Was tun bei Seitenstechen?

Viele Laufsportlerinnen und -sportler kennen das fiese Stechen in der Seite. Was steckt hinter diesem Schmerz? Und was kann man gegen Seitenstechen tun?

Text: Abital Rauber; Foto: iStock/Alvarez

Was ist Seitenstechen?

Seitenstechen ist ein Phänomen, das mehrheitlich unter körperlicher Belastung auftritt – oft in Zusammenhang mit Laufen oder bei anderen Ausdauersportarten. Dann krampft es – mitunter sehr schmerzhaft – entweder links meist auf Höhe der Milz oder rechts auf Höhe der Leber. Und manchmal sogar beidseitig. Dabei ist es egal, ob Hobbyläuferin oder Laufprofi, Radfahrer, Schwimmerin oder Ruderer. Auch wenn Seitenstechen unangenehm ist, gefährlich ist es nicht: Es zieht weder körperliche Schäden nach sich noch weist es auf ernsthafte gesundheitliche Probleme hin.

«Experten sind sich einig, dass Seitenstechen mit der Atmung zu tun hat.»
Ramon Gubser, Zentrumsleiter des Verbunds Physiozentrum in Uster

Was ist die Ursache von Seitenstechen?

Die Wissenschaft weiss noch immer nicht hundertprozentig, woher Seitenstechen kommt. Das hat vor allem damit zu tun, dass sich die Schmerzen genauso schnell wieder legen, wie sie begonnen haben – und das macht Untersuchungen schwierig. Aber: «Experten sind sich einig, dass Seitenstechen mit der Atmung zu tun hat», sagt Ramon Gubser, Zentrumsleiter des Verbunds Physiozentrum in Uster. Viele Expert:innen vertreten die Annahme, der Schmerz werde durch das Zwerchfell ausgelöst. Naheliegend sei auch, dass Seitenstechen mit der Durchblutung und der Sauerstoffzufuhr zu den Organen zusammenhänge.

Zwerchfell als Auslöser von Seitenstechen

Das Zwerchfell liegt in der Mitte des Oberkörpers und trennt die Lunge vom Bauchbereich. Bei jedem Atemzug hebt und senkt es sich. Wenn man beim Laufen nicht richtig oder nicht gleichmässig atmet, entsteht eine Asymmetrie und dadurch der seitliche Schmerz – ausgelöst durch eine Verkrampfung des Zwerchfells und seiner anhängenden Strukturen, so die Theorie.

Durchblutung der Organe als Ursache

«Die inneren Organe werden während des Sports weniger durchblutet, weil die Muskeln mehr Blut brauchen», erklärt Gubser. Untersuchungen belegen, dass die Durchblutung der Leber und der Milz unter körperlicher Belastung deutlich abnimmt. Ultraschallbilder zeigen zudem die Verformung der Milz- und der Leberkapsel durch die Belastung. Da beide sehr schmerzempfindlich sind, können sie für das Seitenstechen verantwortlich gemacht werden.

Wie kann man Seitenstechen beim Joggen vorbeugen?

Dass man eher Seitenstechen bekommt, wenn man unmittelbar nach dem Essen joggen geht, passt zur These der Umverteilung des Bluts. «Um Nahrung zu verdauen, braucht der Magen-Darm-Trakt Blut, das die Muskeln beim Sport ebenfalls benötigen», führt Experte Gubser aus. Mit vollem Magen gibt es Probleme in der Verteilung des Blutflusses im Körper. «Um Seitenstechen vorzubeugen, sollte man zwei bis drei Stunden vor dem Sport nicht mehr üppig essen», empfiehlt Gubser.

Falls der Hunger zu gross wird, schaffen kleine und leicht verdauliche «Snacks» wie Bananen Abhilfe. Wichtig ist dabei die Balance, wie Ramon Gubser erklärt: Der Magen soll nicht zu voll, aber auch nicht leer sein.

«Um Seitenstechen vorzubeugen, sollte man zwei bis drei Stunden vor dem Sport nicht mehr üppig essen.»
Ramon Gubser, Zentrumsleiter des Verbunds Physiozentrum in Uster

Ein weiterer Tipp, um Seitenstechen vorzubeugen: die Trainingseinheit gemächlich angehen und die Intensität langsam steigern. Dadurch kann der Körper die Durchblutung langsam den Bedürfnissen anpassen. Kontinuierliches Training schützt ausserdem vor Seitenstechen, weil es das gesamte System stärkt – nämlich Muskelfunktionen und die Durchblutung des Körpers.

Manche Expert:innen empfehlen auch Atemübungen oder Core-Training zur Vorbeugung. Das Core-Training zielt darauf ab, die Körpermitte – besonders den Bereich zwischen Zwerchfell und Hüfte – zu stärken. Die Wirksamkeit dieser Massnahmen ist jedoch nicht wissenschaftlich belegt.

Was hilft gegen Seitenstechen?

Seitenstechen ist zwar harmlos, aber dennoch sehr unangenehm. Oft zwingt der Schmerz Läufer:innen sofort, das Tempo zu drosseln oder gar ihr Training abzubrechen. Ein allgemeingültiges Wundermittel, um den Schmerz zu bekämpfen, gibt es leider nicht. Sportler:innen müssen individuell herausfinden, was ihnen hilft. Bei den einen ist es gleichmässiges und tiefes Atmen in den Bauch. Bei anderen eine kurze Pause, in der sie die Seiten und Flanken dehnen.

Seitenstechen rechts oder links ohne Anstrengung

In seltenen Fällen entsteht Seitenstechen auch ohne sportliche Aktivität. Dafür gibt es unterschiedliche Ursachen:

Seitenstechen rechts ohne Sport

Wenn im Ruhezustand Seitenstechen rechts auftritt, kann dies an der Leber liegen. Sie befindet sich im rechten Oberbauch und ist mit mehreren Bändern am Zwerchfell fixiert.

Seitenstechen links ohne Sport

Eine Durchblutungsstörung der Milz kann verantwortlich dafür sein, wenn Seitenstechen im Ruhezustand auf der linken Seite auftritt. Bei häufigem oder lang anhaltendem Seitenstechen ohne Belastung – unbesehen davon, ob links oder rechts – sollten Sie einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen.

Gekrümmte Körperhaltung

Seitenstechen kann entstehen, wenn man längere Zeit in einer gekrümmten Körperhaltung verharrt. Dadurch baut sich Druck auf den Bauch auf – etwa bei längeren Autofahrten oder während Flugreisen.

Während der Schwangerschaft

Seitenstechen während der Schwangerschaft ist weitgehend normal – vor allem, wenn der Bauch grösser wird. Das liegt am wachsenden Baby, das immer mehr Platz beansprucht. Ausserdem braucht das Baby Blut und Sauerstoff, sodass andere Organe weniger stark durchblutet werden. Seitenstechen tritt aber auch schon mal beim Gehen oder Spazieren auf. «Während einer Schwangerschaft braucht es weniger Belastung, um Seitenstiche auszulösen», sagt Ramon Gubser. Zudem sind Frauen in der Frühschwangerschaft oft noch recht aktiv. Später nimmt die Bewegung mehr und mehr ab, sodass durch den Bewegungsmangel ebenfalls schneller Seitenstechen entsteht.

Über den Experten

Ramon Gubser ist Physiotherapeut in der schweizweiten Praxisgruppe Physiozentrum. Er leitet den Standort Uster. Gubser ist spezialisiert auf manuelle Therapie und Schwindeltherapie.

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