – Schmetterlinge im Bauch und viele neue Erfahrungen machen das Erwachsenwerden so aufregend. Gleichzeitig wird die Frage nach der richtigen Schwangerschaftsverhütung wichtig. Welches also ist sie, die aktuell beste Verhütungsmethode auf dem Markt? «Das kann für jede Frau eine andere sein», sagt Irène Dingeldein, Präsidentin der Fachgesellschaft Gynécologie Suisse. «Hauptsache, die Methode ist sicher, einfach anzuwenden, nebenwirkungsarm und passt zum Lebensstil.»

Nicht nur für die Frau: Beratung bei der Gynäkologin

Um herauszufinden, welches Verhütungsmittel passt, ist die Beratung bei der Frauenärztin oder beim Frauenarzt unerlässlich. Die meisten Mädchen kommen im Alter von 14 bis 17 Jahren zum ersten Mal in die Praxis. «Auslöser sind oft Beschwerden während der Periode oder der erste Freund», weiss Dingeldein. «In der Sprechstunde besprechen wir dann den Lebensstil, etwa ob die junge Frau raucht oder Medikamente einnimmt. Und ich frage Erkrankungen in der Familie ab wie Thrombosen, Lungenembolie, Herzinfarkt, Bluthochdruck oder Krebs» – sie beeinflussen die Wahl der Verhütungsmethode.

«Es freut mich übrigens, wenn die Mutter des Mädchens mitkommt und es unterstützt», sagt Dingeldein. «Und natürlich der Freund, denn ihn geht das Thema Verhütung genauso etwas an.» Untersuchen lassen muss sich im Rahmen der Beratung niemand. Mit Ausnahme derer, die sich für eine Spirale entscheiden: «Diese muss in die Gebärmutter eingesetzt werden. Darum untersuche ich die Frau zuvor und zeige ihr, wie alles funktioniert», erklärt Dingeldein.

Möglichst natürlich verhüten

Im Moment beobachtet die Gynäkologin einen Trend hin zu Natürlichkeit: «Junge Erwachsene interessieren sich vermehrt für die Kupferspirale. Sie wollen am liebsten keine Hormone zu sich nehmen, um ihren Körper oder die Umwelt damit nicht zu belasten», so Dingeldein. Ruth Drahts von der Frauenpraxis Buchenhof in Sursee teilt diese Einschätzung: «Auch ich werde zunehmend von jungen Frauen mit der Aussage konfrontiert, dass sie keine Hormone einnehmen möchten. Wenn ich sie dann aber über alle Vor- und Nachteile informiere, landen wir häufig doch bei der Pille. Oft ist sie nämlich die beste Lösung – zumindest als erstes Verhütungsmittel», sagt sie. Wichtig sei es, zu realisieren: «Die vollends natürliche, absolut sichere und jederzeit verfügbare Verhütungslösung – die gibt es nicht. Es handelt sich immer um einen Eingriff in die Natur.»

Drahts gibt auch zu bedenken, dass gar nicht so viele unterschiedliche Möglichkeiten in Frage kämen. Entweder man unterdrücke die Eireifung und den Eisprung – was sehr zuverlässig sei, aber Auswirkungen auf den Körper der Frau habe. Oder aber man verhüte mit einem Fremdkörper in der Gebärmutter, etwa durch die Hormonspirale oder die Kupferspirale – was nicht für jede Frau die geeignete Form sei. Eine weitere Möglichkeit sei, die Schwangerschaft mechanisch oder chemisch zu verhindern, also mit Kondom und chemischen Mitteln – verbunden mit einer gewissen Unsicherheit.

Wie sicher sind Zyklustracking, Temperaturmessung & Co.?

Ausschliesslich auf Methoden der Zyklusbeobachtung zu setzen, etwa mittels Temperaturmessung oder App, die den Eisprung berechnet, empfiehlt die Gynäkologin jungen Frauen nicht. «So sollen die fruchtbaren Tage ermittelt werden. Das ist gerade in der Jugendzeit sehr unsicher und erfordert viel Disziplin. Um sicher zu verhüten, muss das Paar über mehrere Tage auf Geschlechtsverkehr verzichten oder eben doch mit Kondom verhüten. Es handelt sich dabei also nicht um eine Verhütungsmethode.»

Ändern wird sich an den verbleibenden Möglichkeiten so schnell wohl nichts: «Man forscht an Präparaten, die noch weniger Hormone enthalten, oder an anderen Formen der Spirale. Wirklich neue Methoden, zum Beispiel sichere, reversible und nebenwirkungsarme Methoden für den Mann, sind noch nicht in Sicht», so Drahts. «Für die allermeisten Paare findet sich aber ein gutes und ungefährliches Verhütungsmittel, das passt.»

