Digital Natives setzen auf das Potenzial der digitalen Tools

Digital Natives sind mit den digitalen Möglichkeiten im Gesundheitssystem vertraut. Auf der persönlichen Ebene müssen diese verlässlich und sicher sein, ohne mental Druck auszuüben. Auf der gesellschaftlichen Ebene sollten sie die Informiertheit fördern. Solidarität assoziieren die Jungen mit Respekt und einem «Füreinander Einstehen».

Ergänzend zu den schweizweit durchgeführten Gruppendiskussionen wurde in einem einstündigen Messenger-Chat mit Bürgerinnen und Bürgern im Alter zwischen 18 und 25 Jahren die Optik der «Digital Natives» einbezogen. Ziel war es, einen Einblick ihrer Perspektiven auf die Digitalisierung des Gesundheitssystems und ihren Blick auf die Solidarität zu erhalten. Geht es um die Solidarität, steht bei den Jungen ein Füreinander Einstehen im Vordergrund (Verhaltenssolidarität): Man «hilft sich von Mensch zu Mensch», «die Gesunden helfen den Kranken» oder man stellt die eigenen Bedürfnisse zurück, wird in den Chat geschrieben. Es geht um «a small sacrifice for a bigger thing». Solidarität bedeutet für sie aber auch, die Arbeit von Gesundheitsfachpersonen wertzuschätzen.

Finanzielle Solidarität im Fokus

Solidarität im Gesundheitswesen ist heute vor allem finanzielle Solidarität. Alle – Männer und Frauen, Junge und Alte, Gesunde und Kranke – sollen unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten diskriminierungsfreien Zugang zu ausreichenden und qualitativ guten Gesundheitsleistungen haben. Dieses Verständnis von Solidarität ist für Bürgerinnen und Bürger und Gesundheitsfachleute zentral und klar akzeptiert.

Bürgerinnen und Bürger realisieren gleichzeitig, dass in der Praxis - trotz eines Systems mit verschiedenen Unterstützungsmechanismen - Gesundheitsausgaben oder Prämienrechnungen bei einigen Personen ernsthafte finanzielle Sorgen auslösen können. Für Gesundheitsfachleute ist ausserdem die Verhaltenssolidarität von besonderer Bedeutung. Gemeint ist damit ein relativ breit gefasstes gegenseitiges Füreinander-Einstehen und Sorge tragen.

«Solidarität ist extrem wichtig. Im Gesundheitswesen ist Solidarität, dass man sich von Mensch zu Mensch, von Alt zu Jung gegenseitig hilft und füreinander da ist.»

Praktikant, 19 Jahre

Apps und Online-Systeme, die bequem Nutzen bringen

Im Verlaufe des Chats haben die Jungen deutlich gemacht, dass sich durch die digitalen Tools die Verständigung mit Gesundheitsfachleuten und die Informationsmöglichkeiten in vielerlei Hinsicht verbessert und vereinfacht haben. Sie greifen gerne auf digitale Lösungen zurück und verwenden alle möglichen Formen von Gesundheitsapps. Besonders beliebt sind Schrittzähler- und Sport-Apps. Aber auch Krankenkassen-Apps werden geschätzt. Einige nutzen digitale Helfer im Alltag um einen gesunden Lebensstil zu unterstützen – Apps zur Prüfung der Inhaltsstoffe von Lebensmitteln – oder zum «Tracken» des eigenen Zyklus.

Als «User» solcher Apps erwarten die 18- bis 25-Jährigen jedoch einen noch grösseren Nutzen vom Sammeln der Daten. Besonders am Herzen liegen ihnen eine grössere Transparenz und Genauigkeit: «Ich würde gerne meinen Blutzucker verfolgen können. Das ist bereits möglich, jedoch sind die Daten oft noch zu ungenau», chattet einer der Teilnehmer.

Ganz im Sinne der Patientensouveränität wollen sie auch, dass es bei der Online-Kommunikation mit Ärztinnen und Ärztinnen vorwärts geht. Die WhatsApp-Gruppe plädiert dafür, dass Konsultationen nicht nur für die Patientenakte dokumentiert, sondern dass die Informationen auch mit den Patientinnen und Patienten geteilt werden. So könnten alle im Nachhinein auf die Informationen zurückgreifen und z.B. unklare Fachausdrücke nachschlagen und sich weitergehend informieren.

Der Umgang mit Gesundheitsinformationen will gelernt sein

Chancen sehen «Digital Natives» – mit dem Verweis auf die Erfahrungen aus der Pandemie – für digitale Gesundheitskampagnen. Sie könnten dank digitaler Technologien schneller, breiter und zielgruppengerechter adressiert werden. Kritisch betrachten die jungen Menschen den alltäglichen Umgang mit den unzähligen Gesundheitsinformationen im Netz und den damit verbundenen, möglichen Fehlinformationen sowie die wachsende Abhängigkeit von digitalen Technologien.

Daten teilen um jeden Preis?

Auch teilen die Jungen die Ansicht, dass das strukturierte Sammeln und Analysieren von Gesundheitsdaten wesentlich zur Informations- und Erkenntnisverbesserung für alle beiträgt: «Mehr Daten = Mehr Analysen = Mehr Forschungen = Mehr Lösungen.» Doch sie möchten von den verantwortlichen Akteuren im Gesundheitssystem darauf aufmerksam gemacht werden, wenn das Risiko von Datenmissbrauch besteht. Ganz generell ist es ihnen ein zentrales Anliegen, dass Wissen über und der Umgang mit Gesundheitsdaten – die sogenannte Data Literacy – in der Bevölkerung gefördert wird.

Ein Aspekt, der weder von Gesundheitspraktikerinnen und Gesundheitspraktikern noch von den älteren Bürgerinnen und Bürgern, sondern ausschliesslich von den Jungen im WhatsApp-Chat adressiert wurde, ist die Auswirkung der Nutzung digitaler Tools auf die mentale Gesundheit. Konkret steht die Frage im Raum, ob ein laufendes Monitoring des Gesundheitszustands mental Druck erzeugt: Weil die Erwartung, sich gesund normativ zu verhalten, steigt und Ergebnisse wie ein zu hoher Blutdruck oder zu wenige Schritte am Tag gelaufen zu sein die Menschen verunsichern.

 

«Das dauernde digitale Messen kann problematisch für die Psyche eines Menschen sein. Es entsteht Druck, weil man weiss, dass alles irgendwie erhoben wird. Also in Bezug auf persönliche Daten mit Gesundheitsapps.»

Lehrerin, 24 Jahre

Fazit zum WhatsApp-Chat

Die Digital Natives zeigen doch Übereinstimmungen in den Perspektiven und Haltungen, die in den anderen Dialogrunden auch von Gesundheitsfachleuten und älteren Bürgerinnen und Bürgern eingebracht wurden. Zentrale Themen sind auch hier der Nutzen, den die Digitalisierung im Gesundheitswesen bringen muss, und die Informiertheit bzw. die Kompetenz im Umgang mit den neuen Möglichkeiten der Digitalisierung.