Die Stiftung Sanitas Krankenversicherung geht dem Verhalten und den Einschätzungen der Menschen in der Schweiz im Kontext der Digitalisierung auf den Grund. Die Ergebnisse der Studien und Umfragen sollen die gesellschaftliche Debatte bereichern.
Mit dem Monitor «Datengesellschaft und Solidarität» gibt die Stiftung Sanitas Krankenversicherung jedes Jahr eine Umfrage in Auftrag, die das Leben und das Verhalten der Menschen in der Schweiz im Zusammenhang mit der Digitalisierung untersucht.
Für die Erhebung 2022 nahmen im Januar 2450 Personen an der Onlinebefragung der Forschungsstelle Sotomo teil. Die gezielte Personenauswahl und Gewichtung sichert eine repräsentative Stichprobe nahe an der Schweizer Bevölkerung ab 18 Jahren.
«Bevölkerung betrachtet Chancen und Risiken der Digitalisierung nüchterner»
Die positive Einschätzung, dass im digitalen Wandel vor allem Fortschritt und neue Möglichkeiten liegen, hat 2022 leicht abgenommen. Die Überzeugung wächst, dass die Digitalisierung die Gesellschaft in Gewinnende und Verlierende teilt. 70 Prozent der Befragten glauben, dass die Digitalisierung im Wirtschaftsleben zu mehr Ungleichheit führt und die Gewinner- sowie die Verliererseite weiter auseinanderdriften.
Eine gewisse Ermüdung zeigt sich auch im alltäglichen Umgang mit digitalen Möglichkeiten: Weniger Befragte als mitten in der Pandemie geben an, regelmässig soziale Medien, Streaming-Dienste oder Videokonferenzen zu nutzen. Auch Smartwatches und Smarthome-Technologien stagnieren auf tiefem Stand.
Die Bevölkerung wird von Jahr zu Jahr jedoch zuversichtlicher, dass Arbeitsplätze im Zuge der Digitalisierung nicht gänzlich verloren gehen. Kaum jemand geht mehr davon aus, dass Computer und Roboter die eigene berufliche Tätigkeit in zehn Jahren ganz ersetzen.
Keine digitale Ermüdung zeigen diese Bereiche: Immer mehr Menschen – doppelt so viele wie 2019 – zeichnen aktiv Gesundheitsdaten auf. Und das Vertrauen in Bezahl-Apps, welche pandemie-bedingt Einzug gehalten haben, sowie in die digitale Unterschrift wird grösser.
«Solidarität ist wichtig – im Grundprinzip»
Die Solidarität der Gesunden mit den Kranken ist durch die Pandemie-Erfahrung an die Spitze gerückt: Mit 70 Prozent Zustimmung wird sie als wichtigstes Solidaritätsprinzip erachtet, gefolgt von Solidarität von Reich mit Arm oder Jung mit Alt. Interessant ist, dass die Solidarität von Alt mit Jung stark an Bedeutung gewonnen hat – und zwar besonders aus Sicht der Alten. Eine Art «Dankeschön» am Ende der Pandemie, in welcher Junge besonders für Alte auf vieles verzichtet haben?
Solidarität mit den Unsolidarischen: Für eine Mehrheit ist es unsolidarisch, wenn jemand sich wider besseres Wissen gesundheitsschädigend verhält und so hohe Gesundheitskosten für die Allgemeinheit riskiert. Drei Viertel befürworten jedoch, dass diese Person trotzdem Anspruch auf eine teure medizinische Behandlung hat, welche die Allgemeinheit trägt.
Der Begriff «Solidarität» wandelt sich zudem: Mehr Menschen verstehen darunter auch, dass man vor allem für sich selbst sorgen soll (und andern nicht zur Last fällt) – im Sinne von Eigenverantwortung leben. Die Covid-Impffrage dürfte zu diesem Anstieg beigetragen haben: «Für sich selbst sorgen» lässt sich in diesem Zusammenhang wahlweise als Aufruf zum Impfen lesen oder als Votum für die Freiheit, sich nicht impfen zu lassen.
Die Solidarität ist aber nicht bedingungslos. Besonders, wenn es um persönliche Vorteile oder potenzielle Ansprüche geht: So denken vier von zehn Personen, dass wer seine Gesundheitsdaten spendet, bevorzugten Zugang zu neuen Medikamenten haben sollte. Pflegt man nach eigener Einschätzung einen besonders gesunden Lebensstil, ist die Zustimmung für verhaltensabhängige Krankenkassenprämien besonders hoch. Und eine Mehrheit der Covid-Geimpften ist nicht einverstanden damit, dass Ungeimpfte Anspruch auf Intensivbehandlung haben bei Bettenknappheit.
Obwohl die Covid-19-Pandemie die gesellschaftliche Solidarität vermehrt in den Fokus rückte, scheint sie auf wackligen Beinen zu stehen, sobald persönliche Vorteile im Spiel sind.
«Teilen von Gesundheitsdaten? Vertrauen ist das Zauberwort»
Nicht nur die Einstellung zum Gesundheitstracking wird positiver, sondern auch die Einstellung zum Teilen von aufgezeichneten Daten. Dafür ist das Vertrauen in Datenschutz und -sicherheit entscheidend.
Fast neun von zehn Personen können sich heute vorstellen, ihre digital aufgezeichneten Gesundheitsdaten mit ihrem Hausarzt zu teilen. Der wichtigste Grund dafür: Früherkennung von gesundheitlichen Problemen. Erstmals mehr als die Hälfte würden zudem ihre Gesundheitsdaten der medizinischen Forschung überlassen.
Neben persönlichen Vorteilen sehen die Befragten auch positive Aspekte für die Gesellschaft: Gesundheitsdaten wie Blutdruck oder Sauerstoffwerte umfassend aufzuzeichnen, soll zu einer besseren medizinischen Versorgung beitragen. Tracking von Aktivitätsdaten wie Schrittzahl oder Fahrradkilometern hingegen soll insgesamt zu tieferen Gesundheitskosten führen.
Ein digitales Gesundheitsportal, wo alle gesundheitsrelevanten Daten einsehbar wären (selbst gemessene und von Fachleuten erhobene sowie ärztliche Dokumente), fänden zwei Drittel der Umfrageteilnehmenden nützlich. Und vier von fünf Personen möchten selbst bestimmen können, mit wem sie diese Daten teilen. Sie trauen sich also zu und wären gewillt, ihre Gesundheitsdaten selbst zu verwalten.