Kombinierte hormonelle Verhütungsmethoden

Diese Verhütungsmittel enthalten eine Kombination aus Östrogen und einem Gelbkörperhormon (Gestagen). Die künstlich hergestellten Hormone unterdrücken den Zyklus der Frau – mit durchaus erwünschten Begleiterscheinungen wie einer Linderung von Akne, starken Blutungen und Schmerzen während der Periode. Auch gutartige Erkrankungen der Gebärmutter (z. B. Myome) können sich verbessern.

Allerdings steigt das Thromboserisiko leicht an. Für Frauen mit starkem Übergewicht, einer Veranlagung in der Familie oder Vorerkrankungen (z. B. Thrombose, Epilepsie, Diabetes) und für starke Raucherinnen eignen sich die Präparate nicht. Und: Gewisse Medikamente, Durchfallerkrankungen und Erbrechen schwächen die Wirkung der Verhütungsmittel ab. «Einige Frauen nehmen auch zu und haben das Gefühl, dass die Hormone sie psychisch veränderten. Sie können bei einer entsprechenden Veranlagung eine Depression auslösen. Andersherum können sich durch die Hormone Stimmungsschwankungen auch reduzieren», so Dingeldein.

Die kombinierte Pille

Die tägliche Tablette hemmt den Eisprung, verhindert den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut und hält durch eine Verdickung des Schleims am Gebärmutterhals die Spermien von der Gebärmutter ab. Irène Dingeldein weiss: «Man muss keine Panik vor einer Thrombose haben. Aber die Pille ist ein Medikament und keine Praline.»

Zuverlässigkeit: sehr hoch

Vorteil: Verschieben der Menstruation möglich

Nachteile: tägliche Einnahme, leicht erhöhtes Thromboserisiko

Das Hormonpflaster

Das Hormonpflaster wird auf die Haut an Po oder Bauch, Aussenseite des Oberarms oder Oberkörper geklebt. Jede Woche ist ein Pflasterwechsel nötig, nach drei Wochen folgt eine Woche Pause. Die Hormone werden über die Haut aufgenommen.

Zuverlässigkeit: hoch

Vorteile: kein Wirkungsverlust durch Erbrechen und Durchfall, Verschieben der Menstruation möglich, keine tägliche Einnahme

Nachteile: Pflaster kann Haut reizen, ist sichtbar und kann sich ablösen, leicht erhöhtes Thromboserisiko

Der Vaginalring

Der weiche Plastikring mit fünf Zentimetern Durchmesser kann selbst in die Scheide eingeführt werden. Dort bleibt er für drei Wochen und gibt Hormone ab. Sollte der Vaginalring beim Sex stören, kann er für maximal drei Stunden herausgenommen werden.

Zuverlässigkeit: hoch

Vorteile: kein Wirkungsverlust durch Erbrechen und Durchfall, Verschieben der Menstruation möglich, keine tägliche Einnahme

Nachteile: Ausstossen des Rings und Fremdkörpergefühl möglich, leicht erhöhtes Thromboserisiko

Östrogenfrei verhüten

Diese Verhütungsmittel enthalten ausschliesslich das Hormon Gestagen. Ihr Hauptvorteil: Sie erhöhen das Thromboserisiko nicht. «Diese Präparate werden immer beliebter. Durch die Langzeiteinnahme reduzieren sich Monatsblutungen und Beschwerden oft deutlich oder bleiben sogar ganz aus. Nachteile sind manchmal ein schlechteres Hautbild und unregelmässige, zum Teil ständig wiederkehrende Zwischenblutungen», so Gynäkologin Ruth Drahts. Anders als die kombinierten Methoden beeinträchtigen Durchfall oder Erbrechen, reisebedingte Zeitverschiebungen oder Anwendungsfehler ihre Wirksamkeit nicht.

Die Gestagen-Pille

Die Gestagen-Pille ist für Frauen geeignet, die kein Östrogen einnehmen dürfen oder wollen. Sie hemmt wie die kombinierte Pille den Eisprung. «Die Schleimhaut wird nicht aufgebaut, sondern bleibt flach. Will man nicht schwanger werden, muss sie das aber auch nicht», so Dingeldein.

Zuverlässigkeit: sehr hoch

Vorteil: Einsatz bei Östrogen­-Unverträglichkeit

Nachteile: tägliche Einnahme, teilweise Blutungsunregelmässigkeiten

Das Hormonimplantat

Das Hormonimplantat ist ein Kunststoffstäbchen, das die Ärztin am Oberarm unter die Haut setzt und das dort bis zu drei Jahre bleiben kann.

