Interview mit Susanne Lanz, diplomierte Pflegefachfrau HF

Zukünftig werden immer mehr Menschen auf Pflege angewiesen sein. Gleichzeitig sieht sich die Gesundheitsbranche mit einem Pflegefachkräftemangel konfrontiert. Bei der Aufwertung des Berufs als Pflegefachfrau/-mann spielt die Digitalisierung eine wichtige Rolle – doch der Umgang mit der Datenmenge will gelernt sein.

Frau Lanz, welche Rolle spielt die Digitalisierung im Pflegeberuf?

Ich sehe die Digitalisierung im Pflegeberuf als Chance, aber auch als Hindernis. Einerseits ermöglicht sie ein Pflegecontrolling. Wir erfassen mehr und mehr Daten digital, was eine gewisse Professionalität und Prozessoptimierung erlaubt. Andererseits stellt sich aber auch die Frage, wo diese Datenerfassung aufhört. Aktuell wird alles, was die  Systeme erfassen können, erfasst – ohne vorher die konkreten Fragestellungen formuliert zu haben, auf die diese Daten Antworten liefern sollen. Der Fokus der Datenerfassung in der Pflege muss erstens auf den Patienten/innen-Nutzen und zweitens auf die Pflegequalitätsverbesserung gerichtet sein. Dass diese Daten dann auch sauber eingegeben und erfasst werden, ist bereits die nächste Herausforderung.

Inwiefern?

Im Bereich der Pflege hinken wir bei der Integration der Systeme massiv hinterher. Es gibt viele gute Tools, aber es gibt immer noch zu viele Schnittstellen. Dadurch, dass wir jeweils mehrere Dokumentationssysteme gleichzeitig bewirtschaften, gibt es Doppelspurigkeiten. Zudem sind noch nicht alle Geräte auf der Abteilung mit diesen integralen Dokumentationssystemen verknüpft. So müssen viele Pflegende die Werte nach dem Blutdruckmessen immer noch manuell ins System übertragen. Das raubt Zeit, ist fehleranfällig und frustriert das Personal – denn diese Zeit fehlt beim Patientenkontakt. Gerade die jüngeren Pflegefachkräfte sind es sich aus anderen Bereichen gewohnt, dass alles digital an einem Ort vorhanden ist. Sie wollen Dokumente nicht mehr handschriftlich ausfüllen. Um den Beruf attraktiver zu machen, sollten diese Schnittstellen minimiert werden.  

In der Robotik hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Können Roboter die Arbeit einer Pflegefachkraft übernehmen?

Robotik in der Pflege beinhaltet viele Aspekte. Die Mobilisationsrobotik ist ein Beispiel. Diese Maschinen verringern bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten, wie beim Mobilisieren von gelähmten Patientinnen und Patienten, den benötigten Kraftaufwand. Der Pflegeberuf ist körperlich anstrengend. Es gibt viele Pflegefachkräfte, die wegen körperlichen Beschwerden den Beruf wechseln müssen. Der Roboter kann meine Arme verstärken oder meinen Rücken entlasten. In diesem Bereich sehe ich grosses Potenzial. Pflege bleibt aber eine Dienstleistung vom Menschen am Menschen. Es geht nicht darum, die Arbeit von Pflegefachkräften zu ersetzen, sondern darum, mit digitalen und technischen Hilfsmitteln ein breites Angebot von Unterstützungsmöglichkeiten zu nutzen und damit das Pflegepersonal zu entlasten. 

Braucht es im Umgang mit den neuen Technologien spezielle Kompetenzen als Pflegefachkraft?

Besondere technische Skills sind nicht nötig. Ein technisches Flair sollte man wegen den vielen zu bedienenden Geräten aber schon mitbringen. Vielmehr braucht es eine Kompetenz im Umgang mit der enormen Informationsflut. Pflegefachkräfte müssen trotz der Datenflut den Überblick behalten, die unnötigen Informationen ausblenden und die wichtigen herausfiltern.

Susanne Lanz ist diplomierte Pflegefachfrau HF und arbeitete lange als Stations- bzw. Pflegedienstleiterin. Sie absolvierte zudem ein Bachelorstudium in Gesundheitsmanagement. Solidarität bedeutet für sie einen gut gesteuerten Zugang zu Pflegedienstleistung für alle.