Zuverlässigkeit: sehr hoch

Vorteile: Langzeitverhütung, Einsatz bei Östrogen-Unverträglichkeit, kein Wirkungsverlust durch Erbrechen/Durchfall, keine tägliche Einnahme

Nachteile: kleiner operativer Eingriff durch Gynäkologin/Gynäkologen, oft Zwischenblutungen

Die Hormonspirale

Die Hormonspirale setzt die Gynäkologin in die Gebärmutter ein. Dort kann sie drei bis fünf Jahre lang verbleiben.

Zuverlässigkeit: sehr hoch

Vorteile: Langzeitverhütung, Einsatz bei Östrogen-Unverträglichkeit, wirkt direkt am «Ort des Geschehens», keine Unterdrückung des Eisprungs, eigener Zyklus bleibt bestehen, kein Wirkverlust durch Erbrechen, Durchfall oder Medikamente

Nachteil: Einsetzen durch Gynäkologin

Die Hormonspritze

Die Hormonspritze wird von der Frauenärztin verabreicht und schützt drei Monate lang vor einer Schwangerschaft.

Zuverlässigkeit: sehr hoch

Vorteile: Einsatz bei Östrogen-Unverträglichkeit, kein Wirkverlust durch Erbrechen und Durchfall

Nachteile: regelmässige Verabreichung einer Spritze, Rückkehr zur Fruchtbarkeit erst nach mehreren Wochen bis Monaten nach Absetzen, ungünstige  Wirkung auf den Knochenaufbau in der Jugend

Hormonfreie Verhütungsmittel

Hormonfreie Verhütungsmethoden setzen auf die mechanische oder chemische Verhütung.

Kupfer (Spirale, Kette, Ball)

Das kupferhaltige Verhütungsmittel wird von der Ärztin in die Gebärmutter eingesetzt. Dort kann es (je nach Modell) bis zu zehn Jahre verbleiben. Kupfer schränkt die Beweglichkeit der Samenzellen ein und verhindert durch eine Entzündungsreaktion das Einnisten befruchteter Eizellen. « Empfehlen kann ich die Kupferspirale bei Jugendlichen nur, wenn keine starken Menstruationsschmerzen oder starke Blutungen bestehen», so Drahts.

Zuverlässigkeit: sehr hoch

Vorteile: Langzeitverhütung, hormonfrei, wirkt direkt am «Ort des Geschehens», kein Wirkverlust durch Erbrechen und Durchfall

Nachteile: Einsetzen durch Gynäkologin, Blutungen werden oft schmerzhafter und stärker, Spirale oder Kette können verrutschen oder herausfallen

Kondom

Das Kondom besteht aus einer hauchdünnen Hülle, die über den erigierten Penis des Mannes gerollt wird. Die Samenflüssigkeit gelangt so nicht in den Körper der Frau. Allerdings besteht das Risiko von Anwendungsfehlern und Missgeschicken. «Ich empfehle jungen Frauen, zusätzlich zu anderen Verhütungsmethoden immer auch ein Kondom zu verwenden. Denn es schützt zusätzlich vor sexuell übertragbaren Krankheiten», so Dingeldein.

Zuverlässigkeit: mittel

Vorteile: Schutz vor Geschlechtskrankheiten, Anwendung nur bei Bedarf, hormonfrei, kaum Nebenwirkungen

Nachteile: kann allergische Reaktionen hervorrufen, Einsatz unmittelbar vor dem Geschlechtsverkehr, kann reissen

Diaphragma & Co.

Das Diaphragma können Frauen selbst in die Scheide einführen. Dort versperrt es den Spermien den Zugang zur Gebärmutter. Es schützt aber nur bei richtiger Anwendung und perfektem Sitz. Für einen besseren Schutz kann es mit einer spermienabtötenden Creme kombiniert werden.

Zuverlässigkeit: mittel

Vorteile: latexfrei, keine Hormone

Nachteil: knifflige Handhabung

Chemische Verhütungsmittel

Sie enthalten Substanzen, die Spermien abtöten. Es gibt sie in Form von Cremes, Gels, Scheidenzäpfchen, Vaginalfilm und -schaum. Sie sind nicht sehr sicher und sollten nur in Verbindung mit mechanischen Verhütungsmitteln wie Kondomen oder Diaphragma verwendet werden.

Sterilisation/Vasektomie

Eignet sich nur für Menschen, die sich absolut sicher sind, dass sie keine Kinder (mehr) bekommen möchten, da diese Entscheidung in der Regel nicht rückgängig gemacht werden kann. Die Operation kann bei der Frau und beim Mann durchgeführt werden. Eine Vasektomie beim Mann lässt sich in den meisten Fällen rückgängig machen. Die Tubenligatur bei der Frau ist komplizierter und lässt sich nur schwer wieder rückgängig machen.

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